Wir brauchen ein Leitbild


von Tageblatt-Redaktion

Seit Monaten beschaeftigt sich Lohsas Verwaltung zum großen Teil mit sich selbst und der Umstellung der Haushaltswirtschaft. Buergermeister Udo Witschas denkt, dass am Ende die Buerger davon Vorteile haben.
Seit Monaten beschaeftigt sich Lohsas Verwaltung zum großen Teil mit sich selbst und der Umstellung der Haushaltswirtschaft. Buergermeister Udo Witschas denkt, dass am Ende die Buerger davon Vorteile haben.

Herr Witschas, man hat in der Gemeinde zuletzt wenig von der Verwaltung mitbekommen. Nimmt die Umstellung der Haushaltswirtschaft Sie so gefangen?
Ich denke, dass unabhängig von der Einführung des neuen Rechnungssystems die Verwaltung in den letzten Monaten viele Maßnahmen, wie beispielsweise die weiteren Sanierungsarbeiten an der Grundschule, die Vorflutherstellung in Driewitz, Investitionen im Feuerwehr- oder im Kita-Bereich, umgesetzt hat. Die Einführung des neuen Rechnungswesens ist eine recht umfangreiche Arbeit, das gesamte kommunale Vermögen muss aufgenommen und bewertet werden. Dazu kommt, den Haushalt neu zu ordnen. Da muss man mit den Mitarbeitern viele Gespräche führen. Wenn man sich bei der Umstellung auf die doppische Haushaltsführung mit der Tiefe der Materie beschäftigt, stellt man fest, dass man die gesamte Verwaltungsstruktur eigentlich ändern muss.

Das hört sich alles sehr theoretisch an . . .
Sicher. Aber wenn man sich damit nicht tiefgründig auseinandersetzt und sagt: Jetzt wenden wir mal die Doppik in einer auf die Kameralistik ausgerichteten Verwaltungsstruktur an – dann kann das nur schiefgehen. Insofern bin ich da auch tief in die Grundsatzmaterie eingestiegen.

Was hat aber der Bürger davon?
Das bedeutet, dass wir eine ganz andere Herangehensweise haben. Beispielsweise gibt der Gemeinderat Ziele, eine Strategie vor und die Verwaltung ist das Ausführungsorgan. Der Rat soll sich nicht mit jeder Kleinigkeit beschäftigen. Die Verwaltung hat ja auch eine gewisse Kompetenz. Deshalb gibt es auch die Budgetierung. Der Mitarbeiter hat mehr Freiheiten, aber auch mehr Verantwortung. Wenn er der gerecht wird, ist er auch motivierter. Wenn also der Rat mit dem Brandschutzbedarfsplan eine Richtung vorgibt, hat die entsprechende Mitarbeiterin die Aufgabe, diese Ziele laut der einzelnen Produktpläne gemeinsam mit den Wehrleitern auszugestalten.

Trotzdem, was hat der Bürger davon?
Ich hoffe eine unbürokratischere Dienstleistungserbringung durch die öffentliche Verwaltung. Aber um es am Beispiel der Feuerwehr zu verdeutlichen: die Mitarbeiterin ist dann eben nicht mehr nur für das Feuerwehrwesen zuständig. Wenn man bislang noch was zum Gebäude wissen wollte, musste man eben zum Bauamt und wenn dann noch was mit dem Trinkwasseranschluss ist, musste ich zum Eigenbetrieb. Das wird es nicht mehr geben. Der Mitarbeiter bearbeitet seinen Bereich, ist Ansprechpartner und kümmert sich dann intern. Nach außen hin gibt es dann für die Feuerwehren also nur noch den Ansprechpartner Brandschutz, aber eben in allen Bereichen. Das ist, wenn es so funktioniert, nicht nur effektiver sondern auch effizienter.

Doppik bedeutet Abschreibungen und Rücklagen bilden. Wie viel Luft bleibt der Gemeinde, noch etwas zu investieren?
Viele sagen, da geht nichts mehr. Schaue ich beispielsweise in meine Straßenbewertung rein, sehe ich, dass die gesamte Abschreibung im Straßenbaubereich einen Werteverzehr von rund 460 000 Euro pro Jahr zur Folge hat. Uns als Kommune stehen als Schlüsselzuweisung vom Freistaat aber nur rund 260 000 Euro für den Werterhalt pro Jahr zur Verfügung. Die Abnutzung ist also höher als der Werterhalt. Und das bedeutet, mein Vermögen schrumpft. Die staatlichen Mittel reichen an dieser Stelle also nicht für einen vollkommenen Werteerhalt aus.

Wann stellen Sie dann an der ersten Straße ein 30-km/h-Schild auf – wegen Straßenschäden nicht mehr befahrbar?
Das ist noch nicht so weit. Aber, lieber Freistaat, was machen wir da? Bekommen wir nicht mehr Unterstützung, müssen wir sehen, wo wir unsere Verwaltung nicht mehr erhalten können. Wenn wir also wirtschaftlich arbeiten wollen, kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir mehr Vermögen haben, als wir uns leisten können. Man hat es politisch nicht geschafft, Prioritäten zu setzen. Also machen wir so weiter? Wir haben morgen die gleichen Gelder zur Verfügung wie heute. Es reicht aber nicht mehr für überall. Man muss den Werteverzehr an einigen Stellen in Kauf nehmen und das wird tatsächlich schmerzlich werden. Also werden wir noch das ganze Jahr 2013 dran arbeiten, welche Ziele wir uns künftig setzen. Und die müssen wir erst einmal definieren. Der Bürger soll und muss es letztendlich doch mittragen.

Dafür müssten Sie die Bürger befragen.
Wir werden sie fragen, was uns als Gemeinde Lohsa ausmachen soll, wie seht ihr unsere Identität, daraus leitet sich ein Leitbild ab. Das könnte so aussehen: Lohsa ist eine ländliche Gemeinde, die ist familien- und tourismusorientiert. Wenn das unser Leitfaden sein soll, dann kommen wir effektiver ans Ziel. Ich will voraussichtlich ab April 2013 jeden Monat in einer anderen der sieben Ortschaften einen Bürgermeisterstammtisch durchführen, um zu zeigen, wo wir stehen, was ist machbar und wie sehen es die Leute in dem Ort. Das kann sein, dass die Lippener Dinge ganz anders sehen als die Lohsaer oder die Särchener oder die Weißkollmer.

Nun sind die Lippener aber nicht so viele wie die Lohsaer. Wie bekommen die denn überhaupt noch ihre Interessen durch?
Deswegen will ich ein Gesamtbild erhalten, was den Leuten in den einzelnen Ortschaften wichtig ist. Dann gibt es vielleicht gemeinsame Dinge und wohl auch exotische Vorstellungen. Da muss man sehen, was machbar ist. Dem muss man sich mit den Ortschaftsräten nähern und dann in der Gemeinschaft festlegen, welche Prioritäten wir setzen. Wenn wir also sagen, von Schule hat jeder was, dann wird in die Schule investiert. Wenn dann noch was übrig bleibt, dann nehmen wir die Prioritätenliste und legen fest, was wir wollen.

Was können die Lohsaer 2013 erwarten?
Wir sind derzeit noch nicht einmal in der Haushaltsdiskussion. Vor Mitte nächsten Jahres werden wir wahrscheinlich keinen rechtskräftigen Haushalt haben.

Also passiert im ersten halben Jahr gar nichts . . .
Wir werden uns aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Umstellung auf das neue Rechnungswesen im Jahr 2013 leider mehr mit der Verwaltung beschäftigen müssen als mit der Praxis. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch darauf verweisen, dass wir uns eigentlich in der Haushaltskonsolidierung befinden sollten – jedoch können wir in den letzten drei Jahren auf umfangreiche Investitionen zurückblicken. Dauerhaft wird dies aber nicht möglich sein.

Was passiert mit den 200 000 Euro, die Sie der LMBV für den Grabenbau vorgestreckt haben?
Die bekommen wir zurück, aber die können wir noch nicht genau verplanen. Beispielsweise müssen wir Schulden tilgen. Wir sind ja in der Haushaltskonsolidierung.

Wirtschaftliche Ansiedlungen sind ein schwieriges Thema. Mit der Waschanlage für Bekleidung aus Atomkraftwerken und der Legefarm haben nur Firmen angeklopft, die schwierige Produkte haben und immer auf Gegenwind stoßen. Warum kommt kein anderer zu Ihnen?
Wir sind eine strukturschwache Region, weit ab von der Autobahn, keine typische Region für große Wirtschaftsinvestitionen. Hier kann man einmalig günstig investieren, hat aber dauerhafte Kosten für die Logistik. Also haben wir schlechte Voraussetzungen. Andererseits: Wo sollte sich so eine Legefarm sonst ansiedeln als im ländlichen Raum? Wenn jetzt jeder einerseits klagt: Hier gibt es keine Arbeit, andererseits gibt es an jeder Ansiedlung etwas auszusetzen, dann muss man irgendwann sagen, was einem wichtiger ist.

Im Gewerbegebiet GE2 investiert der eigene Lohsaer Mittelstand. Wirtschaftlicher Aufschwung?
Das ist genau das, was wir immer gehofft hatten. Wir haben da jetzt vier Investoren. Damit ist in etwa ein Viertel des Plangebietes belegt. Es ist erfreulich, dass vier Unternehmen sagen: Wir investieren.
Thema Tourismus. Da kann es bergbausanierungsbedingt derzeit ja nur eine Entwicklung am Dreiweiberner See geben.

Aber auch das wirkt nach außen hin alles sehr schleppend. Wann gewinnt das an Tempo?
Es stimmt, wir wollten beim Tourismus weiter sein, als wir es sind. Im Norden des Dreiweiberner Sees haben wir das, was wir immer hatten. Jetzt mit dem bekannten Kompromiss. Auf der südlichen Seite sollte der Start schneller vollzogen werden. Aber es gab Probleme mit den Genehmigungen. Das gilt auch für den angrenzenden Bebauungsplanbereich. Da hat man uns die gewünschte Mischbebauung nicht genehmigt, was ich nicht verstehen kann. Aber wir kämpfen weiter, weil der Investor nach wie vor zur Verfügung steht.

Geht es touristisch überhaupt irgendwo voran. Ist ein Leuchtturm sichtbar?
Derzeitig aufgrund der Unsicherheiten am Knappensee oder Silbersee nicht. Ansonsten ist doch im touristischen Bereich in den letzten fünf Jahren einiges geworden. Die Pyramide am Dreiweiberner See wird sicherlich ein solcher Leuchtturm werden. Und im Jahr 2012 wurden ja auch erst beide Strandbereiche saniert und erweitert sowie die Steganlage eingebaut. Allein diese Maßnahmen haben rund eine viertel Million Euro gekostet. Das Problem am Dreiweiberner See ist, dass uns rund um den See fast keine Grundstücke zur Verfügung stehen. Investoren gäbe es genug, aber wir kommen da derzeit nicht so schnell voran, wie es mit verfügbarem Eigentum gehen könnte.
Fragen: Uwe Schulz



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