Wie oft rücken Abrissbagger noch in Hoyerswerdas WK III an?


von Tageblatt-Redaktion

Der Abrissbagger war im WK 3 vor einem Jahrzehnt schon zugange. Wamm kommt er wieder?
Der Abrissbagger war im WK 3 vor einem Jahrzehnt schon zugange. Wamm kommt er wieder?

Von Mirko Kolodziej

Am Dienstagabend, draußen riss der Wind an Hoyerswerdas Bäumen, saßen sechs Leute im Café „Zur Linde“ an der Bautzener Allee im WK IV um einen Tisch herum: ein Handwerker, ein Angestellter, ein Industriekaufmann, ein Rentner, eine gelernte Kraftwerkerin sowie ein Taxifahrer. „Wir wollen nicht meckern, sondern gern Vorschläge machen“, sagte der Handwerker. Wie viele der anderen Personen am Tisch findet auch er, dass sein Name erst einmal nichts zur Sache tut.

Die sechs Leute wohnen alle im Hoyerswerdaer WK III. Seit Januar treffen sie sich wöchentlich in der „Linde“. Zusammengeführt hat sie der Umstand, dass es Überlegungen zum Abriss weiterer neun Wohnblöcke im Wohnkomplex gibt – in der Becher-, der Brecht- und der Herderstraße. Nachdem das TAGEBLATT im Juni vorigen Jahres erstmals darüber berichtet hatte, setzte sich Taxifahrer Thomas Mrose aus der Johannes-R.-Becher-Straße tags darauf hin und schrieb einen Brief an die Stadträte, warnte vor „Fehlpolitik“. Den Brief unterschrieben gut 40 Leute. Mrose wurde in den kommenden Monaten immer wieder angesprochen. Auf diese Weise entstand schließlich der kleine Kreis aus dem Café.

In den letzten Wochen ist dort immer wieder über das Städtebauliche Entwicklungskonzept (Seko) gesprochen worden. Die Kommunalpolitik berät derzeit über eine Aktualisierung. Für Dienstag hat Oberbürgermeister Stefan Skora deshalb eine Bürgerversammlung in der Lausitzhalle anberaumt. Die Mieter der neun Wohnblöcke im WK III sind brieflich gesondert eingeladen worden. Schließlich hatte Skora im letzten Jahr versprochen, es werde eine öffentliche Diskussion zur Abrissfrage geben. Dazu wollen die Leute aus der „Linde“ natürlich gern ihre Stimme erheben. Sie sagen, das Seko an sich sei gar nicht so schlecht. Sie sehen in dem Papier unter anderem das Bemühen, jungen Leuten das Bleiben oder den Zuzug zu erleichtern.

Sie sehen auch den Wunsch von Senioren widergespiegelt, möglichst lange in der eigenen Wohnung bleiben zu können.
Was für die sechs Abriss-Kritiker aber befremdlich wirkt, ist der Kontext, in dem ans Seko „Strukturdaten“ zur Bevölkerung angehängt sind. „Es kann nicht akzeptiert werden, dass Tabellen über Alterung, Geburtenrückgang, Sterbefälle und Abwanderung als Begründungen herhalten, sich dem Abwärtstrend zu ergeben und die Stadt damit abzuhaken“, finden sie.

Ihr Vorschlag: Man solle doch für Zuzug in die Stadt gezielt den Seko-Erhebungsbezirk I anbieten, der neben dem Stadtzentrum die WK I bis III umfasst. Der Stammtisch aus der „Linde“ hat sich zuletzt auch fachlichen Rat aus der hiesigen Architektenschaft geholt – und fand seinen Gedankengang im Wesentlichen bestätigt. Dem Rathaus liegt seit 2010 eine bisher kaum öffentlich diskutierte Studie des Leibnitz-Institus für ökologische Raumentwicklung vor. Ihr Titel: „Hoyerswerda 2050“. In unterschiedlichen Szenarien wird unter anderem die erwartbare Bevölkerungs-Entwicklung prognostiziert. Demnach soll die Stadt in 35 Jahren irgendwo bei zwischen 9 200 und 21 000 Einwohnern landen. Zum Vergleich: Heute gibt es 34 100 Hoyerswerdaer.

Rechnet man damit, dass Ortsteile und Altstadt mit 4 500 beziehungsweise 11 000 Bewohnern relativ stabil bleiben, ist klar: Selbst bei der günstigsten Variante bleiben für die Neustadt nur etwa 6 000 Bewohner. Im sogenannten Erhebungsbezirk I wohnen derzeit ungefähr 6 800 Menschen. Man kann sich also schon fragen, wie sinnvoll bei der Generallinie, dass der Abriss „von außen nach innen“, also zuerst an der Peripherie erfolgen soll, Eingriffe ausgerechnet im Erhebungsbezirk I sind. Das ist eine städtebauliche Frage. Der Umstand, dass an der Peripherie sanierte Häuser erst abgerissen werden können, wenn die Sanierungs-Kredite getilgt sind, ist dagegen eine wirtschaftliche Frage. Der Konflikt liegt auf der Hand.

Die fachliche Meinung, die die Leute aus dem WK III dazu gehört haben, lautet etwa so: Wenn man heute akute wirtschaftliche Probleme im WK III mittels Abriss löst, wird man später an selber Stelle erhebliche städtebauliche Probleme haben. Bestätigt wurde beim Fachgespräch in der „Linde“ auch, dass Zuschnittsänderungen im WK III technisch relativ einfach zu machen sind. Ein weiterer Kernsatz lautete: „Und sanieren lassen sich die Häuser von preiswert ganz einfach bis hin zu teurer und außergewöhnlich.“ Denn das ist, was Thomas Mrose aufgrund eigener Erfahrungen in seiner Wohnung bereits als eine mögliche Vorgehensweise vorgeschlagen hat: Aus den je Etage zwei der nicht mehr so gefragten Dreiraumwohnungen ließen sich mittels einfachem Wanddurchbruch eine Vier- und eine Zweiraumwohnung machen. Das eine wäre für junge Familien gut, das andere für ältere Menschen.

„Wir plädieren für einen ruhigen und sachlichen Entscheid über den Erhebungsbezirk I und warnen vor voreiligen Entscheidungen. Es gab Abriss und Modernisierungen, die im Nachhinein selbst die Stadtväter bereut haben“, sagen die sechs aus der „Linde“. Man müsse eigentlich schnell für eine Aufwertung des WK III sorgen, statt Häuser dort durch einen Zuzugsstopp verfallen zu lassen. Positiv bewerten die Abriss-Kritiker, dass CDU, Linke und SPD den Abriss von 280 Wohnungen im Erhebungsbezirk I zumindest aus dem Seko streichen wollen. Über exakt so viele Wohnungen verfügen die neun Häuser im WK III.



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