Warnstreik für mehr Lohn
Von Anja Wallner
An der Bushaltestelle in der Straße zum Industriegelände wartet ein junger Mann recht ungeduldig auf den Bus. Am Behördenpark stehen rund zehn Leute ziemlich ratlos – denn sie wissen nicht, dass kein Bus kommen wird. Es ist Streik.
Ein Stadtlinienbus steht in der Ausfahrt des Betriebsgeländes der Verkehrsgesellschaft Hoyerswerda. „Warnstreik“ klebt auf der Windschutzscheibe. Gestern verlässt zu Dienstbeginn keine der Stadtlinien und auch nicht der Bus für die Linie 161 nach Schwarze Pumpe, den Betriebshof. Lediglich der Schienenersatzverkehr für die Bahnstrecke Hoyerswerda-Horka fährt planmäßig. Die anderen Busfahrer stehen mit Verdi-Streik-Overalls am Seiteneingang oder stärken sich auf Gewerkschaftskosten mit Bockwurst und Brötchen. Der Blick geht rüber zu den Kollegen vom Regiobus-Depot. Auch dort wird gestreikt, registrieren die Busfahrer mit Genugtuung. „In der Belegschaft herrscht Geschlossenheit“, ist Betriebsrats-Chef Jörg Mikwauschk zufrieden. Denn die will man auch gegenüber dem Arbeitgeber demonstrieren. Die Fahrgäste sollen durch den Warnstreik hingegen so wenig wie möglich strapaziert werden, wie Mikwauschk darlegt. Daher hat man den Streik auch in die Ferienzeit gelegt. In der kommenden Woche wäre der Schülerverkehr betroffen gewesen.
„Wir stehen mitten in den Tarifverhandlungen“, sagt Heiko Lindock, Mitglied des Betriebsrates und der Tarifkommission. Kommenden Freitag steht die nächste Verhandlungsrunde bei Verdi in Dresden an. Lindock wird mit dabei sein. Verdi fordert für die Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeberverband Nahverkehr e.V. mehr Geld. Rückwirkend zum 1. Januar 2015 sollen alle Vergütungsgruppen und -stufen um einen Festantrag von 200 Euro angehoben werden. Auszubildende sollen im ersten Lehrjahr 650 Euro, und in den Folgejahren jeweils 50 Euro mehr je Monat erhalten. Der so ausgehandelte Tarifvertrag soll eine Laufzeit von einem Jahr haben. Doch die Arbeitgeberseite regt sich aus Verdi-Sicht kein Stück. Daher gestern der Warnstreik. VGH-Geschäftsführer Rainer Warkus sieht die Situation aus Arbeitgebersicht: „Für uns ist das eine unrealistische Forderung“. Bei den VGH würde die Erhöhung einer Lohnerhöhung von im Schnitt über 10 Prozent ausmachen, in der niedrigsten Gehaltsstufe wären es wohl 11,4 Prozent. Die Azubis würden dann 30 Prozent mehr Geld erhalten als jetzt. „Diese Forderungen sind für uns nicht realisierbar“. Warkus führt Fahrgastrückgang und Preissteigerungen ins Feld. Die VGH, eine Tochter, der Städtischen Wirtschaftsbetriebe Hoyerswerda, beschäftigt 48 Mitarbeiter und verfügt derzeit über 23 Busse.
Die Arbeitgeberseite hat eine Anhebung der Tabellenvergütung um 2,2 Prozent rückwirkend zum 1. Januar 2015 vorgeschlagen. Ab Frühjahr 2016 sollen noch mal zwei Prozent draufgeschlagen werden. Die Vergütung der Auszubildenden soll demnach analog angepasst werden. Und das alles solle dann wenigstens bis Juni 2017 gelten. Rainer Warkus selbst nimmt nicht an den Verhandlungen in Dresden teil. „Wir sind über den Arbeitnehmerverband vertreten“, sagt er.
Eine Einigung hätte man gestern in Hoyerswerda jedenfalls nicht erzielen können. Ziel eines jeden Arbeitskampfes ist natürlich diese Einigung. Es wird sich zeigen, wie weit sich beide Seiten nächste Woche oder vielleicht auch erst später aufeinander zu bewegen werden.
Der Warnstreik endete jedenfalls pünktlich. Kurz vor zehn Uhr verließen die Fahrer mit ihren Bussen das Betriebsgelände. Das Rendezvous-Treffen der drei Stadtlinien am Lausitzer Platz war zwar um 10.06 Uhr noch nicht abzusichern. Doch um 10.36 Uhr sollte dann wohl wieder alles geklappt haben. Ob es weitere Streiks geben wird, wird von den weiteren Verhandlungen abhängen.
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