Flugstunden im Lautech


von Tageblatt-Redaktion

Alexander Schlicht.
Alexander Schlicht.

Von Uwe Jordan

Alexander Schlicht hat sein zweites Leben begonnen. Beruflich. Im ersten war er als Existenzgründer aus der „Garage Ostsachsen“ heraus selbstständiger Physiotherapeut; bot unter anderem Massagen am Arbeitsplatz an. Dann war er Lehrkraft an einer Medizinischen Fachschule. Um sich fest etablieren zu können, hätte er auf privater Basis ein Studium absolvieren müssen. Kosten: rund 500 Euro im Monat; „unterm Strich der Schlussrechnung ein Mercedes“; beruflicher Ausgang ungewiss. Was tun also in einer sich in Sachen Arbeitsmarkt rasch und oft dramatisch verändernden Welt? Wie und wo einen neuen, dauerhaft zukunftsträchtigen Weg finden?

Vor Jahrzehnten galt als Faustregel der Lebensplanung in Sachen Karriere: „Der Beruf, den du erlernt hast – in dem bleibst du bis zur Rente“, am besten im selben Betrieb, wie es mit dem lange Zeit hochgelobten japanischen Modell erfolgreich vorgelebt wurde: Betriebe, die keine Belegschaft hatten, sondern Familien; Betriebe, die lebenslange (nicht immer ganz freiwillige) Treue und Inkaufnahme unternehmensspezifischer Riten mit lebenslanger sozialer Sicherheit vergalten. Es sei dahingestellt, ob auch das Gaskombinat Schwarze Pumpe mit seiner Wohnstadt Hoyerswerda ein klitzekleines bisschen diesem japanischen Modell nachempfunden war. Jedenfalls ist das Kombinat passé, aber mit ihm nicht nur die einstmals sozialistischen Wirtschaftseinheiten, sondern vielfach auch die geschilderten Strukturen in Fernost. Globalisierung, Verlagerung spezieller Arbeiten rund um den Erdball, völlig neue An- und Herausforderungen in Produktion, Verwaltung und Vermarktung – das sind, kurz gefasst, die Gründe für eine „neue Weltordnung“. Man muss die nicht uneingeschränkt mögen. Aber bis auf weiteres muss man sich darin zurecht finden.

Alexander Schlichts Schlussfolgerung aus all dem: Ein Duales Studium aufnehmen! Eines, das in vielen Sparten eines künftigen Berufs Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt; so die Chancen am Arbeitsmarkt entscheidend erhöht: „Öffentliche Wirtschaft“. Ein solches Duales Studium bietet die Berufsakademie Bautzen (BA). Salopp gesagt, folgt es dem Muster des früheren Ingenieurs-Studiums, also der Ausbildung eines „Multitalents“, in dem nicht umsonst das Wörtchen „Genie“ versteckt ist und von dem ein Reim einst behauptete „dem Ingenieur“ sei „nichts zu schwör“.

Duales, zweiheitliches, Studium bedeutet nichts anderes als enge Verquickung von Theorie und Praxis. Nicht Lehre und Forschung stehen hier im Mittelpunkt, sondern das anwendungsorientierte Erwerben von Kenntnissen und Fähigkeiten. Anders als beim klassischen (Hochschul-) Studium gibt es neben dem theoretischen Teil der Ausbildung, der an der Bildungseinrichtung absolviert wird, auch einen umfangreichen praktischen: Die Studenten werden in einem Unternehmen eingesetzt, in dem sie in praktische Belange eingebunden werden; Verantwortung übernehmen, Selbstständigkeit durch eigenes Tun „lernen“ und oft die Arbeit in ihrem Betrieb „auf Zeit“ organisieren helfen.

So ist das im Falle von Alexander Schlicht, der seinen Praxis-Einsatz im Lausitzer Technologiezentrum, dem Lautech im Hoyerswerdaer Industriegebiet an der Straße E Nr. 8, absolviert. Das Lautech ist in vielfältigster Weise damit beschäftigt, Existenzgründer zu schulen, sie bei den ersten Schritten zu begleiten, ihnen die Möglichkeit zu geben, Kontakte zu knüpfen; schlussendlich: ihnen für den Start in die Selbstständigkeit beste Rahmenbedingungen zu schaffen. Freilich nicht, indem ihnen alles einschließlich der Ideenfindung abgenommen wird, sondern nach dem Prinzip der Flugstunden. So umschreibt es Lautech-Geschäftsführer Prof. Peter Biegel: „Beim Auto-Fahren-Lernen sitzt der Fahrlehrer bis zum Prüfungstag neben Ihnen im Wagen. Fliegen aber müssen Sie irgendwann schon vor der Prüfung allein.“

Für Alexander Schlicht heißt das, eine Marketing-Strategie fürs Lautech zu entwickeln – bis hin zu Kostenrechnungen und Handlungs-Empfehlungen, was Vorschläge für Buchhaltung und Personalwirtschaft einschließt. „Arbeit «entsteht» ja oft im Gespräch, und das hat dann sofort Einfluss auf das Tagesgeschäft“, sagt er. Und das ist darüber hinaus eben bisweilen ganz handfest praktisch, denn auch Schneeschieben und Sekretariatsdienst gehören zum Tätigkeitsfeld – eben alles „von der Pike auf“, was man in einem Unternehmen so vorfindet.

Im September 2016 wird Alexander Schlicht sein Studium abschließen. Dann ist er Fachmann für öffentliche Wirtschaft, neudeutsch: „Public Management“. Das heißt, er ist nicht nur im Management privater Unternehmen einsetzbar, sondern auch in öffentlichen Ämtern und Unternehmen mit kommunaler Beteiligung. Solche Vielfalt mit praktischen (Vor-)Kenntnissen eröffnet manche Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Aber vielleicht bleibt er ja auch im Lautech – denn viele der Dual-Absolventen werden nach dem Abschluss in dem Unternehmen tätig, in dem sie ihren praktischen Studien-Teil absolviert haben. Das wäre dann doch wieder ein bisschen der eingangs geschilderten Kontinuität – freilich mit sehr weiten Horizonten.



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