Solarschiff erreicht das Seenland


von Tageblatt-Redaktion

Das Zuwasserlassen des Schiffes ruft hunderte Schaulustige auf den Plan.
Das Zuwasserlassen des Schiffes ruft hunderte Schaulustige auf den Plan.

Von Tobias Hoeflich

Noch liegt das neue Schmuckstück für das Lausitzer Seenland auf dem Schwerlasttransporter. Aber das Ehepaar Stewig ahnt, dass es wohl bald ins Wasser gehoben wird. „Wir haben gesehen, dass der Kran schon aufgebaut wurde“, berichtet Ursula Stewig. Es ist erst kurz nach zehn, als sich die Seniorin mit ihrem Mann Alfred an der B 96 positioniert hat. Ihr Garten ist nur ein paar Schritte entfernt. „Da haben wir lange Zeit Dreck geschluckt“, sagt Alfred Stewig und spielt auf den Bau des Koschener Kanals an, der Senftenberger und Geierswalder See miteinander verbindet. „Aber man sieht ja, dass es sich gelohnt hat. Es ist schon Wahnsinn, was hier in den letzten Jahren entstanden ist.“

Ein weiterer Höhepunkt folgt in diesen Minuten. Eigentlich hätte der neue, teils gläserne Solarkatamaran schon Ostern, später dann Ende Mai getauft werden sollen. Doch erst Donnerstagnacht gelangte er aus der Stadt Ahaus in Nordrhein-Westfalen nach viertägiger Reise zu seinem Bestimmungsort. Silvio Scholz hat nun mit seinen Kollegen die Aufgabe, das tonnenschwere Gefährt sicher in die Kanalmündung zu befördern. Seit zwölf Jahren arbeitet er für die Firma Kranlogistik Lausitz, aber der Nervenkitzel ist noch so wie am ersten Tag. „Es ist eine Frage der Ehre, dass alles beim ersten Versuch reibungslos klappt. Sonst weiß ich nicht, ob ich morgen früh beim Bäcker ausgelacht werde.“

Nicht zuletzt sind auch viele Schaulustige vor Ort, die sich den Kraftakt anschauen wollen. Immer mehr Spaziergänger und Radfahrer stoppen an der Kanalmündung, beobachten die Arbeiter, halten Fotoapparate und Smartphones bereit. Mancher hat sich sogar einen Campingstuhl mitgebracht. Auch Dutzende Autos säumen inzwischen verbotenerweise die Bundesstraße. Doch zu solch‘ einem Anlass drückt sogar der Angestellte des Ordnungsamts ein Auge zu – und selbst auf den Auslöser.

Die Fachleute der Logistik-Firma bereiten indes das Anheben vor. Über vier meterlange Rundschlingen, die hoch oben vom Kran baumeln, wird das Schiff mit ihm verbunden. Nur wenige Minuten braucht es, die unteren Enden dieser sogenannten Schlupfe mit den vier Ösen des Katamarans zu verbinden. Direkt davor sitzt der kleine Maxi aus Dresden auf Omas Schoß und blickt mit offenem Mund nach oben. Eigentlich sollte es in den Hoyerswerdaer Zoo gehen, aber das hier ist erst mal spannender. Ob der Kran nicht umkippt, wenn er das Boot anhebt? „Nein, der schafft das“, ist sich der Zweijährige sicher. „Und wenn nicht, sparen wir uns ja das Geld für den Zoo“, sagt Oma Bettina Hüttig mit schwarzem Humor.

Nun, gegen 11.15 Uhr, müssen Oma und Enkel aber weichen. Es wird ernst. „Sobald das Ding angehoben wird, müssen die Leute hier weg“, sagt Silvio Scholz zu einem Kollegen. Noch ehe sich das Schiff nach oben bewegt, ist die Zone rund um den Schwerlasttransporter mit rot-weißen Absperrbändern gesichert. Nach gut einem Meter ist dann mit dem Anheben zunächst Schluss: Mit blauer Farbe pinseln zwei Maler noch mal über den Rumpf des nun schwebenden Katamarans. Es folgen weitere zwei Meter, bis der Kran nun vorsichtig nach links schwenkt und sich das Schiff dem Wasser nähert.

Vor Ort ist auch der Württemberger Joachim Kopf, der mit seinem Unternehmen Kopf Solardesign das Boot entwickelt hat. Gespannt blickt er mit inzwischen geschätzt 200 Leuten, wie der Katamaran allmählich in die Kanalmündung hinabgelassen wird. Fertig ist er aber noch nicht: „Es muss noch der Innenbereich gebaut werden.“ Außerdem sind während des Transports mehrere Glasscheiben zerbrochen, die erst einmal ersetzt werden müssen. Trotzdem herrscht vor Ort Jubelstimmung: Ein kräftiger Applaus setzt ein, als das Schiff kurz vor 12 im Wasser aufsetzt. Sichtlich erleichtert steht Silvio Scholz vor dem Schiff, die linke Hand in die Hüfte gestützt, und gönnt sich erst mal einen kräftigen Schluck aus der Limo-Flasche. „Sobald das Schiff im Wasser ist, bin ich raus.“

Nun übernimmt Reederin Marianne Löwa. Mit ihr an Bord zieht die Senftenberger Wasserwacht den Katamaran aus der Kanalmündung in das Wassersportzentrum Großkoschen. Bis Besucher damit über den Senftenberger und Geierswalder See schippern können, werden aber noch einige Tage vergehen. Marianne Löwa hofft, Ende Juni die erste Fahrt anbieten zu können.



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