Vor perfekter Kulisse wird die Krabatsage lebendig


von Tageblatt-Redaktion

Die Müllerburschen proben den Aufstand gegen ihren bösen Meister
Die Müllerburschen proben den Aufstand gegen ihren bösen Meister

Große komplizierte Technikaufbauten sucht man vergebens. Genauso wie Stuhlreihen und eine Bühne. Dafür stehen im Hof des fast geschlossenen Krabatmühlen-Ensembles in Schwarzkollm vollbesetzte rustikale Holztische und Bänke mit gut 350 Plätzen. Das Publikum soll mitten im Geschehen sein, mitten im Spiel der rund ein Dutzend Profischauspieler und der zahlreichen Laiendarsteller aus Schwarzkollm und der Umgebung. Sie mimen das Handwerker- und Bauernvolk auf dem mittelalterlichen Mühlenhof. Mit den viertägigen, ruckzuck ausverkauften Krabatfestspielen, die gestern Abend auf dem Erlebnishof ihre Premiere feierten, geht für die Schwarzkollmer und besonders für den Krabatmühlenverein, ein jahrelang gehegter Traum in Erfüllung. Trotz arbeitsintensiver vergangener Wochen strahlen alle Darsteller vor Spielfreude aus allen Knopflöchern. Übrigens auch diejenigen Schwarzkollmer hinter den Kulissen, die für die Besucher Bier zapfen und Steaks grillen.
Erzählt, gesungen und getanzt wird die fiktive Geschichte des Obristen Johann von Schadowitz alias Krabat, der an einem Sommerabend des Jahres 1703 den sächsischen König August den Starken an der Schwarzen Mühle trifft, um ihm wiederum eine spannende Geschichte zu erzählen. Dass es die eigene Lebensgeschichte des Obristen ist, erfährt Seine Majestät erst am Schluss. Es wären natürlich keine Krabatfestspiele, ginge es nicht, frei erzählt, um den jungen, armen Viehhirten Krabat, der in Schwarzkollm an der Schwarzen Mühle beim Schwarzen Müller (Paraderolle für Dieter Klimek) als Müllerbursche das Zauberhandwerk erlernt und sich in die Wirtstochter Hanka verliebt, die ihn schließlich freibittet, da bekanntlich nur die wahre Liebe den bösen Zauber brechen kann. Am Ende steht die Mühle in Flammen, die Müllerburschen sind befreit. Und Krabat möchte ein guter sorbischer Zauberer werden.
Voller Überraschungseffekte ist das Stück – agieren die Darsteller erst noch auf der freien Fläche vor der Mühle, müssen die Zuschauer flugs die Köpfe wenden, da „Krabat“ plötzlich an eine Tür im Laubengang klopft. Und dann wieder, als sich auf einmal das Wasserrad in Bewegung setzt, es knallt und flammt oder sich Szenen zwischen den Zuschauertischen abspielen. Sympathische Darsteller „zum Anfassen“ sind da zugange; jeder Gast sitzt mitten in der Geschichte vor der perfekten wildromatischen Kulisse des Mühlengeländes – der Faszination dieses Spiels kann man sich nicht entziehen. Und immer wieder wird auf die Sorben eingegangen und ihre Freude an ihren Bräuchen gezeigt. Man sieht kichernde Mädchen beim Osterwasserholen. Ostersängerinnen in schwarzer Tracht laufen singend mit Kerzen durchs Tor – wer bekommt da nicht Gänsehaut. Fröhlich drehen sich die Tänzer der Schwarzkollmer Brauchtumsgruppe beim Ostertanz…
Eigentlich ist sie ja recht düster, die Krabatsage, aber das Publikum hatte viel zu lachen: über den etwas bräsigen, aber irgendwie liebenswerten sächselnden August beispielsweise, der seine Zwillings-Pagen nicht auseinanderhalten kann, oder über witzige Dialoge Seiner Majestät mit dem „Pöbel“ („Sind hier Jungfrauen zugegen oder soll ich Stichproben machen?“). Auch das Publikum wird einbezogen, erfährt vom Dresdner Modehaus „Cosel und August“, das jetzt nur noch C&A heißt, und manch weiblicher Gast muss sich einen derben Spruch vom König gefallen lassen („Die Burg Stolpen ist wieder frei!“).
Für Spaß auf den Zuschauerbänken sorgen auch ein Bettler (der keine Drachmen annimmt) und zwei zunächst ums Revier konkurrierende Räuber – einer aus Schwarz-, der andere aus Weißkollm. Letzterer will seinen Kollegen in einem „Workshop qualifizieren“, damit er lernt, wie man den Leuten richtig das Geld aus der Tasche zieht: nicht etwa bepöbeln, nein, mann muss sie wie Klienten oder Patienten behandeln… Am Ende ist August der Starke von der Geschichte schwer begeistert. Hanka hätte er auch genommen und den Schwarzen Müller gern in seiner Armee gehabt. Er beschließt, die Sorben als gleichberechtigte Untertanen anzuerkennen. Anfangs hielt er sie alle für Polen, deren Politik ihm ohnehin Kopfzerbrechen bereitet. Auf Augusts Frage, warum die Mühle nun wieder steht, erhält er von Schadowitz zwar keine eindeutige, dafür eine äußerst vielversprechende Antwort: Die Geschichte geht im nächsten Jahr weiter… Das kann man kaum erwarten, denn zauberhafter, prächtiger und unterhaltsamer als bei diesen Festspielen kann man in zweieinhalb Stunden kaum etwas über die Geschichte der Sorben und ihre Bräuche erzählen.



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Kommentare zum Artikel:

Kipka, Helmut schrieb am

Dieser Artikel ist klasse (hoffentlich ist es die 9)
Die Fotogalerie ist etwas knapp ausgefallen, es wurden doch bestimmt mehr geschossen, oder?

Ansonsten ist der Artikel und auch die Miniform in der SZ nicht schlecht.

DANKE

Gibt es nach Ende der 1. Krabatfestspiele auch so ein wunderbar aufgearbeitet Resime?

Mfg

Kipka

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