Der Budenvater der Krabatmühle


von Tageblatt-Redaktion

So viele Wandergesellen auf einmal gab es schon lange nicht mehr an der Krabatmühle. Zeit für ein Gruppenfoto mit „Budenvater“ Hartmut Orbanz, der mit seiner „normalen“ Kleidung inmitten der Wandergesellen optisch etwas aus dem Rahmen fällt. Foto: Richter
So viele Wandergesellen auf einmal gab es schon lange nicht mehr an der Krabatmühle. Zeit für ein Gruppenfoto mit „Budenvater“ Hartmut Orbanz, der mit seiner „normalen“ Kleidung inmitten der Wandergesellen optisch etwas aus dem Rahmen fällt. Foto: Richter

Von Silke Richter

Das Krabat-Dorf Schwarzkollm ist an diesem Morgen in graue Nebelschwaden gehüllt. Die historische Mühle zeigt sich nur schemenhaft. Die Atmosphäre ist fast schon mystisch. Vor dem Gesindehaus stehen sechzehn Männer und zwei Frauen. Sie tragen große schwarze Hüte mit breiter Krempe, Schlaghosen und Westen. Jedes Kleidungsstück, selbst die Anzahl der unterschiedlichen Knöpfe, hat eine besondere Bedeutung. Hartmut Orbanz passt auf den ersten Blick optisch nicht so recht in das Gruppenbild dieser Wandergesellen, die sich Rolandsbrüder nennen oder Mitglieder in anderen traditionellen Gesellenorganisationen sind.

Hartmut Orbanz trägt eine helle moderne Jacke mit Reißverschluss, eine graue Schirmmütze – keine Frage, der 64-Jährige ist definitiv kein Wandergeselle. Der Schwarzkollmer ist aber der sogenannte „Budenvater“ in der Krabatmühle und kümmert sich, wie es der Name schon sagt, um die Wandergesellen, die auf ihrer Reise durch Deutschland an der Krabatmühle in Schwarzkollm Station machen.

Der gelernte Elektromeister hat vor mehreren Jahren das Amt von Gertrud Winzer übernommen. „Schuld“ daran war Karl, sein Dackel. „Ich musste mit meinem Hund ja sowieso immer meine Runden drehen. Und wir waren zusammen fast täglich in der Krabatmühle. So hat es sich ergeben, dass ich zum Bundenvater und Karl zum Mühlen-Hund wurde“, erinnert sich Hartmut Orbanz.

Damals bei Amtsantritt wusste der Schwarzkollmer zwar von der Tradition der Wandergesellen. Aber hautnah erlebt hatte Hartmut Orbanz dieses Gefühl von Gemeinschaft und Ehrbarkeit bis dahin so noch nie. Für die Wandergesellen steht die Verknüpfung von Moral und Beruf stets an oberster Stelle. „Es ist unbeschreiblich, wie dieser Ehrenkodex von den Frauen und Männern auf ihrer Reise gelebt wird. Werte wie Fleiß, Treue, Hilfe und hingebungsvolle Leidenschaft haben eine ganz besondere Bedeutung. Es ist ein schönes Gefühl, wenn Wandergesellen ihre Fingerabdrücke an der Krabatmühle hinterlassen“, sagt Hartmut Orbanz.

Er berichtet vom Bau des Gesindehauses, mit dem im Jahr 2006 mithilfe von Wandergesellen begonnen wurde. Diese sogenannte Sommerbaustelle war der Grundstein für das erste Gebäude auf dem Areal der zukünftigen Krabatmühle. Damals reisten zum ersten Mal Hunderte Gesellen an, um beim Bau der Mühle zu helfen.

Heute ist sie eher als Zwischenstation gedacht, damit sich die Wandergesellen erholen und Kraft tanken können. Für ihre Anreise gibt es keine Buchungen im herkömmlichen Sinne. Wandergesellen kommen und gehen auf ihrer Reise, die mindestens drei Jahre und einen Tag dauern muss, wie es ihnen beliebt. Die Ankunft kann dann auch schon mal mitten in der Nacht sein. Wird der Budenvater da zu Hause aus seinem Bett geklingelt? „Nein, nein“, wehrt Hartmut Orbanz ab. Denn für die Schlüsselübergabe und den Einzug in das Gesindehaus braucht es keine persönlichen Worte oder Absprachen. Die Wandergesellen wissen um das Geheimnis der (Zauber-)Symbole an der Krabatmühle, können sie deuten.

Die Haustürklingel schellt bei Familie Orbanz nur am hellichten Tag – oder wenn in deren Haus wirklich noch Licht brennt. Dann gibt es für die reisenden Männer und Frauen auch schon mal ein Bierchen zur Begrüßung. Und natürlich auch ein erstes Kennenlernen und Hilfestellungen, wenn sie denn nötig sind.

Im Gesindehaus finden die Wandergesellen saubere Räume zur Übernachtung vor und die Möglichkeit, ihre Wäsche zu reinigen. Für Hartmut Orbanz und die anderen fleißigen Helfer aus der Krabatmühle war die Ankunft der neunzehn Wandergesellen dieser Tage etwas ganz Besonderes. Denn so viele Gesellen auf einmal gab es in der Krabatmühle schon lange nicht mehr. Ein Großteil wird noch am selben Tag wieder abreisen. Andere werden noch bleiben und in der Krabatmühle bei der Erledigung anfallender Arbeiten mithelfen, bis auch sie ihre Reise fortsetzen.

Doch es wird nicht lange dauern, bis es bei Hartmut Orbanz zu Hause wieder klingeln oder der Schlüssel für das Gesindehaus wie von „Zauberhand“ den Besitzer wechseln wird.



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