Reporter-Selbstversuch im Schrebergarten


von Tageblatt-Redaktion

Zwar gehörte das Gärtnern bisher nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Christoph Dorner. Wie man hier sehen kann, hat der Reporter aber zumindest in der Bröthener Heide einen gewissen Spaß daran gefunden.
Zwar gehörte das Gärtnern bisher nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Christoph Dorner. Wie man hier sehen kann, hat der Reporter aber zumindest in der Bröthener Heide einen gewissen Spaß daran gefunden.

Von Mirko Kolodziej

Über den Journalisten Günter Dahl (1923 bis 2004) hat „Stern“-Verleger Henri Nannen einmal gesagt: „Er weiß, dass auf einem Quadratmeter Schrebergarten mehr Wunder zu finden sind, als mancher Reporter auf einem Kontinent findet.“ In der Kleingartensparte „Bröthener Heide“ zwischen der Neidaer Waldstraße und der Bahnlinie hat Christoph Dorner jetzt herausfinden können, ob das eigentlich geht.

Der 30-Jährige aus dem mittelfränkischen Großhöbing steht kurz vor seinem Abschluss an der Zeitenspiegel-Reportageschule im württembergischen Reutlingen, die nach Günter Dahl benannt ist. Es war seine Abschluss-Arbeit, die ihn nun für drei Wochen zum Bewohner einer Gartenlaube in der „Bröthener Heide“ machte.
Als die Schule aus Anlass des 150. Geburtstages des Kleingartenwesens in diesem Jahr das Thema „Schrebergärten“ zum Recherchegegenstand für das jährliche Magazin-Heft der Absolventen wählte, waren die Jung-Reporter wenig begeistert. „In den vergangenen Jahren ging es um Dinge wie Verantwortung oder Stille“, erzählt Christoph Dorner. Das sind weitläufige Themen, die eine Vielzahl von Ansatzpunkten bieten. Aber Schrebergärten?

Doch schließlich schwärmten die Schüler von Reutlingen aus, um zwölf Geschichten zum Thema zu finden. Einer fuhr nach Sangerhausen, wo eine Frau 2009 ihren Mann erschlug. Seine Leiche wurde erst im vorigen Jahr im Garten der Familie gefunden. Ein anderer Zeitenspiegel-Schüler machte sich auf den Weg nach Moskau. Dort tobt ein Datschen-Krieg. Wegen des Wachstums der Stadt müssen die Besitzer von Wochenend-Grundstücken diese oft unter zwielichtigen Umständen räumen. Christoph Dorner machte sich auf den Weg nach Hoyerswerda.

Sein Thema hier: Wie wirkt sich das Schrumpfen der Stadt und die Alterung ihrer Bewohner auf die rund 70 hiesigen Kleingarten-Sparten aus? „In Reutlingen hat man versucht, uns das Thema «Schrebergärten als Trend» schmackhaft zu machen“, sagt der Reporter aus Franken. Er suchte hier sozusagen nach dem Gegentrend. Dass es in der Stadt und im Umland ein Überangebot an Kleingärten gibt, ist nichts Neues, dass die Pläne zur Ausdünnung bisher fast nur auf dem Papier stehen, auch nicht. Dorner aber wollte ganz nah an sein Thema heran. Er fragte in den Gartensparten an, ob es einen unbewirtschafteten Kleingarten gibt, in dem er nächtigen und ein wenig werkeln kann.

Es antwortete Harald Markowski, der Vorsitzende der „Bröthener Heide“. „Das war echtes Reporterglück“, sagt Christoph Dorner. Es war nicht nur so, dass sich die Gartennachbarn als äußerst freundlich und hilfsbereit herausstellten und für seine Reportage viel über das Wachsen und Schrumpfen der Bergbau-Industrie sowie ihrer Werkssiedlung Hoyerswerda-Neustadt erzählen konnten. Die Anlage passte auch sonst zum Thema. Sie ist erst 1988 geplant worden. Ungefähr die Hälfte der mehr als achtzig vorgesehenen Parzellen wurden nach dem Ende der DDR aber erst gar nicht mehr realisiert. Dazu kam der Kleingarten an sich. Er gehörte einmal einem Lehrerehepaar, das seine Laube für 10 000 Mark aus Westdeutschland kommen ließ. Dann zog eine Familie mit vier Kindern ein. Der letzte Pächter, ein junger Mann, verließ die Stadt im vorigen Jahr gen Chemnitz und der Garten wucherte zu. Die einstige Super-Laube zieht nicht mehr – eine nicht untypische Geschichte. Nun versucht Harald Markowski, den Garten wieder an den Mann zu bringen. Nur wer nimmt schon ein verwildertes Grundstück?

Christoph Dorners Anfrage kam gerade recht. Der junge Mann, nach eigenem Bekunden kein sehr passionierter Gärtner, gärtnerte also etwas, sprach viel mit Nachbarn, besuchte gut ein Dutzend Gartensparten und ließ das, was er erfuhr, auf sich wirken. Von der Fachhochschule Hannover stieß Fotografie-Studentin Sabine Findeisen zu ihm, um seine Reportage zu bebildern. Nicht nur die Stadt oder der Industriepark Schwarze Pumpe wurden abgelichtet, sondern auch der Reporter. Schließlich wird sein Selbstversuch in der „Bröthener Heide“ Teil der Geschichte sein. Ende des Monats ist Redaktionsschluss.



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