Wiednitzer bleiben Wiednitzer – trotz Eingemeindung


von Tageblatt-Redaktion

Die Pantomime am 2. Weihnachtsfeiertag beschäftigte sich mit der Tradition des Bärentreibens, einen Tag später fand dieses statt.
Die Pantomime am 2. Weihnachtsfeiertag beschäftigte sich mit der Tradition des Bärentreibens, einen Tag später fand dieses statt.

Ein zottliger Bär tanzt übers Parkett. Treiber erlegen ihn nach Turbulenzen am Jagdstand mit der Flinte. „Lustig ist das Zigeunerleben“ hallt es nach 22 Uhr am 2. Weihnachtsfeiertag durch den Saal des Vereinshauses „Jägerhof“.
Jung und Alt verfolgten dicht an dicht gespannt dem Pantomime-Spiel. Stets geht diese Wiednitzer Tradition mit dem Weihnachtstanz einher. Selbst aus München und aus der Schweiz sind Gäste gekommen. „Es sind alte Freunde, Schulkameraden, Bekannte und Verwandte – sie kehren an ihre Ursprünge in die Heimat zurück. Der Weihnachtstanz ist wie ein Magnet“, meinen Heike Vetter und Matthias Templin. Beide sind Mitglieder des 1874 gegründeten Jugendvereins Einigkeit Wiednitz. Dieser führt die Tradition Pantomime der Großeltern und Eltern weiter.

„Jedes Jahr wird ein Bild aus dem Dorfleben gezeigt“, erzählt Fernando Förster. Jahrelang sorgte er im Hintergrund für die Technik. Das Pantomime-Spiel kennt er faktisch „seit der Geburt“. Mit 14 Jahren trat er in die Wiednitzer Jugend ein. Er selbst hat nie Pantomime mitgespielt. Dafür wirkt seit über drei Jahren sein Sohn David (22) mit.

„Dort mitzuspielen, ist eine Ehre“, meint der Vater. „Du musst ein bestimmtes Alter haben. Talent natürlich. Eine gewisse Position. Nur ausgewählte Jugendliche dürfen mitspielen. Und nur Jungs.“ Früher, so schildert er, kam das Pantomime-Spiel ohne Musik aus. Es konzentrierte sich gänzlich auf Mimik und Gestik. Heute untermalt Musik oft die Bilder. Jene Bilder, die nur der Wiednitzer selbst deuten kann.

„Ein genauer Termin für die Entstehung dieses Brauches ist nicht bekannt. Vermutlich war es nach Gründung des Jugendvereins 1874“, meint Davids Großvater, der Ortschronist Siegfried Förster. „Die «Stille Pantomime» war eine Auflockerung beim Weihnachtstanz. So zog man mehr Teilnehmer an. Zugleich konnte man die Jugendkasse etwas auffüllen.“ In Siegfried Försters Jugend nahmen die Pantomime-Spieler noch Friseur, Boxkampf oder auch das Schweinschlachten aufs Korn. Erst nach der Wende, so schildert er, wurden verstärkt dörfliche Ereignisse aufgegriffen.

Dieses Jahr zeigt das Pantomime-Spiel den Brauch Bärentreiben. Dieser soll die Unverheirateten im Ort zur Liebe ermuntern. Gestern, am dritten Feiertag, wie man in Wiednitz sagt, war der Bär wieder unterwegs im Dorf. Weitere Bilder der Pantomime zeigen „Wiednitz vor langer, langer Zeit“. Sie zeigen die Gründung des Jugendvereins, des Jagdvereins und der Gymnastik-Gruppe. Vor allem jedoch geht es um die bevorstehende Eingemeindung von Wiednitz nach Bernsdorf.

Ein Auto rast übers Parkett. „Bürgermeester Gottie heeßter“ steht darauf. Wird Wiednitz verkauft? Gibt das Dorf all seine Schätze - die Vielfalt der Vereine, der Kultur und Traditionen - auf? Oder kann der große Nachbar davon nur profitieren? „Wiednitz bleibt bestehen“, gibt ein Transparent am Ende die Antwort. Die Pantomime-Spieler gehen noch weiter. Bernsdorf wird Ortsteil von Wiednitz….. Trotz Fusion bleiben Identität und Traditionspflege der Wiednitzer bestehen. Die gute Botschaft des Abends.

„Das Pantomime-Spiel ist wie die Zusammenfassung des Jahres“, meinen Heike Vetter und Matthias Templin. Viele Begebenheiten im Dorf greift es auf. Es ist ein Dankeschön mit Ironie, Satire und Augenzwinkern. Ärztin Dr. Bärbel Kohlschmidt, Bäckermeister Andreas Logk, Abriss- und Erdbau-Unternehmer Steffen Jurke, die Post oder auch die Sportplatz-Eröffnung fanden sich früher im Brauch wieder.

„Das Thema ist stets streng geheim. Nur die Pantomime-Spieler selbst wissen davon“, sagt Matthias Templin. Seit 13 Jahren wirkt er jedes Jahr mit. Er sieht es als Ehre. Er spielt aus Freude mit. Er mag das Geheimnis um den über 100 Jahre alten Brauch. Dieser ist wie das Salz im Brot beim jährlichen Weihnachtstanz. „Wenn die Zuschauer jubeln, ist das einfach das Größte.“

„Wichtig ist uns der Zusammenhalt im Dorf“, meint Robert Noack, stellvertretender Vorsitzender des Jugendvereins. Seit neun Jahren spielt er mit, so wie auch schon sein Vater Henry Noack. „Wir wollen die Tradition pflegen. Das ist unser oberstes Motto“, sagt er.

Darauf hoffen auch Fernando und Siegfried Förster. Mit Sorge sehen sie, dass die Jugend im Ort weniger wird. Viele studieren, lernen und wohnen inzwischen weit außerhalb. Dennoch hat der Jugendverein Einigkeit aktuell rund 70 Mitglieder. Davon können Vereine in anderen Orten nur träumen.

„Das Pantomime-Spiel ist eine gute Auflockerung zum Weihnachtstanz“, meint Besucherin Jeanette Witte aus Weißig. Vor Jahren erlebte sie es erstmals. Sie fand es originell gestaltet. „Genau deshalb bin ich wiedergekommen“, meint sie an diesem Abend im „Jägerhof“. Zum ersten Mal dabei sind Nancy Türke und Martin Anders aus Straßgräbchen. Durch Freunde und übers Internet erfuhren sie vom Pantomime-Spiel. Sie lassen sich überraschen. „Es ist gut, dass es so eine Tradition gibt“, finden sie. „Sie sollte unbedingt erhalten bleiben.“



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