Glück ist Arbeit


von Tageblatt-Redaktion

Michaela Stöckel weiß recht gut, was sie selbst glücklich macht. Wer wirklich glücklich sein will, kann dies auch lernen. Denn die Frage nach dem Glück beschäftigt die Chefärztin der Geriatrie, also der Altersheilkunde, regelmäßig.  Foto: Gernot Menzel
Michaela Stöckel weiß recht gut, was sie selbst glücklich macht. Wer wirklich glücklich sein will, kann dies auch lernen. Denn die Frage nach dem Glück beschäftigt die Chefärztin der Geriatrie, also der Altersheilkunde, regelmäßig. Foto: Gernot Menzel

Von Uwe Schulz

Ob Jung, ob Alt – alle wollen eigentlich glücklich sein. Dem einen gelingt es, dem anderen nicht. Wir sprachen darüber mit Michaela Stöckel (50), Chefärztin der Klinik für Geriatrie am Lausitzer Seenlandklinikum Hoyerswerda.

Frau Stöckel: Wann sind Sie selbst glücklich?
Heute, zum Beispiel. Wir haben ein schönes Gespräch. Oder man lernt neue Leute kennen. Man genießt den Tag, ist dankbar für den Herbst, für die Sonne.

Die grauen Tage stehen bevor, dann fehlt die Sonne und alles grummelt. Was kann ich da tun, um mein Glück, meine Zufriedenheit zurückzuholen?
Es gibt sicher Mechanismen, wie man dem entrinnt. Man kann mit Musik viele positive Dinge im Gehirn bewirken. Nicht umsonst gibt es ja auch die Adventszeit mit den Lichtern und Gerüchen, um gut durch die unwirtliche Jahreszeit zu kommen. Da bedarf es aber stets auch einer individuellen Idee. Ein glücklicher Moment für mich war im Winter, dass ich auf der Fahrt hierher auf einem Feld schon die Kraniche gesehen habe, als Boten des Frühlings. Das war eine kurze Freude.

Eine Erkenntnis der SZ-Glücksumfrage ist, dass Menschen, die oft einsam sind, sich auch eher als unglücklich einschätzen. Wenn ich jetzt aber nicht der Typ bin, um rauszugehen und Angebote wahrzunehmen, wie kann ich meine Einsamkeit überwinden?
Von den Alleinlebenden haben immer mehr einen Computer. Das ist auch was für Ältere. Das könnte ein positiver Effekt sein in der Zukunft für die Kommunikation. Mancher telefoniert ewig. Auch ein Haustier, eine Beschäftigung, eine Aufgabe helfen. Ich freue mich ja auch, wenn ich nach Hause komme, und die Katze kommt an und miaut. Aber wenn sich das Abschotten von der Außenwelt manifestiert, kann man kaum etwas tun oder es umstülpen. Wenn sich das festsetzt, ist man nicht mehr so flexibel. Wenn man merkt, man kommt in die Sackgasse, muss man es ändern, sich gegen die Bequemlichkeit anstrengen. Glück ist Arbeit. Wer nicht anstrengungsbereit ist, vergibt es sich, ein glückliches Leben zu führen.

Wie funktioniert das eigentlich medizinisch, dass wir glücklich sein können?
Das funktioniert über das menschliche Gehirn. Dort gibt es Belohnungszentren. Wir haben Hormone, die glücklich machen. Das ist auch einer Entwicklung unterlegen. Das bedeutet, dass es sowohl genetisch begründet ist, dass wir überhaupt glücklich sein können. Andererseits werden wir durch unsere Umwelt, unsere Gesellschaft verändert in unserer Vorstellung, was ist eigentlich Glück oder wann bin ich glücklich. Es gibt ganz sichere Aussagen, dass, wenn wir Sport treiben und uns über das normale tägliche Maß hinaus anstrengen, dies zufrieden und glücklich macht. Das liegt daran, dass während der Betätigung Stresshormone freigesetzt werden. Hinterher in der Entspannungsphase kommen Substanzen zum Tragen, die uns zufrieden- stellen. Man hat weniger Hunger und ist mit seinem Tagewerk zufrieden.

Man ist dann zwar körperlich fertig, aber glücklich?
Genau. Wir wissen alle, dass sich die Menschen zu wenig bewegen, dass aber Bewegung ein Reiz ist, zufrieden zu sein. Es gibt freilich auch Ersatzbefriedigung. Das ist heute beispielsweise viel essen. Und oft das falsche Essen. Das ist das Problem, das ich als Ärztin sehe, die sich mit körperlicher Gesundheit beschäftigt.

Gibt es so etwas wie eine Basis zum Glücklichsein?
Es gibt eine Grundzufriedenheit. Das hat nicht unbedingt etwas mit viel Geldverdienen zu tun oder mit anderen materiellen Dingen, sondern das ist genetisch bedingt und wird in der frühen Kindheit, von der Geburt bis zum 5.-6. Lebensjahr geprägt.

Was ist für diese Prägung entscheidend?
Vermutlich hat das was mit den Bedingungen in der Familie zu tun, mit Geborgenheit, wie wird das Kind angenommen von den Eltern. Wie ist die Beziehung zu den Großeltern, sind das intakte Verhältnisse, was macht das Kind für Erfahrungen. Wie funktioniert in der Familie Motivation – durch Süßigkeiten, oder verbal oder durch Zärtlichkeiten. Dann gibt es auch noch das Gegenstück zur Grundzufriedenheit. Zum Beispiel – wir haben einen Orgasmus und sind total glücklich in der Momentaufnahme. Oder man hat eine Gehaltserhöhung bekommen – das hält nicht lange an. Das macht nicht dauerhaft glücklich. Das müssen die Menschen auch lernen.

Was ist mit der Liebe?
Wenn man jung und heißblütig ist, dann ist Liebe was ganz anderes als im Alter. Das liegt auch daran, dass sich der Körper biologisch verändert. Es gibt den Botenstoff des Dopamin, der im Gehirn ganz wichtig ist, der wird sowohl in jungen als auch alten Jahren auf ungefähr gleichem Level ausgeschüttet, aber das junge Gehirn reagiert da viel empfindlicher und bekommt viel mehr positive Effekte als im Alter. In der Jugend ist es eine heiße Liebe, im Alter hingegen nicht so effektgetrieben.

Also braucht man eine Glücksbasis, muss dann aber stets etwas für sein Glück tun. Mancher kauft sich was und fühlt sich glücklich …
Das ist nur ein kurzer Moment und funktioniert ja auch nur, solange die Leute dafür das Geld haben. Bei manchem entgleitet das in den Kaufrausch. Auch Sport kann süchtig machen, wenn es zum Wahn wird. Ich persönlich sage: Gucke auf Dich, was macht Dir Freude, und suche möglichst keine Orientierung bei anderen. Also beispielsweise der Nachbar hat jenes Auto, da brauche ich jetzt das auch oder ein teureres. Oder ähnliche Dinge. Die Basis ist einfach, möglichst ohne Fehde, ohne Kriege in der Beziehung und auf Arbeit auszukommen. Ich kenne Menschen, die gerade in der Familie einen Dauerkrieg haben, dann aber versuchen, wenigstens in den anderen Bereichen des Lebens möglichst ohne solchen auszukommen. Der größte Bereich unseres Lebens ist die Arbeit. Deshalb muss ich mich dort wohlfühlen. Es muss meinen Fähigkeiten und Wünschen entsprechen. Das Geld ist nicht unwichtig, aber der Job muss vor allem Spaß machen. Wenn das gut funktioniert, ist die Basis der Zufriedenheit weiter da.

Sie haben berufsbedingt mit kranken Menschen zu tun. Wie kann man als schwerkranker Mensch glücklich sein?
Kranke Menschen können trotzdem glücklich sein. Das hat dann tatsächlich was mit der Lebenserfahrung zu tun. Ich habe eine hochbetagte Patientin gefragt: Was war denn schlimmer – die Kriegszeiten oder jetzt das Alter mit der Krankheit? Und da hat sie gesagt: Krieg war schlimmer. Das hat ihr in dem Moment sehr geholfen.

Und was macht man mit den notorisch Unzufriedenen, den Meckerern?
Es gibt viele Menschen, die sind mit allem, mit der Welt unzufrieden. Die kann man nicht zufriedenstellen. Die denken zuerst immer ans Negative. Aber das hat was mit dem Ich desjenigen zu tun. Hier hungert keiner, auch das hat sich stark gewandelt. Der Kampf ums Essen, um die Nahrungsquellen ist weg. Der Punkt fehlt.

Wir jammern also auf hohem Niveau!
Genau, das könnte erklären, warum einige Menschen unglücklich sind, das aber dann auch nicht zugeben. Wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind, wird es mit dem Glücksempfinden schwieriger.



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