Was die letzte Mieterin noch im Abrissblock hält


von Tageblatt-Redaktion

Das Eckhaus an der  Heinrich-Mann-Straße wird derzeit abgerissen beziehungsweise umgebaut. Kaum zu glauben, aber eine Mieterin wohnt hier noch.
Das Eckhaus an der Heinrich-Mann-Straße wird derzeit abgerissen beziehungsweise umgebaut. Kaum zu glauben, aber eine Mieterin wohnt hier noch.

Margitta Rerich ist wütend. Angesichts ihrer momentanen Wohnsituation eigentlich auch kein Wunder. Denn so richtig sicher fühlt sich die 63-Jährige in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr. Wenn es unten klingelt, öffnet die Seniorin erst einmal ihr Fenster im ersten Stock – aber nur einen kleinen Spalt. „Ja bitte?“, fragt sie vorsichtig. Erst wenn Margitta Rerich sicher ist, die unten stehende Person auch zu kennen oder zu wissen, um wem es sich bei dem Besuch handelt, kommt die Hoyerswerdaerin hinunter, öffnet die abgeschlossene Haustür. „Ich muss hier langsam um mein Leben und mein Eigentum fürchten“, meint sie ängstlich. Denn seit ein paar Tagen wohnt die Seniorin völlig allein im Eckhaus in der Heinrich-Mann-Straße. Vor gut zwei Wochen sind hier die vorletzten Mieter ausgezogen, weil das Gebäude an der Klinikumskreuzung abgerissen beziehungsweise teilweise saniert wird. Die Baumaßnahmen beinhalten bis Mai den Abbruch des südlichen Gebäudeflügels, also der Aufgänge 7 bis 13 mit 32 Wohnungen und vier Gewerbeeinheiten. Auch ein Teil des Garagenkomplexes nebenan wird weichen.
Bis vor ein paar Tagen empfand Margitta Rerich die Situation als letzte Mieterin des Eckhauses noch gar nicht so schlimm. Auch wenn im angrenzenden Nachbarblock längst die Fenster entfernt und die Haustüren mit Holzbalken gesichert wurden.
Der Anblick des ehemaligen Wohnblocks ist nicht schön. Der Hof hinterm Haus wirkt verwaist, überall liegt Müll herum. Wohnlich sieht jedenfalls anders aus. „Ich habe unten die Haustür verschlossen, und dann war es gut für mich, und ich habe mich sicher gefühlt“, sagt Margitta Rerich. Doch in der vergangenen Woche hörte sie nachts plötzlich eigenartige Geräusche. Vorsichtig ging die Seniorin ein paar Stufen herunter – und sah mitten im Hausflur ein Mountainbike stehen. „Da ist mir fast das Herz in die Hose gerutscht. Der Schreck sitzt mir immer noch in den Gliedern“, erzählt sie mit weit aufgerissenen Augen. Ein Unbekannter hatte die Haustür aufgebrochen und sich in den Kellerräumen zu schaffen gemacht. Auch bei Margitta Rerich. Die herbeigerufene Polizei konnte den Einbruchschaden nur noch aufnehmen. In den Keller zu gehen, um ihr Fahrrad zu holen oder Zeitungen zu sortieren, traut sich die Austrägerin jetzt nicht mehr unbedingt.
Die nächste schlechte Nachricht ließ nicht lange auf sich warten: Denn auch das Fernsehkabel wurde der alleinstehenden Frau gestohlen. Zwischendurch fehlte plötzlich auch noch der Strom. Die Erklärung der Bauarbeiter: Wir wussten nicht, dass hier noch jemand wohnt.
Das defekte Schloss an der Haustür ist durch die zuständige Wohnungsgesellschaft repariert worden. Dank einer bereitgestellten Satellitenschüssel kann Margitta Rerich jetzt auch wieder fernsehen. Bleibt die Frage, warum die Seniorin nicht einfach sofort auszieht. Eine andere Wohnung, bereitgestellt durch die Wohnungsgesellschaft, ist der Seniorin längst sicher. Und theoretisch könnte sie dort auch sofort einziehen: Abgesehen von diversen Restarbeiten ist die nahe gelegene Wohnung jedenfalls bezugsfertig. Aber die 63-Jährige lehnte bis dato ab, und ein Umzug kommt für die Hoyerswerdaerin trotzdem erst in vier Wochen in Frage.
Warum? Vor allem wegen der neuen Küche, die zwar bestellt, aber noch nicht lieferbar sei, so Margitta Rerich. Und auch zeitlich gesehen schaffe die gesundheitlich angeschlagene Frau es nicht eher, alle ihre Umzugskisten zu packen.
„Wir haben wirklich alles versucht, um Margitta Rerich zu helfen und ihr die Wohnsituation in ihrer alten Wohnung so angenehm wie möglich zu machen, weil sie nicht eher ausziehen möchte. Beim eigentlichen Umzug könnte eine Firma der Seniorin hilfreich unter die Arme greifen. Aber auch darauf ist die Mieterin bislang nicht eingegangen“, war von Petra Scholz, Sprecherin der Wohnungsgesellschaft auf TAGEBLATT-Anfrage zu erfahren.



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Kommentare zum Artikel:

Müller schrieb am

Bei solchen Umzügen gibt es doch von allein Seiten Hilfe !!! Dort sich in solche Gefahr zu begeben ist doch einfälltig !!! Was muss passieren damit so Jemand zur Vernunft kommt !?

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