„Ich bin froh, dass nicht alle Seen auf einmal fertig werden“


von Tageblatt-Redaktion

Der Elsterheider Bürgermeister Dietmar Koark geht fest davon aus, dass der Bau des Bürgerhauses Seidewinkel und die Neugestaltung des Mühlenvorplatzes in Neuwiese in diesem Jahr die zwei Schwerpunktaufgaben der Gemeinde sein werden.
Der Elsterheider Bürgermeister Dietmar Koark geht fest davon aus, dass der Bau des Bürgerhauses Seidewinkel und die Neugestaltung des Mühlenvorplatzes in Neuwiese in diesem Jahr die zwei Schwerpunktaufgaben der Gemeinde sein werden.

Wieder einmal ist ein Jahr zu Ende. Zum vierten Mal sitzen wir zum Interview zusammen, und wieder werden wir vermutlich über das Bürgerhaus Seidewinkel und die finanzielle Situation der Gemeinde sprechen...
Sie haben völlig recht. Das Bürgerhaus ist ein Schwerpunktprojekt in der Gemeinde geworden. Wir haben es nun nach jahrelanger Diskussion geschafft, uns auf ein gemeinsames Projekt zu verständigen. Und nun sitzen wir in der Warteschleife. Voraussichtlich mit Beginn des Jahres 2012 soll es eine Änderung der hier zutreffenden Förderrichtlinie (Integrierte ländliche Entwicklung/Ile, d.A.) geben. Ich gehe fest von einem positiven Bescheid aus. Und deswegen habe ich ja auch im letzten Gemeinderat gesagt, dass wir mit Sicherheit zwei große Schwerpunktaufgaben im Jahr 2012 haben werden und vermutlich auch der finanzielle Background nicht ausreichen wird, um uns weitere große Investitionsaufgaben auf die Fahnen zu schreiben.

Der Mühlenvorplatz in Neuwiese und das Bürgerhaus.
Der Mühlenvorplatz wird umgesetzt, eine Förderung ist ja schon da. Ich rechne zu Jahresbeginn mit der Förderzusage für das Bürgerhaus Seidewinkel. Das sind ja auch die beiden Maßnahmen, die nach der Ile-Förderung noch offen sind.

Im Februar soll der Haushalt 2012 beschlossen werden. Sind Grundstücksverkäufe wie im letzten Jahr wieder die Basis für die Einnahmen?
Wir haben auch andere Bereiche, bei denen es zu Erhöhungen auf der Einnahmenseite kommt. Der Anteil der Einkommenssteuer ist in den letzten Jahren stetig steigend. Natürlich werden wir auch wieder auf Grundstücksverkäufe setzen. Das liegt ja auf der Hand. Wir werden Grundstücke nicht erwerben, sie erschließen – da spreche ich sowohl von gewerblichen Grundstücken als auch von denen für Wohnbebauung – um die dann zu behalten. Wir sind daran interessiert, Einwohner zu gewinnen. Und wir wollen versuchen, die Grundstücke in unseren Gewerbe- und Industriegebieten an den Mann zu bringen, um auch wieder neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen.

Wenig hilfreich für die Gemeindekasse ist die Ankündigung des Energiekonzerns Vattenfall, weniger Gewerbesteuern an die Kommunen zu zahlen. Welche Einschnitte hat die Elsterheide hier zu erwarten?
Das möchte ich jetzt nicht konkret beziffern. Es bedeutet für die Gemeinde einen mehrstelligen Hunderttausenderbereich. Wir erhalten 20 Prozent der geplanten Einnahmen, wurde uns mitgeteilt. Mitten im Jahr, wenn alle Messen gesungen sind, wenn der Finanzplan steht. Das bedeutet Reduzierungen, die nicht ohne Weiteres durch andere Gewerbe- und Industriezweige auszugleichen sind.

Werden die Elsterheider merken, dass die finanzielle Lage nicht so rosig ist?
Davon ist nicht auszugehen. Aber ich kann natürlich nicht der Haushaltsdiskussion vorgreifen. Wir haben seit Jahren unveränderte steuerliche Hebesätze, ich gehe nicht davon aus, dass sich daran etwas ändert. Wir bemühen uns seit Jahren, die Hebesätze der Gewerbesteuern auf unterem Niveau zu halten. Aber es gibt auch Bestrebungen, zu prüfen, ob man nicht da noch eine Stellschraube hätte. Unsere Nachbargemeinden gehen da nicht so zaghaft ran. Zum anderen werden wir auch doppelt bestraft durch diesen niedrigen Hebesteuersatz. Das Land sagt: Wenn ihr euch das leisten wollt, könnt ihr das tun, aber wir rechnen es euch dann bei den FAG-Zuweisungen (Finanzausgeich, d.A.) an. Das Land geht vom landesdurchschnittlichen Hebesatz aus. Diese Differenz wird der Gemeinde bei den Zuweisungen abgezogen. Es heißt, entweder ihr könnt euch das leisten oder ihr geht auf den durchschnittlichen Hebesatz. Aber das wird nicht passieren. Das ist für uns ja auch ein Stück Wirtschaftsförderung. Das wollen wir auch zukünftig proklamieren.

Hat die Verwaltung schon mal darüber nachgedacht, die Kitas an freie Träger abzugeben? Die Kitas verursachen auch hohe Kosten.
Die Kosten für die Kitas sind sehr hoch und steigen jährlich. Durch die Zunahme der Kinderzahl und die Auslastung der Kitas ist das auch immer mit dem Einstellen von Personal verbunden. Ich glaube, wir haben dieses Jahr beim kommunalen Anteil für die drei Kitas die 500 000-Euro-Grenze überschritten. Wir hattenvor einigen Jahrenschon darüber nachgedacht, ob wir uns in der freien Trägerlandschaft umsehen. Aber es würde nicht zu gravierenden Einsparungen kommen. Die Zeiten, in denen sich die freien Träger in größerem Umfang an den Aufwendungen für die Unterhaltung einer Kita beteiligen konnten, die sind im Wesentlichen vorbei. Außerdem haben wir alle Kitas in den letzten Jahren in einen guten baulichen Zustand gebracht. Man gibt nicht gern ein neues Gebäude ab. Wenn die kommunalen Anteile dann ausgehandelt werden müssten und wir nicht viel einsparen, bringt es nicht viel. Und wir verlieren den direkten Einfluss auf die Kitas.


Erfreulich sind Zahlen im touristischen Bereich. Im Zweckverband wurde gesagt, dass sich die Zahl der Übernachtungen in der Elsterheide in den letzten drei Jahren fast verfünffacht hat.
Darüber freue ich mich. Diese Zahlen kannte ich bis dato noch nicht. Sie sind für mich eine kleine Bestätigung, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Man kann doch eine positive Tendenz erkennen. Und wenn mit der geplanten Anlage für Gastronomie und Übernachtung an der Südböschung des Geierswalder Sees dann noch einmal 40, 50, 60 Übernachtungskapazitäten dazukommen, dann wird sich diese Entwicklung fortsetzen.

Sind die erfreulichen Zahlen für die Verwaltung auch ein wenig beängstigend?
Wir gehen in diese Entwicklung ja nicht blauäugig. Damit sind wir ja nicht erst seit gestern konfrontiert. Uns ist bewusst, dass wir eine hohe Entwicklungsdynamik haben. Ein Ausdruck dessen ist, dass wir beispielsweise an zehn Bebauungsplänen arbeiten. Die hat manch mittelgroße Stadt nicht in einem Zeitraum zu bewerkstelligen. Dieser Aufgabe stellen wir uns und versuchen, sie zum Erfolg zu führen. Deshalb sind wir weder überrascht noch haben wir Angst davor. Natürlich muss man aber immer die Frage im Hinterkopf haben: Wie kriege ich das finanziell auf die Reihe? Das ist vielleicht die größte Sorge.

Sagen wir statt „beängstigend“, dass man sich unter Druck gesetzt fühlt, von dem, was alles zu leisten ist und wie lange sich Dinge hinziehen. Ein Beispiel wäre Infrastruktur, die überhaupt erst mit viel Geld geschaffen werden muss.
Das ist in der Tat ein Problem. Wir sind zwar flächenmäßig eine große Gemeinde. Aber wir sind in den letzten Jahren von zirka 4 000 Einwohnern auf 3 800 hinuntergefahren. Keine zufriedenstellende Tendenz. Insofern ist es eine Frage, mit welcher Finanzkraft die Gemeinden dann ausgestattet sind, um die Aufgabenfülle bewältigen zu können, die in dieser Entwicklungsdynamik steht: infrastrukturelle Erschließungen nach und nach in allen Seenbereichen. Da mache ich keine Mördergrube aus meinem Herzen, wenn ich sage, ich bin froh, dass nicht alle Seen auf einmal fertig werden. Die kommen aber nach und nach auch auf uns zu, und wir werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich aus dieser angespannten Situation kaum herauskommen.

Das ist auch ein personelles Problem.
Das ist es wirklich. Andererseits haben wir im Laufe der Jahre gelernt, welche Planungsbüros eigenverantwortlich arbeiten können, ohne dass Riesenaufwendungen in der Verwaltung dafür notwendig sind. Diese zwei Büros entwickeln auch selbst ein erhebliches Engagement und bringen die Sache selbst voran. Die haben auch einen guten Draht zu den Behörden. Wir werden keine Experimente mehr machen und zukünftig vermutlich nur noch mit den beiden Büros zusammenarbeiten. Und das wird uns auch helfen.

Der Sitz des neuen länderübergreifenden Tourismusverbandes ist Hoyerswerda. Hätten Sie den auch gern in der Elsterheide gesehen?
Die Brandenburger haben gesagt, dass sie kein Problem damit haben, wenn der Sitz in Sachsen ist, aber er sollte eben nicht so weit entfernt von der Landesgrenze liegen. Die Elsterheide wäre auch gut geeignet gewesen. Andererseits ist Hoyerswerda Dienstleistungsschwerpunkt für die Region. Ich habe Verständnis, wenn dieser Umstand gestärkt wird und man dort auch touristische Schwerpunkte setzt.

Welche Projekte sind im vorigen Jahr in der Elsterheide verwirklicht worden?
Wir haben die zwei noch offenen Konjunktur-Paket-II-Maßnahmen abgeschlossen – die energetische Sanierung des Mehrzweckgebäudes in Bluno mit Neubau einer vollbiologischen Kläranlage und die des Mehrzweckgebäudes am Sportplatz in Bergen.Eine schöne Sache, die auch den Kreis betrifft, ist der Baubeginn für das schnelle Internet in der Gemeinde Elsterheide. Am Ende sind die Gemeinden über die Kreisumlage auch selbst daran beteiligt. Vor drei, vier Wochen haben wir einen Großteil der Winterschäden-Behebung abgeschlossen. Und wir sind an verschiedenen B-Plänen weitergekommen: Der für das Industriegebiet ist als Satzung beschlossen, der B-Plan Südböschung Geierswalde ist vorangekommen, und „Gut Scado“ ist im Beteiligungsverfahren. Einer der größten Solarparks des Landkreises ist in der Elsterheide und in Spreetal entstanden. Die Wohngebietserschließung in Bluno haben wir teilabgeschlossen. Werden weitere Grundstücke verkauft, werden wir die Erschließung zu Ende führen. Und wir sind stolz darauf, dass Bluno den ersten Platz beim Dorfwettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ erreicht hat. Das spricht für eine lebendige, aktive Dorfgemeinschaft in Bluno. Man kann den Blunoern nur eine gute Platzierung in 2012 auf Landesebene wünschen.

Gibt es in einer kommunalen Verwaltung eigentlich Neujahrsvorsätze?
Gibt’s die bei Ihnen?

Nein. Davon halte ich nichts.
Ich eigentlich auch nicht. Das Leben kommt, wie es kommt. Vieles ist nicht mehr so planbar, wie man es sich wünschen würde, weil man von Entwicklungen überrollt wird. Beispiel Energiewende. Mein größter Neujahrswunsch an die Verwaltung ist, dass die Mitarbeiter sich mehr als Dienstleister verstehen sollten, nicht nur als das Amt, das an Recht und Gesetz gebunden ist. Letzteres ist zwar grundsätzlich auch so, aber der Bürger soll das eben nicht so empfinden. Das ist das, was mich an Ämtern und Behörden häufig stört.  Es sollte herüberkommen, dass auf dem Amt Menschen wie du und ich sitzen, die dem Bürger helfen wollen. Der zweite Wunsch wäre, dass es finanziell in der Gemeinde gut läuft und dass wir unsere Vorhaben umsetzen können und vielleicht sogar ein kleines Polster ansammeln, so dass man in der Lage ist, eine schwierige Situation einfacher abzufedern.
Gespräch: Anja Wallner

 



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