Was darf Altenpflege kosten?


von Tageblatt-Redaktion

Auch in Altenpflegeheimen zieht moderne Technik ein. Hildegard Zenker, Bewohnerin des Laurentiushauses Hoyerswerda, versucht sich beim Boxen auf der Spielkonsole Wii von Nintendo gegen Pflegerin Ute Direske.  Foto: Gernot Menzel
Auch in Altenpflegeheimen zieht moderne Technik ein. Hildegard Zenker, Bewohnerin des Laurentiushauses Hoyerswerda, versucht sich beim Boxen auf der Spielkonsole Wii von Nintendo gegen Pflegerin Ute Direske. Foto: Gernot Menzel

Von Uwe Schulz

Eine Erkenntnis des Lebens ist: Alles wird immer teurer. Und irgendwie kann man nichts dagegen tun. Doch in diesem Fall will sich Rainer Streubel damit nicht abfinden. Er ist der Vormund eines Mannes, der seit neun Jahren im Laurentiushaus in Hoyerswerda gepflegt wird. Das Privatvermögen ist aufgezehrt, zahlungspflichtige Verwandte gibt es nicht. Also zahlt das Sozialamt den Eigenanteil des Heimplatzes. Es könnte Rainer Streubel also egal sein, ob das Heimentgelt erhöht wird oder nicht. Ist es ihm aber nicht. Denn es geht um Steuergeld.

Und die Erhöhung im Laurentiushaus betrug zum Jahreswechsel nicht etwa ein oder zwei Prozent und könnte als Inflationsausgleich gelten, sondern zwischen 20 Prozent in der Pflegestufe I und 28,5 Prozent in der Pflegestufe III. Das sind in Euro umgerechnet 202 bis 372 Euro mehr Eigenanteil – jeden Monat. Damit ging die Stiftung Diakonie-Sozialwerk Lausitz straff in die Offensive und wurde mit einem Satz vom Heim mit der geringsten Zuzahlung in Hoyerswerda zu dem mit der höchsten. Geplant waren sogar noch höhere Beträge.

Rainer Streubel kann die Erhöhung so nicht nachvollziehen und schon gar nicht in dieser Sprunghöhe. Das sei unsozial und richte sich gegen den Menschen. Natürlich hat er das Gespräch mit der Heimleitung gesucht, sich informiert. Er hat auch noch vier weitere Personen gefunden, die damit ebenfalls nicht einverstanden sind. Der Vorwurf: An der Pflege verbessert sich nichts, ob die Mitarbeiter tatsächlich mehr Geld sehen, sei dahingestellt. Und die fünfköpfige Bewohnervertretung, früher auch Heimbeirat genannt, sei eher überrumpelt worden. Wer würde schon freiwillig einer solchen Erhöhung zustimmen?

Christina Lumper weiß als Sprecherin des Stiftungsvorstandes, dass die Entscheidung für die Erhöhung keine leichte war. Und schildert den Zwang, in dem wohl jeder Heimbetreiber steckt: „Wir wollen zum einen eine möglichst hohe Qualität bieten. Zum anderen sind wir einer der Wenigen, die tarifgerechten Lohn zahlen.“ Derzeit sind es wohl 97,75 Prozent des Bemessungssatzes des West-Tarifs gemäß der Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Energiekosten, Lebensmittelkosten – alles sei teurer geworden. „Wir haben uns seit drei Jahren bemüht, diese Mehrkosten nicht weiterzureichen. Jetzt geht das nicht mehr“, so Lumper weiter. Ende Juli 2013 wurden die Bewohner und Angehörigen per Schreiben über die zu erwartenden Erhöhungen informiert. Auch die fünfköpfige Bewohnervertretung befasste sich mit den Verhandlungsunterlagen.

Doch was wäre gewesen, wenn dieser der Erhöhung nicht zugestimmt hätte? „Es wäre eine Frage der Argumentation geworden. Denn eine Nichterhöhung hätte uns in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht“, so Lumper weiter. Immerhin sind, so ihre Argumentation, 80 Prozent der Heimkosten Personalkosten. Und genau beim Personal müssen die Betreiber aufpassen. Zwar gibt es in der Lausitz ihrer Meinung nach noch keinen Fachkräftemangel beim Pflegepersonal. Doch gute Leute, so Lumper, müsse man motivieren, damit sie bleiben.

Einhundert Mitarbeiter hat das Laurentiushaus, wobei es sich dabei nicht immer um Vollzeitstellen handelt. So wie alle anderen beobachtet natürlich auch die Stiftung den Markt. Und wenn in der Altstadt demnächst ein neues Pflegeheim gebaut wird, das Personal benötigt, dann ist die Attraktivität des Arbeitgebers nicht zu unterschätzen. Und es könnte durchaus sein, dass schon in wenigen Jahren ein Überangebot an Pflegeplätzen in Hoyerswerda und Umgebung vorhanden ist. Was dann? Die Kritik der Angehörigen nehme man grundsätzlich ernst, sagt auch Heimleiterin Silke Eichler.

Außer den fünf Kritiken an der Erhöhung hätten aber alle Bewohner und Angehörigen diese so hingenommen. Dabei kommt nur bei 29 von 120 Heimbewohnern das Sozialamt für den Eigenanteil auf. Allerdings werde das in den kommenden Jahren wohl kippen, denkt man beim Diakonie-Sozialwerk. Denn viele der jetzt Pflegebedürftigen beziehen eine auskömmliche Rente bzw. haben solvente Angehörige. Doch in einigen Jahren werden immer weniger Familien in der Lage sein, die Heimkosten zu stemmen. Es rücken die Jahrgänge mit oftmals gebrochenen Erwerbsbiografien nach. Und so ist die Zahlung auskömmlicher Gehälter für die Heimmitarbeiter nicht nur jetzt gut, denn vielleicht müssen auch sie irgendwann einen Pflegeplatz in Anspruch nehmen.

In einem Punkt sind sich Rainer Streubel und das Sozialwerk nah. Nämlich im Kerngedanken, dass das mit dieser enormen Bezuschussung aus den privaten Taschen so nicht ewig weitergehen kann. „Die Grundverantwortung trifft die Politik“, sagt Christina Lumper. Denn die Erhöhung des Heimentgeltes, zu dem sich die Stiftung gezwungen sah, ging zu 100 Prozent auf Kosten des Eigenanteils der Bewohner bzw. Angehörigen. Der Kassenzuschuss bleibt unverändert. „Doch das geht gegen die Menschen“, ist Rainer Streubel sauer. Silke Eichler weist zwar auf die Mehrleistung hin, die das Laurentiushaus biete. Dazu gehören beispielsweise Einkaufsservice, Unterstützung bei Arztbesuchen. Ein wichtiges Kriterium sei auch die eigene Küche, die sogar Bewohnerwünsche erfülle. Die aktuellen Heimentgelte sind jedenfalls verhandelt und gelten. Doch allein mit dieser Erkenntnis will sich Rainer Streubel nicht zufrieden geben.



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