10 Kilo Spargel pro Stunde


von Tageblatt-Redaktion

Günter Francke bringt jeden Morgen die gefüllten Körbe vom Feld zum Hofladen, wo der Bergener Spargel für den Verkauf vorbereitet wird
Günter Francke bringt jeden Morgen die gefüllten Körbe vom Feld zum Hofladen, wo der Bergener Spargel für den Verkauf vorbereitet wird

Ob sich eine Spargelkönigin dazu herablassen würde? Sich frühmorgens aufs Feld zu stellen, mit den Händen den Spargel aus dem erdenen Damm herauszuholen und sich abends mit Rückenschmerzen herumzuquälen? Nehmen wir doch einfach zugunsten dieser Asparagus-Heldinnen an, die ja in diesen Tagen und Wochen wieder auf Dorffesten oder Mittelstandstreffen im Fokus der Öffentlichkeit stehen, dass einige der jungen Damen wenigstens eine ungefähre Vorstellung haben von der Mühe, die hinter einem Spargelpaket steckt.

Wie groß der Aufwand ist, das wissen Mario Seidel und Elke Kretschmer. Die beiden gehören bei der diesjährigen Spargelernte der Bergener Landwirtschafts GmbH zu den erfahrenen Kräften. Für den Bröthener Seidel ist es die vierte Saison, die Hoyerswerdaerin Kretschmer dürfte in der Branche locker als „alter Hase“ durchgehen: Spargel sticht sie seit zwanzig Jahren bei der Landwirtschafts GmbH, wo sie auch angestellt ist.

Wer den Spargel mit Stecher und Brett erntet, darf eines auf keinen Fall sein: ein Langschläfer. Und er sollte nach Möglichkeit eine gut ausgeprägte Rückenmuskulatur haben, denn das immerwährende Hocken und Knien macht sich bemerkbar. Mit Muskelkater. Bereits morgens um halb sechs trudeln auf dem bei Bergen gelegenen rund sechs Hektar großen Feld die ersten Helfer ein. Eine halbe Stunde später geht es los, bekommt jeder ein nummeriertes Körbchen.

Jeder Erntehelfer erhält zu Beginn der sechswöchigen Erntezeit eine Nummer, damit man am Ende auch weiß, wer wie viel von den jungen Trieben aus der Erde geholt hat. Der tägliche Ertrag liege gegenwärtig im Schnitt bei 350 Kilogramm, so die 47-jährige Kretschmer. Gegen Ende der Saison sind es mehr, rund 800 Kilo. Unter den Helfern, rund 70 Männer und Frauen, sind etliche, die sich ein wenig zum Arbeitslosengeld dazuverdienen.

Zeit ist Geld. Das trifft auch auf die Spargelernte zu. 77 Cent bezahlt die Bergener Landwirtschafts GmbH fürs Kilogramm. Ein Spitzenstecher hole in einer Stunde etwa zehn Kilogramm des Edelgemüses aus dem Boden, so Kretschmar. Der Durchschnitt liege bei fünf.

Gegen sieben Uhr entledigen sich einige Männer schon ihrer Hemden. Es ist warm geworden. Kretschmer erinnert sich an einen Sommer, da „haben wir den Spargel sogar bei 35 Grad im Schatten herausgeholt“. Hitzefrei gibt es in solchen Fällen nicht, denn schließlich wartet die Kundschaft. Da müssen die Erntehelfer folglich durch. Auch wenn es regnet oder lausig kalt ist.

Geerntet wird in diesem Jahr auf einer Fläche von rund sechs Hektar. Die mehrjährige Staude muss nach einem ausgeklügelten System wachsen und geerntet werden. Im ersten Standjahr wird kein Spargel gestochen, im zweiten Jahr für einige Tage, im dritten für einige Wochen. Erst ab dem vierten ist ein Jahrgang voll erntefähig. Nach acht bis zehn Jahren geht der Spargel in eine neue Runde.

Günter Francke hat nun auch zu tun. Mit seinem Trecker holt der 53-jährige Angestellte des Landwirtschaftsunternehmens die gefüllten Körbe ab, bringt sie in den nahen Hofladen, wo der Spargel, bevor er verkauft wird, gereinigt, die Bruch- und hohlen Stangen ausgemustert werden.

Während der Saison, insbesondere an den Wochenenden, bilden sich dort Schlangen. Was Elke Kretschmer überhaupt nicht wundert. „Unser Spargel ist doch eine Klasse für sich“, lobt sie das hiesige Edelgemüse, welches in Bergen in mehreren Kategorien verkauft wird. Zwischen 3,50 (C-Sortierung) und 7,50 Euro (A) pro Kilo geht das auch als Heilmittel bekannte Gewächs über die Ladentheke.

Nach zwei Stunden emsiger Arbeit ist an diesem Vormittag Feierabend. Die Plastikfolien werden wieder über die Spargelzeilen gezogen. Mit der schwarzen Seite nach oben, damit es der Spargel warm hat. Dann ist am Rande des Bergener Spargelfeldes wohlverdiente Frühstückszeit, mit frischer Kuhmilch und Brötchen – aber ohne Spargelkönigin.

BU1: Mario Seidel (oben) ist seit vier Jahren Spargelstecher in Bergen und präsentiert hier eine der frisch geernteten Stangen. Links die Arbeitsgeräte eines Spargelstechers.



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