Munter rinnt das flüssige Eisen


von Tageblatt-Redaktion

Gießereimitarbeiter behandeln das flüssige Basiseisen metallurgisch. Erst der so entstandene Sphäroguss kann vergossen werden. 5 000 Tonnen Guss produziert das Werk im Monat.
Gießereimitarbeiter behandeln das flüssige Basiseisen metallurgisch. Erst der so entstandene Sphäroguss kann vergossen werden. 5 000 Tonnen Guss produziert das Werk im Monat.

Die Luft flirrt vor Hitze, Funken fliegen, die Öfen geben einen sirrenden Ton von sich. Es riecht nach Metall, es riecht nach Arbeit: Und Arbeit gibt es genug in der Gießerei der slr-Elsterheide GmbH im Industriegebiet Bluno/Sabrodt. Rund 5 000 Tonnen Guss werden hier im Monat produziert. Die Auftragsbücher sind voll. Das war nicht immer so. Die Gießerei begann ihre Produktion mit zunächst 55 Mitarbeitern im September 2009, mitten in der Wirtschaftskrise – „mit null Aufträgen“, sagt Geschäftsführer Peter Schäfer. Keine leichte Zeit für den jungen Betrieb. Wenig gegossen wurde damals, nur an ein bis drei Tagen in der Woche. Die Mitarbeiter wurden in abnehmender Form auf Kurzarbeit gesetzt, bis Oktober 2010. Entlassen werden musste aber glücklicherweise niemand.
Mittlerweile arbeiten rund 300 Beschäftigte, darunter 16 Auszubildende, unter den Dächern der dunkelblau gestrichenen Produktionshallen. Im Sommer dieses Jahres hat die Gießerei nun die Gewinnschwelle erreicht; seit Mai wird im Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet.
Draußen, in der Novemberkälte, rollen Lkw vor die Hallen, andere fahren wieder ab – 30 bis 40 Laster am Tag. Sie transportieren die fertigen Gussteile für Nutz- und Sonderfahrzeuge in Richtung Kunden oder sie bringen das Einsatzmaterial für den Guss. Das sind hauptsächlich Schrott, Stanzabfälle, Blechpakete – sprich, „Abfälle“, die recycelt werden. 220 Tonnen täglich braucht der Sabrodter Betrieb, mit 30 000 Quadratmeter Hallenfläche eine der größeren Gießereien.
Besagtes Einsatzmaterial lagert, von einem riesigen Magneten nach Sorten getrennt, in riesigen Schütten. „Rollmöpse“ liegen da beispielsweise, Stahlblechspäne, die in der typischen Form gewickelt sind. „Das wird alles von Schrotthändlern angekauft, deutschlandweit oder auch aus Polen“, erklärt Peter Schäfer. Wegen der etwas abgeschiedenen Lage der Gießerei sei das Beschaffen recht aufwendig.
Nebenan befindet sich der Schmelzbetrieb. Unzählige Arbeitsvorgänge sind hier zu beobachten. Fakt ist: Es läuft zwar vieles automatisch ab, aber Angst vor körperlicher Tätigkeit und Schmutz sollte nicht haben, wer hier arbeitet. Oben auf einer „Bühne“ stehen zwei Mittelfrequenzöfen – daher der eingangs erwähnte sirrende Ton. Bis zu zwölf Megawatt Anschlussleistung schaffen sie. Hier wird das Einsatzmaterial geschmolzen. Rumpelnd fällt es in einen der Öfen. Der andere Ofen ist fast fertig. Von seiner Anzeige ist abzulesen, dass sich mehr als 15 Tonnen Flüssigeisen darin befinden und diese 1 480 Grad heiß sind.
Aus einem Gerät fliegen Funken, weiße Flammen zeigen sich. Hier behandeln Mitarbeiter das flüssige Basiseisen metallurgisch, „verwandeln“ es in so genannten Sphäroguss, bevor es gegossen werden kann. Die Gießmaschine fährt auf Schienen zum „Herzstück“ des Betriebs, wie es Peter Schäfer nennt: die automatische Formanlage. Sie ist vergleichsweise groß und schafft Gussteile bis 700 Kilogramm, wie etwa Planetenträger für spezielle Getriebe.
Langsam kippt die Maschine rund 1 400 Grad heißes Eisen in die Formkästen. In denen befinden sich Sandformen und Kerne, mit deren Hilfe die Gussteile entstehen. Bis zu 90 Formen pro Stunde schafft die Gießmaschine. 16 Tonnen Flüssigeisen sind dann vergossen. „Daraus entstehen zwölf Tonnen guter Guss“, erklärt der Geschäftführer. Der Rest geht zurück in den Schmelzbetrieb.
Jedes Gussstück hat sein eigenes Modell, vergleichbar mit der Ausstechform beim Plätzchenbacken. Rund 250 sind es derzeit, die in meterhohen Regalen lagern. Pro Woche kommen ein bis zwei neue Modelle dazu. Die Abteilung der Gießerei, die schon dreischichtig arbeitet, ist die Kernmacherei. Kerne aus Sand sind ein Hilfsmittel, wenn bei den Gussstücken, etwa Achsen, ein Hohlraum oder eine Aussparung entstehen muss. Unzählige sandsteinfarbene Kerne stehen hier aufgereiht wie die Zinnsoldaten und warten darauf, dass sie per Hand – oder per Kran – in die Formkästen gelegt werden.
Zwölf Stunden bleiben die Gussstücke in der Form, dann werden sie „ausgepackt“: Ganz schwarz und sandig sehen die Teile jetzt aus; einige sind sogar noch warm. Bis sie so glänzen wie die fast fertigen „Kollegen“, die hier danebenliegen, gibt‘s noch einiges zu tun: Mitarbeiter flexen oder schleifen Grate weg; außerdem werden die Gussstücke abgestrahlt. Und zum Schluss kommt Farbe ins Spiel: Die Stücke bekommen eine wasserlösliche Grundierung. Die Farbe richtet sich nach deren Firmenfarben der Auftraggeber. Dass palettenweise grüne Fahrzeugteile auf den Abtransport warten, ist demnach kein Zufall: Der US-amerikanische Land- und Forstmaschinenhersteller John Deere ist einer der Hauptkunden, genau wie Caterpillar („Gelb“), die deutsche Firma ZF („Rot“), außerdem Volvo und der Zulieferer Dana. Zwei Drittel der Sabrodter Produkte gehen in den Export. In der Versandhalle lagern jede Menge Pakete. Sie werden nach Übersee verschifft. „Diese Teile werden 14 Wochen vor Liefertermin fertiggestellt“, sagt Peter Schäfer. Damit auch alles pünktlich ankommt.
Über den Gang im Verwaltungstrakt läuft „Miss Seenland“ Carolin Walleiser. Sie ist hier Industriekauffrau-Azubi im zweiten Lehrjahr. Die anderen Lehrlingskollegen lernen Gießerei- und Industriemechaniker sowie Mechatroniker. Ihre Übernahmechancen seien „riesig“, so der Geschäftsführer. Der Fachkräftemangel macht auch vor dem Sabrodter Werk nicht halt. Wenn also in den kommenden Jahren noch viele junge Kollegen dazukommen, dann wäre das, so betont die Geschäftsleitung, überaus erfreulich.



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