Hier kriecht eine Schlingnatter übers Gehäuse


von Tageblatt-Redaktion

Iris John vom Naturschutzbund Wittichenau beobachtet fasziniert die kleine Schlingnatter, die sich um die Kamera schlängelt. Foto: aw
Iris John vom Naturschutzbund Wittichenau beobachtet fasziniert die kleine Schlingnatter, die sich um die Kamera schlängelt. Foto: aw

Von Anja Wallner

Angst vor Echsen und Schlangen hat hier niemand. Im Gegenteil. Je mehr dieser Tiere sich blicken lassen, desto besser. Zwölf Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 19 Jahren durchstreifen Flächen der ehemaligen Kohlegrube „Amalia“ im Dubringer Moor bei Zeißholz. Vier von ihnen gehören zum Kindertreff der Wittichenauer Ortsgruppe des Naturschutzbundes Nabu. Die anderen sind im Zuge des jährlichen, noch bis heute dauernden Reptilienforschercamps des Jugend-Öko-Hauses Dresden in die Lausitz gekommen. Eine Woche verbringen sie auf dem Fischereihof Kleinholscha bei Neschwitz.

Ihre Mission an diesem Tag in Zeißholz: eine rund zwei Hektar große Offenlandfläche von Kiefernaufwuchs und wuchernden Goldrute-Pflanzen befreien, die Fläche sozusagen offenhalten. Die stark von der Sonne beschienene Freifläche bietet idealen Lebensraum für Zauneidechsen, Blindschleichen, Schlingnattern, Kreuzottern und Wechselkröten, aber auch für Vögel wie Ziegenmelker, Heidelerchen und Kiebitze. Außerdem sollen bereits durch den Nabu abgesägte Kiefernteile aufgeschichtet und so Versteckmöglichkeiten für Amphibien und Reptilien geschaffen werden.

Jede Menge Arbeit bedeutet das für die jungen Leute. Aber keiner murrt. Im Gegenteil. „Eine Lebensgrundlage für die Tiere zu schaffen, ist wichtig“, meint Max aus Cottbus, der bei jeder Gelegenheit an den Camps des im Großen Garten ansässigen Jugend-Öko-Hauses teilnimmt. In Cottbus gebe es kein derartiges Angebot, bedauert der 14-Jährige, der später im Berufsleben einmal Pädagogik mit Natur verbinden möchte.

So wie es Uwe Prokoph getan hat. Der Sozialpädagoge und – wie er sagt, autodidaktische Biologe – ist Leiter des Jugend-Öko-Hauses und leitet gleichzeitig das Reptilienforschercamp. „Schlangenkönigs Erbe“ steht auf seinem T-Shirt. Das war das Motto des vorjährigen Camps. Diesmal sind die jungen Leute auf den Spuren Lausitzer Reptilienforscher unterwegs, haben das Görlitzer Naturkundemuseum und die Wirkungsstätten von bekannten Feldherpetologen (im weitesten Sinne: Reptilien- und Amphibienkundler) besucht – Rudolf Zimmermann in Entenschenke und Hans-Jürgen Biella aus Groß Särchen.

Sie waren in einem Kreuzotterngebiet bei Rammenau unterwegs und wurden gleich fündig, wie die 15-jährige Tabea begeistert erzählt. Ein trächtiges Weibchen wurde gesichtet. Da dürfte sich also zur Freude der jungen Naturschützer Nachwuchs bei den gefährdeten Schlangen ansagen. Uwe Prokoph, den es seit seiner Jugend immer wieder in die Natur der Lausitz gezogen hat, geht es darum, jungen Leuten lebendig Umweltbildung zu vermitteln. Solche Camps sind da bestens geeignet. Dort wird geschaut, wie sich Lebensräume verändert haben, zugewachsen sind. In der Folge überlegt man sich, welche Maßnahmen wo nötig sind, um wieder Lebensräume zu schaffen. Natürlich stehen die Camp-Veranstalter dabei im Austausch mit den Experten vor Ort, wie dem Nabu Wittichenau.

Bevor es an die Arbeit geht, ziehen jedoch Reptilien die Aufmerksamkeit der Naturschützer auf sich. Haben sie heute Besuchszeit? Über das Areal verteilt liegen etliche Kontrollmatten des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie LfULG. Iris John, im Vorstand der Nabu-Ortsgruppe und in Zeißholz mit vor Ort, überprüft regelmäßig, ob sich Blindschleichen oder Schlangen darunter versteckt haben. Die studierte Biologin mit besonderer Leidenschaft für Amphibien und Reptilien ist beim LfULG unter anderem für das Schlangenmonitoring im Dubringer Moor und auf der Orchideenwiese zuständig.

 â€žVielleicht sind auch heute Schlangen zu sehen“, meint sie zu den Campteilnehmern. Blindschleichen, die zwar schlangenhaft wirken, aber Echsen sind, soll es hier massenhaft geben. Eine sehen die Jugendlichen gleich zu Beginn, ebenso wie eine Mini-Zauneidechse. Derer werden sie beim Arbeiten noch häufig finden. Was sie heute auf dem ehemaligen Müllplatz gleich hinter dem Friedhof zu sehen bekommen, begeistert Jugendliche und erwachsene Begleiter gleichermaßen: eine kleine Schlingnatter liegt unter einer Kontrollmatte. Kaum 20 Zentimeter ist das wendige Tierchen, 60 bis 70 können es werden. 2003, erzählt Iris John, hat sie die Schlingnatter hier nachgewiesen, und jetzt erst vor zwei Monaten wieder.

Die Schlingnatter ist eine für den Menschen harmlose Schlange. Sie gilt in Deutschland als gefährdete Art, gefährdet hauptsächlich deshalb, weil ihr Lebensraum zerstört wird. Jeder im Camp möchte das Tierchen, das sich um die Hände und Fotoapparate schlängelt und sich äußerst beißfreudig zeigt, mal anfassen. Die erst ganz kleinen Zähne tun (noch) keinem weh. Fotoapparate werden gezückt. „So ein hübsches Tier“, bemerkt Uwe Prokoph. Seine Schützlinge machen sich fachkundig auf die äußeren Merkmale der Natter aufmerksam.

Schon allein dafür dürfte sich der Ausflug ins Naturschutzgebiet gelohnt haben.



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Kommentare zum Artikel:

Lily schrieb am

warum schreiben sie nabu naturschutzbund.... nabu heißt doch schon naturschutzbund.....

Mirko Kolodziej schrieb am

Hallo Lily, richtig. Das weiß aber nicht jeder. Deshalb steht es als Erklärung dabei - so, wie wir zum Beispiel auch schreiben: Versorgungsbetriebe Hoyerswerda VBH oder Bergbausanierer LMBV. M. Kolodziej

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