Auf der Jagd nach Andersdenkenden


von Tageblatt-Redaktion

Sachsens Verfassungsschutzbericht für 2013 erschien Anfang Mai.

Von Mirko Kolodziej

Besonders groß ist der Drang im Hoyerswerdaer Rathaus nicht, den Umstand zu erörtern, dass die Stadt (ähnlich wie andere Orte auch) im vor gut zwei Wochen veröffentlichten Jahresbericht 2013 des sächsischen Verfassungsschutzes unter dem Stichwort „Rechtsextremismus“ gleich mehrfach auftaucht. „Die im Verfassungsschutzbericht genannten Inhalte zu den Aktivitäten der Gruppierung «Nationale Sozialisten Hoyerswerda» sind der Stadtverwaltung bekannt“, hieß es sieben Tage nach einer entsprechenden TAGEBLATT-Anfrage immerhin. Kommentieren werde man die entsprechenden Passagen aus dem Bericht der Verfassungsschützer aber nicht. Nur so viel kurz und knapp: „In diesem Zusammenhang möchten wir unter anderem auch an das mit dem sächsischen Verfassungsschutz bereits zweimal durchgeführte Lokale Aktionsforum erinnern.“

Die Verfassungsschützer ordnen besagten „Nationalen Sozialisten“ unter anderem den öffentlich viel diskutierten Übergriff auf ein junges Paar im WK IV im Oktober 2012 zu. Acht Männer (fünf von ihnen gebürtige Hoyerswerdaer) sind deshalb im Januar, also nach Abschluss des Berichtsjahres 2013, vom Amtsgericht Hoyerswerda wegen Bedrohung und Beleidigung verurteilt worden. Zugleich dürfte die Justiz weitere Anklagen vorbereiten, denn im Dezember vorigen Jahres gab es in der Stadt und im Umland in sieben Wohnungen Razzien, die sich gegen Mitglieder der „Nationalen Sozialisten“ richteten. Ihnen wird vorgeworfen, im September vorigen Jahres Körperverletzungen begangen zu haben. Polizei und Staatsanwaltschaft sprechen von möglichen Strafen zwischen einem halben und zehn Jahren.

Auch im Verfassungsschutzbericht taucht der Begriff „Körperverletzung“ im Zusammenhang mit der Gruppierung auf. Sie habe, heißt es, gezielt die Stadt „auf der Suche nach Opfern bestreift“. Das Feindbild sei klar umrissen „der politisch Andersdenkende, die «Zecke»“. Diese Schilderung deckt sich mit dem, was ein Jugendlicher dem TAGEBLATT bereits vor sieben Jahren berichtete. Von „Angstzonen“ war damals die Rede. Heute spricht der junge Mann für die nicht klar definierbare Gruppe „Pogrom 91“, die wiederum ihre Anonymität mit der Angst vor rechten Übergriffen begründet. Der inzwischen aufgelöste Verein „Amal“, der sich der „Hilfe für Betroffene rechter Gewalt“ verschrieben hatte, sprach damals vom gezielten Versuch, „alternative Jugendkulturen“ aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.

Für 2013 benennen die Verfassungsschützer bezüglich der „Nationalen Sozialisten Hoyerswerda“, die als „aktivste rechtsextremistische Gruppierung im Landkreis Bautzen“ bezeichnet werden, aber auch andere Betätigungsfelder. Erwähnt wird die Teilnahme an Demonstrationen der nationalistischen Partei NPD unter anderem in Berlin, Dresden, Görlitz und Torgau oder eine „umfangreiche Verteil- und Klebeaktion mit rechtsextremistischem Propagandamaterial“ im Mai. Für den April wird sogar eine Konfrontation mit der Polizei geschildert, als die Beamten ein zu Ehren des Geburtstages von NSDAP-Kanzler Hitler auf einem Spielplatz entzündetes Lagerfeuer löschen wollten.

Nicht einmal erwähnt sind dagegen, wie die stellvertretende Linken-Vorsitzende Caren Lay feststellt, die diversen Attacken auf das Büro ihrer Partei im Stadtzentrum. Die Bundestagsabgeordnete, die sich um den hiesigen Wahlkreis kümmert, ergänzt: „Das Stadtbild vor allem in der Neustadt wird von zahlreichen Aufklebern mit rechter Hetze verschmutzt und bei Veranstaltungen der Linken passiert es nicht selten, dass es zu Störungen durch gewaltbereite Anhänger der rechten Szene, vor allem der Nationalen Sozialisten, kommt.“ Inzwischen gibt es offenbar auch Befürchtungen, dass das neu eröffnete Asylbewerber-Wohnheim im Visier rechter Gewalttäter liegt. Zumindest wird es von der Polizei tagtäglich vom frühen Abend bis zum späten Morgen besonders scharf im Blick behalten. Das konnte im April die Attacke gegen eine Fensterscheibe im Haus nicht verhindern. Die meisten von dessen Bewohnern lernen derzeit erst Deutsch. Die Bedeutung des Wortes „Nazi“ allerdings war ihnen recht schnell geläufig.

 



Zurück

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Bitte addieren Sie 8 und 8.