Flüchtlinge im Hungerstreik


von Tageblatt-Redaktion

Bis ihre Anträge bearbeitet sind, wollen die Asylbewerber nur auf Matratzen vor dem Hoyerswerdaer Flüchtlingsheim wohnen. Fotos: Gernot Menzel
Bis ihre Anträge bearbeitet sind, wollen die Asylbewerber nur auf Matratzen vor dem Hoyerswerdaer Flüchtlingsheim wohnen. Fotos: Gernot Menzel (2)

Von Tobias Hoeflich

Noch ist es schattig, als mehrere Asylbewerber gestern Vormittag Matratzen nach draußen schleppen. Vor dem Zaun zum Flüchtlingsheim an der Dillinger Straße werden sie aufgereiht. Sie sollen das neue Zuhause für 18 Asylbewerber sein, zumindest vorübergehend. Bis auf einen Iraker stammen alle aus Syrien. Die Flüchtlinge wollen draußen bleiben – und nichts essen. „Nur Wasser trinken ist erlaubt“, sagt Mahdi Faour, einer der syrischen Asylbewerber. Wie lange aber soll das dauern? Ein Hungerstreik bei dieser Hitze? „Wir bleiben bei Sonne, Regen, Schnee“, sagt der 35-Jährige entschlossen in gebrochenem Deutsch. „Erst wenn ich habe Bescheid, dann gehe ich.“

Auf einen Bescheid warten viele der 18 Asylbewerber schon lange. Zum Teil sind sie seit knapp einem Jahr im Hoyerswerdaer Flüchtlingsheim. Und fordern endlich Gewissheit, ob sie hier in Deutschland bleiben können. Mit mehreren Bannern, die hinter den Matratzen prangen, machen sie ihrem Ärger Luft: „Wir mussten unsere Länder verlassen, weil der Krieg unsere Existenz vernichtet hat. Wir wollen unsere Familien schnell in Sicherheit wissen. Also müssen die Anträge schnell bearbeitet werden“, steht auf einem der Transparente. Und daneben: „Warum habt ihr die Leute in Hoyerswerda vergessen?“

Vergessen, das würde Mahdi Faour gerne. Wie seine Frau im Krieg in Syrien umkam, seine Heimatstadt zum Teil zerstört wurde, er mühsam aus dem Land fliehen musste. Als noch Frieden in Syrien herrschte, hat der Grafikdesigner beim Staatsfernsehen gearbeitet und ein gutes Leben geführt. Doch der Krieg machte auch in seiner Heimat Hama, einer 500 000-Einwohner-Stadt zwischen Damaskus und Aleppo, nicht halt. Über die Türkei gelangte er in die Europäische Union nach Griechenland, von dort weiter über Mazedonien und Ungarn nach Deutschland. Viele hier haben diesen Weg gewählt, so auch Osama Sherbaj, dessen Haus in Damaskus im Krieg zerstört worden ist. Seine Frau und die vier Kinder leben seitdem in Ägypten. Die lange Flucht nach Deutschland, sagt er, hätten sie nicht geschafft.

Nun sitzen Sherbaj und die übrigen Flüchtlinge hier an der Dillinger Straße in Hoyerswerda. Viele Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben, haben sie nicht. Er würde gerne arbeiten, sagt Mahdi Faour. Doch solange sein Asylantrag nicht bearbeitet wird, ist er wie die übrigen Streikenden zum Nichtstun gezwungen. Immerhin: Dank des Netzwerks „Hoyerswerda hilft mit Herz“ hat er schon etwas Deutsch gelernt. Sobald der Syrer anerkannt ist, will er einen Sprachkurs absolvieren.

Über das Ja oder Nein entscheidet letztlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das betont Sabine Rötschke, Sprecherin des Landratsamts in Bautzen. Und stellt klar: „Der Streik richtet sich nicht gegen die Unterbringungssituation, sondern gegen die lange Bearbeitungsdauer der Verfahren.“ Um darauf aufmerksam zu machen, hätten die Flüchtlinge eben diesen Weg gewählt. Mit einer Bewertung des Hungerstreiks hält sich die Sprecherin des Landratsamtes zurück, das zuständige Bundesamt sei aber informiert worden. „Die Mitarbeiter des Landkreises werden in Abstimmung mit der Heimleitung die Lage der Personen vor Ort weiter im Blick behalten.“

Das Bundesamt bestätigt, dass ein Teil der Protestierenden schon lange auf einen Bescheid wartet. „Wir gehen in diesem Jahr von 400 000 Erst- und 50 000 Folgeanträgen aus. Daher ist die Arbeitsbelastung in unseren Außenstellen sehr hoch“, erklärt Amtssprecher Mehmet Ata. Aber: „Ein Hungerstreik hat keine Auswirkung auf das Asylverfahren. Das Bundesamt kann nicht die Verfahren einzelner Personen vorziehen.“ Ata verweist dafür auf 1 000 neue Mitarbeiter, die bis Ende des Jahres eingestellt werden. Weitere 650 Angestellte seien bereits seit Ende 2014 zusätzlich im Amt tätig.

Die 18 Flüchtlinge in der Dillinger Straße hoffen indes, bald Gewissheit zu haben. Dass sie in Deutschland bleiben möchten, steht für sie außer Frage. Mahdi Faour würde gerne seine beiden Kinder, fünf und acht Jahre, nachholen. Sie wohnen derzeit noch bei ihrer Oma. Auch Osama Sherbaj hofft, mit seiner Familie ein neues Leben in Deutschland beginnen zu können. Über die Internetverbindung seines Smartphones hält er Kontakt zu Frau und Kindern in Ägypten. Das Telefon ist einer der wenigen Gegenstände, die er bei der Flucht mitnehmen konnte. Wehmütig denkt er jeden Tag an Syrien zurück. „Es ist schwer, seine Heimat verlassen zu müssen“, sagt der 48-Jährige. Eine Rückkehr schließt er nicht aus. Nur wann soll in Syrien wieder Frieden herrschen? Auf diese Frage bleibt Osama Sherbaj stumm.



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Kommentare zum Artikel:

xxx schrieb am

Erschreckend, dass Handy wird mitgenommen und die Kinder im "Kriegsgebiet" hinterlassen... zeigt den wahren Charakter!

Andrea schrieb am

@xxx (Zeugt die Wahl dieses Namens von Charakter?):
Kinder und Frauen kommen oft um auf der sehr gefährlichen Reise in die Freiheit. Jeder INTELLIGENTE Mann nimmt diesen Weg alleine auf sich um dann sichere Wege für die Familie zu ermöglichen.

Wenn ein Flug nach Mallorca und zurück nur direkt auf Mallorca zu buchen wäre, Sie möchten aber da hin, - jagen Sie ihre Familie zu Fuß nach Mallorca? Oder schlagen sie sich alleine durch, um dann vor Ort für die Familie zu buchen?

Von der eigenen sicheren Heimat aus ist das immer so leicht in den/das in Billiglohnländern zusammengeschraubten Computer/Handy/Tablet zu tippen.

Und ja - die Leute haben Angst um ihre Familien, die sie schnell und sicher aus der Gefahr holen wollten. Und ein Jahr ist zu viel um Angst zu haben.
Ich drücke die Daumen und wünsche viel Erfolg!

Max schrieb am

@xxx:

Ein solcher "Name" zeigt nicht nur "wahren" Charakter, vermutlich haben Sie auch keine eigenen Kinder bzw. Familie. Ansonsten würden Sie so einen Schwachsinn nicht schreiben.
Sie sollten sich schämen!

Mirko Kolodziej schrieb am

Sehr geehrter Max, wir würden Sie bitten, auf Ihre Wortwahl zu achten! Starke Begriffe wie "Schwachsinn" tragen nicht zum Erkenntnisgewinn bei, dem eine Diskussion dienen soll. Argumente wie sie von Andrea vorgebracht worden sind, tun das dagegen in hervorragender Weise.

Mirko Kolodziej
-Redaktion-

jörg schrieb am

Nein Andrea, jeder INTELLIGENTE Mann würde seine Familie nicht allein lassen. ICH würde meine Frau und meine zwei Töchter nicht zurücklassen und mich verpissen. Aber Ihr *** dreht euch die Welt so, wie Ihr sie wollt.

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