Zooquartier: Was unterscheidet 2013 von 2008 ?


von Tageblatt-Redaktion

Bauingenieur Thomas Gröbe hat die plastischen Darstellungen für das Bauvorhaben an der Zoowiese entwickelt, den Bebauungsplan selbst erstellte Dr. Barbara Braun gemeinsam mit dem potenziellen Bauherren
Bauingenieur Thomas Gröbe hat die plastischen Darstellungen für das Bauvorhaben an der Zoowiese entwickelt, den Bebauungsplan selbst erstellte Dr. Barbara Braun gemeinsam mit dem potenziellen Bauherren

Für Diskussionen sorgt bei den Kritikern der aktuell geplanten Bebauung im „Quartier am Zoo“ in Hoyerswerda ein Beitrag von Bauingenieur Thomas Gröbe. Der Inhaber des Büros „Bauhoys“ hatte sich 2008 im TAGEBLATT zu Wort gemeldet, um ein damals geplantes Bauvorhaben des saarländischen Immobilienmaklers Engelbert Michels an selber Stelle zu bemängeln. Es kam nicht zustande. Gröbes jetzt wiederentdeckte Argumente aus dem Jahr 2008 findet man heute wieder – aufseiten der heutigen Kritiker. Bauhoys ist am jetzt voran getriebenen Vorhaben von Projektentwickler Norbert Meckel zwar nicht direkt planerisch beteiligt. Aber, so sagt Thomas Gröbe, man begleite es mit örtlichem Wissen und habe alle bisher dazu vorhandenen plastischen Darstellungen entwickelt. Er könne die Bedenken der Kritiker durchaus nachvollziehen. Allerdings seien fünf Jahre vergangen. „In denen sehe ich nachteilige Entwicklungen für die Altstadt von Hoyerswerda“, schreibt Gröbe nun auf Anfrage des TAGEBLATTES. Die innere Altstadt habe schon lange keine traditionellen Strukturen mehr. Wenn etwa heute von Altstadthändlern die Rede sei, betreffe das nur noch gut ein Drittel der Geschäftsstruktur.
Im Folgenden lesen Sie Thomas Gröbes Ansicht von 2008 sowie seine heutige Meinung zur "Zoowiese".

2008: Fokus auf Wohnbebauung ist richtig

Das Areal der Zoowiese hat eine wichtige Auftaktfunktion für das Kerngebiet der historischen Altstadt von Hoyerswerda. Das Areal ist zurzeit unbebaut, zeigt sich aber aufgrund der Großbäume und Rasenflächen nicht als eine Brache, welche negativ ins Auge fallen würde. Deshalb gibt es auch kein Erfordernis, die Fläche wegen des Stadtbildes nun quasi über Nacht zu bebauen. Mir scheint, das Tempo wird nur um des Bauens und Geschäfts Willen forciert.
Für das Areal gab es mehrfach Überlegungen der Bebauung, es gibt einen rechtsgültigen Bebauungsplan, welcher die Funktion Wohnen favorisiert. Mehrgeschossige Gebäude sollen entstehen. In einem im vergangenen Jahr ausgelobten Wettbewerb der LebensRäume eG wurde als Wettbewerbsvorgabe gleichfalls die Wohnfunktion an erste Stelle gesetzt. Aufgrund der Lage und der besonderen Eigenschaften des Grundstückes ist dies auch richtig. In den Wettbewerbsbeiträgen wurden ziemlich gleichartige Ideen für die Zeilenbebauung entlang der Spremberger Straße eingereicht. Kleine Ladengeschäfte wurden im Erdgeschossbereich integriert. Bei der Bebauung für die Zoowiese differierten die Arbeiten hinsichtlich der Gebäudekubaturen, nicht aber bei der Wohnfunktion.
Demgegenüber gibt es jetzt Ideen, das Areal mit mehreren Discountern zu bebauen. Ein wenig irritiert mich die Argumentation für diese Art der Bebauung. Festzustellen ist, dass mit dieser Art der Bebauung nicht mehr von einem Wohlfühlen für angrenzende (alte und neue) Wohnfunktionen gesprochen werden kann. Große versiegelte Flächen, Hinterhofsituationen und das übliche Prozedere der Warenanlieferung stehen im Disput zu ruhigen Wohnformen. Das Überdachen von Andienungen mindert nicht den Lärm, kann ihn eher ungünstiger verteilen.
Aus der Funktion der Discounter, ohne über die Qualität und Notwendigkeit des Warenangebotes an dieser exponierten Stelle zu sprechen, resultieren großflächige, flache Gebäude. Letztlich Hallen oder Baracken. Auch Fassadenkosmetik oder eine Ziegelblende am Dach können dies nicht wegwischen. In den Argumenten der Verfechter des Vorhabens wird eigentlich schon indirekt der Verweis auf den unbebauten asphaltierten Bereich am Markt gegeben. Das würde passen. Dieses Areal am Markt wäre städtebaulich in Funktion und integriert in eine mehrgeschossige Bebauung die richtige Lösung.
Im Zusammenhang mit einer Discounter-Bebauung am Zoo wird über die Schließung eines Discounters in der westlichen Schulstraße gesprochen. Die Märkte kommen und gehen, kommen aber nicht immer wieder. Gleiches befürchte ich auch am Zoo. Ist das Objekt nicht rentabel, steht es irgendwann leer. Die Standorte Schulstraße sind zentral und erfassen aufgrund der Verkehrsführung größere Versorgungsgebiete. Wen soll der Standort Zoowiese besser versorgen? Eher baut er auf Einkaufstourismus. Die dann hier mit dem Auto kamen und eingekauft haben, steigen in der Altstadt nirgendwo mehr aus. Insofern sehe ich schon eine Verschlechterung für die Händler der Altstadt. Wir sollten in unserer Stadt nicht dem deutschlandweit kritisierten Weg der Anonymisierung der Innenstädte folgen.

2013: Wohnbebauung rechnet sich nicht

Ich kann die Bedenken der Bürgerinitiative
zur konkreten Planung nachvollziehen, habe mich auch stets bemüht, hier sachlich zum Vorhaben zu erläutern. Nicht nachvollziehen kann ich die Art der dem Bürger sachlich vorgelegten Inhalte im Rahmen der geführten Unterschriftensammlung. Für mich zwei völlig unterschiedliche Inhalte.
Wichtig an der Stelle: Wir haben das Gebiet nicht beplant. Den Bebauungsplan hat Frau Dr. Braun (vom Büro Braun & Barth aus Dresden  d.Red.) gemeinsam mit dem potentiellen Bauherrn entwickelt. Grundlage dafür sind die Planungen des Bauherrn selber und die der großen Bauabteilungen der Marktbetreiber. Dazu aktiv ist ein Büro, welches für den Investor speziell auf diesem Gebiet tätig ist. Wir haben das Vorhaben mit örtlichem Wissen begleitet und die Visualisierungen entwickelt. Die Visualisierungen wurden auf ausdrücklichen Wunsch der Stadträte erstellt. Die übliche Frage dieser: „Wir wollen mal sehen, was da eigentlich geplant ist“. Aber auch für die Diskussion mit Bürgern wurden diese Pläne entwickelt, die gemeinsam mit dem Planwerk zum eigentlichen B-Plan Verfahren ein detailliertes Bild geben. Diese sind seit Sommer letzten Jahres öffentlich.
Aus meiner Mitarbeit heraus sehen Sie: Ich stehe dem Vorhaben befürwortend gegenüber und ich habe mich dafür eingesetzt, ein Optimum nicht nur für einen Investor zu bewirken. Mit Frau Dr. Braun und der Stadtverwaltung konnten wir den Investor für die jetzige Bebauungsstruktur begeistern. Denn dessen erste Vorstellungen hätten wesentliche städtebauliche, funktionale und gestalterische Nachteile bedeutet. Ich stand dem damals geplanten Vorhaben kritisch gegenüber. Das Projekt beinhaltete auch schon einen Vollsortimenter und einen Aldi, dazu einen Textil-Discounter. Heute ist an letztgenannte Stelle der Drogeriefachmarkt getreten.
Dazwischen liegt ein Zeitraum von fünf Jahren. In denen sehe ich nachteilige Entwicklungen für die Altstadt von Hoyerswerda. Die Innere Altstadt hat schon lange keine traditionellen Strukturen mehr. Wenn wir von den Befürchtungen der Altstadthändler reden, betrifft das vielleicht einen Anteil an der gesamten Geschäftsstruktur von noch etwa einem guten Drittel. Da sind die Schnäppchencenter schon dabei. Und auch hier sehe ich nicht alle Händler mit Befürchtungen. Die Meinungen sind durchaus verschieden.
Der Rest der vorhandenen Geschäftsstruktur beinhaltet Praxen von Freiberuflern, Versicherungen, Reisebüros und Geldinstituten, dazu die Meile der Friseure und Kosmetikstudios. Schön, dass es dazwischen noch ab und zu einen Fleischer, einen Bäcker, eine kleine Galerie und auch ein Gotteshaus gibt. Ich teile die Befürchtungen der Händler aus heutiger Sicht nicht, sehe mit der geplanten Bebauung eher Chancen für die Altstadt. Richtig ist: Mit dem Wissen von damals waren diese Befürchtungen auch noch bei mir vorhanden. Auch habe ich eine Wohnbebauung positiv eingeschätzt. Wir waren damals an Wettbewerben dahingehend beteiligt, lagen auch mit einem anderen Wettbewerber gut im Rennen. Dabei ging es nicht nur um Architektur, sondern auch um effektive Flächen und knallharte Kostenvorgaben. Obwohl wir gemeinsam mit dem Mitbewerber hier den Ansprüchen der Auslobenden ziemlich nahe kamen, kam es zu keinen Realisierungen. Man muss auch betrachten, dass das Grundstück deutlich über eine halbe Million Euro kostet. Damit ist es aber weder erschlossen noch bebaut. Das spätere Projekt Solar-Garden-City (der Name täuscht) hätte Kaltmieten von mehr als 7,50 Euro einspielen müssen - Projekte, die in Hoyerswerda unrealistisch sind. Auch wird trotz der Beliebtheit der Altstadt für das Wohnen hier schon lange keine Wohnung im Automatismus vermietet. Lagen an stark frequentierten Straßen, möglichst noch mit Pflasterbelag, haben es enorm schwer, wie auch Wohnungen mit zu viel Fläche, schlechten Zuschnitten oder fehlenden Balkonen. Das geht zu Lasten des erzielbaren Mietpreises. Von daher sehe ich eine Wohnbebauung an dieser Stelle heute kritisch.
Mit der geplanten Bebauungsstruktur sehe ich städtebaulich vier entscheidende Aspekte. Erstens werden Fehlbedarfe der Versorgung in der Altstadt (Vollsortimenter, Drogeriefachmarkt) ausgeglichen. Aldi betrifft für mich nur eine Verlagerung seines Angebotes  in der Altstadt. Zweitens reiht sich das Einkaufszentrum optimal in die beiderseits entlang der Teschenstraße und der Straße am Lessinghaus vorhandenen öffentlichen Funktionen ein: Gastronomie, Zoo/Schloss, Landratsamt, Praxen, Schulen, Rathaus u.a. Drittens wird mit dem Pflegewohnen die Wohnfunktion in der inneren Altstadt an der Spremberger Straße angesiedelt. Der frühere Straßenzug kann sehr individuell und gestuft wieder entstehen. Viertens schafft die Bebauungsstruktur eine klare Abgrenzung zwischen der breiten öffentlichen Funktion entlang der Teschenstraße und der ruhigen inneren Altstadt. Es gibt dadurch kein hohes Verkehrsaufkommen infolge der Bebauung.
Die eine Bebauung eher traditionell, die andere eher modern - das steht auch im Konsens mit der oberen Denkmalbehörde. Diese sieht das Einkaufszentrum eher als Fortführung der Bebauung des Elsterbogens, in die sich ja auch der Neubau der Wohnungsgesellschaft einbindet. Lediglich ein Punkt mit unterschiedlichen Auffassungen: Das respektvolle Annähern an das alte Bürgermeisterhaus mittels einer sehr flachen Bebauung wurde umgekehrt und stattdessen ein zweigeschossiges Gegenüber gewünscht. Das betrifft speziell den Kopfbau des geplanten Ladens mit Lausitzer Spezialitäten.Steht die häufige Frage nach Aldi, weil dieser ja jetzt auch ins ehemalige Karstadt einziehen soll. Für mich keine Überhäufung. Wir sehen klare Ausrichtungen in den Versorgungsschwerpunkten von Altstadt und Neustadt. Der Handel ist da sehr realistisch: ein Zentrum für die Altstadt mit einer vorwiegend auf ihr Einzugsgebiet gefassten Funktion. Ein Zentrum für die Neustadt, welches aber auch regionale Funktionen wahrnimmt. Regionale Funktionen gelten ja auch für Kaufland und Globus. Mit innerstädtischen Maßstäben gemessen, sind Neustadtzentrum und Altstadtzentrum relativ voneinander entfernt.

 



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