Die KuFa-Tänzer suchen Anzug-Spender


von Tageblatt-Redaktion

Der zwölfjährige Julian Mietzsch ist einer der jüngeren Tänzer aus der Tanz-Compagnie der KulturFabrik.
Der zwölfjährige Julian Mietzsch ist einer der jüngeren Tänzer aus der Tanz-Compagnie der KulturFabrik.

Von Mirko Kolodziej

Rund 70 Leute einzukleiden, ist sicher nicht so einfach. Das gilt besonders, wenn sie einheitlich aussehen sollen. Und das ist nötig, wenn im Juni die Tanz-Compagnie der KulturFabrik Hoyerswerda im ehemaligen Centrum-Warenhaus ihre Version von Igor Strawinskis „Le sacre du printemps“ oder „Das Frühlingsopfer“ zeigt.

„Wir wollen natürlich auch ein schönes Bühnenbild erzeugen“, sagt Projektleiter Dirk Lienig. Und das bedeutet in diesem Fall: Die KuFa sucht 70 Anzüge – mindestens. „Je mehr wir bekommen, umso leichter wird es uns fallen, auszuwählen“, erklärt Lienig. Er hofft, dass bei so manchem im Schrank noch ein abgetragener Anzug hängt, der nicht mehr gebraucht wird. Klar ist, dass er zum Tanzen nicht wie neu aussehen muss. Kleine Löcher oder abgewetzte Stellen sind also kein Problem. Das gilt auch für die Größen. Schließlich tanzen nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche mit. Aber unter anderem die Strickfrauen des Braugasse-Vereins wollen beim Kürzen und Verengen helfen. Gesucht werden Anzüge in dunkel-gedeckten Farben, wobei Schwarz nicht unbedingt favorisiert wird. Ein paar Anzüge sind in der KuFa schon eingetroffen. Aber noch reicht es für 70 Tänzer nicht.

Andere Probleme sind mittlerweile ausgeräumt. So bedurfte es der Genehmigung einer Anwaltskanzlei, die die Erben von Igor Strawinski (1882-1971) vertritt. Es ging unter anderem um Werkstreue. Die Verhandlungen zogen sich, aber letztlich konnte Lienig seinen Tänzern doch verkünden: „Sie haben es mit unserem Konzept erlaubt.“ Dieses Konzept zum „Frühlingsopfer“ rankt sich um das, was Menschen heutzutage in der Arbeitswelt zu opfern haben. Es geht um die täglichen Mühen, die ein jeder aufwendet, um die leistungsorientierte Wachstumsgesellschaft aufrechtzuerhalten. In diesen Kontext passen auch die Anzüge – gewissermaßen als Ausdruck der diesbezüglichen Uniformität.

Denn die Tänzer bereiten sich nicht nur bei bis zu drei Proben in der Woche in der Turnhalle der Neustadt-Oberschule beziehungsweise in der Aula der Grundschule „An der Elster“ physisch auf die fünf Aufführungen im Juni vor. Sie setzen sich außerdem unter Begleitung durch die Filmemacher Olaf Winkler und Dirk Heth thematisch mit dem Spannungsfeld zwischen den eigenen Neigungen und der Festlegung auf eine Tätigkeit am Arbeitsmarkt auseinander. Schon früh gaben einige der Tänzer dazu in Interviews Auskunft, die nicht nur dem 35-minütigen Tanzstück beigestellt werden sollen.

In Planung ist nämlich auch noch ein künstlerischer Dokumentarfilm, der nach den Aufführungen im ehemaligen Warenhaus entstehen soll. Dirk Lienig sagt, die Gespräche zu Leistung, Wettbewerb, Flexibilität, Mobilität oder Belastbarkeit hätten ihn nachdenklich gemacht.

Da ist der 23-Jährige, der schon Schule als Job beschreibt. Da ist die Lehrerin, die über zunehmende Bürokratie mit Statistiken und Entwicklungsberichten klagt. Oder da ist die Unternehmerin, die zwar ihre Leute bezahlt und alle anfallenden Kosten trägt, aber ohne eigenes Gehalt vom Einkommen ihres Mannes abhängt. Da ist die Ärztin, die sich gegen die Schauspielerei entschied, oder die Erzieherin, die lieber als Akrobatin arbeiten würde. Und da ist eben Dirk Lienig, der den Weg der meisten Menschen von der Ausbildung bis zur Rente so beschreibt: „Es ist ein Kampf, in dem die eigenen Neigungen und Träume, Wichtiges und Großes zu vollbringen, Federn lassen.“

Lienig bezieht sich dabei auch auf eine Inszenierung der Choreographin Sasha Waltz zum 100. Premieren-Jubliäum von „Le sacre du printemps“ im vorigen Jahr. „Der Einzelne opfert sich zum Wohle der Gemeinschaft“, schrieb sie über die Rituale der heutigen, hoch technisierten Welt. Bevor die KuFa-Tänzer ihre Interpretation dazu zeigen, muss allerdings noch ein wenig Schweiß fließen. Die Proben, so ist von ihnen zu hören, werden in der letzten Zeit immer länger.

Aufführungen sind am 13. Juni um 20 Uhr, am 14. Juni um 16 und um 20 Uhr sowie am 15. Juni 16 und 19 Uhr.



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