Und wieder zieht ein Sommer vorbei


von Tageblatt-Redaktion

Frank Schmaler sitzt am Steuer eines Mähdreschers. Er arbeitet bei der MKH Agrar-Produkte GmbH Wittichenau.
Frank Schmaler sitzt am Steuer eines Mähdreschers. Er arbeitet bei der MKH Agrar-Produkte GmbH Wittichenau.

Von Rainer Könen

Früher waren die Sommer staubig. Die Sonne bekam Frank Schmaler immer voll mit. Wenn der Hoyerswerdaer spätabends nach Hause kam, war nur dieses durchdringende Brummen in seinem Ohr. Das Atmen fiel ihm schwer, weil seine Bronchien unzählige Staubpartikel aufgesogen hatten. Trotz des Mundschutzes.Seit nunmehr rund 20 Jahren verbringt Frank Schmaler mehrere Wochen im Sommer am Steuer eines Mähdreschers der MKH Agrar-Produkte GmbH Wittichenau. Als der Landwirtschaftsmeister dort anfing, hatten die Dreschmaschinen des Betriebes noch keine rundumverglasten Fahrerkanzeln, erzählt der 40-Jährige. Da mussten auch Lehrlinge wie er während der Erntezeit all den Staub schlucken, der beim Mähen des erntereifen Getreides anfällt.

So war das jedenfalls früher. Heutezutage hat der Arbeitsplatz von Frank Schmaler all die Annehmlichkeiten eines modernen Autos, von einer Klimaanlage über einen gefederten Fahrersitz bis hin zum Radio, das wegen der Wettervorhersage besonders wichtig ist. Dazu kommt die umfangreiche Bordelektronik, die dem Menschen die Arbeit weitestgehend abnimmt.Schmaler muss nur die Feinabstimmung vornehmen, denn schließlich ist jedes Feld anders. Was auch mit den verschiedenen Getreidesorten zusammenhängt, die gedroschen werden.

Sommerzeit ist Erntezeit. Da ist auch auf den Feldern im Hoyerswerdaer Umland viel Betrieb. Sieht man überall staubwolkenumsäumte Mähdrescher, die bis in die Nacht über die Äcker dröhnen. Auf einem bei Spohla gelegenen rund 60 Hektar großen Feld ist Frank Schmaler an diesem Tag mit drei Kollegen im Einsatz. Seit dem Vormitttag ziehen sie ihre Fahrmuster auf dem ausgedehnten Roggenfeld. Rauf, runter, rauf, runter. Sein gepolsterter Sitz befindet sich mehrere Meter über dem Boden, so hat er das Feld gut im Blick. Sein über 300 PS starker Mähdrescher, es ist ein Claas Lexion-660, ist ein neueres Modell, ist bis zu 40 km/h schnell. Allerdings auf der Straße. Hier auf dem Feld ist der 40-jährige Landwirtschaftsmeister mit „nur“ sechs Stundenkilometern unterwegs.

In der Kanzel schaut es ein klein wenig aus wie in einem Flugzeug. Die Höhe, ringsherum Glas und rechts neben dem Sitz bedient Schmaler einen Joystick. Wenn sich der Mähdrescher in Bewegung setzt, Schmaler das Schneidwerk anhebt, hat man das Gefühl, in einem Flugzeug zu sitzen, das über eine holprige Piste rumpelt. Aber der Landwirtschaftsmeister hebt nicht ab. Er lässt vielmehr das Schneidwerk absinken, fährt langsam los und frisst sich durch den Roggen. Stunde um Stunde. Er stöbert ein Reh auf, das mit weiten Sprüngen das Weite sucht. Fährt weiter, schaut nach vorne, auf die Ähren, auf die rote rotierende Haspel, die Einzugsschnecke. Die Ähren werden mit lautem Rattern abgeschnitten, ins Innere der Maschine befördert, wo die Dreschtrommel die Körner aus der Ähre drischt. Das Stroh wird hinten herausbefördert, landet auf dem Feld, wird später zu Ballen verarbeitet. Eine Spreuwolke hängt an der Erntemaschine wie ein Schweif.

Frank Schmaler wirft einen Blick aufs Display, dort, wo auch der Feuchtigkeitsgehalt des Getreides angezeigt wird. Mehr als 14 Prozent dürfen es nicht sein. Wenn das Getreide ins Lager kommt, muss das Korn tot sein. Andernfalls kommt der biologische Motor in Gang und verdirbt die Qualität. Etwas mehr als 13 Prozent wird angezeigt. Frank Schmaler ist mit dem Wert zufrieden. Nicht zufrieden ist er hingegen mit diesem Sommer. Die Wetterkapriolen bereiten den Fahrern Kopfzerbrechen. „Diese heftigen Regenfälle sind störend für den ganzen Ernteverlauf“, meint Schmaler. Denn schließlich braucht es nach den heftigen Unwettern immer zwei, drei Tage, bis das Getreide wieder trocken ist.

Ein Piepen dringt durch die monotone Geräuschkulisse der Erntemaschine. Der Bunker, der Korntank, ist fast voll. Wenn der zu 70 Prozent gefüllt ist, gehen die Rundumleuchten am Drescher an. Das Signal für die Abfahrer, die mit ihren Traktoren und den Hängern am Feldrand warten. Im Rückspiegel sieht Schmaler, wie sich ihm einer von hinten nähert. Als er auf gleicher Höhe mit der Erntemaschine ist, schwenkt er die Bunkerschnecke aus, das Rohr, aus dem sich wenig später rund sieben Tonnen Getreide in einen der beiden Hänger ergießt. Das alles geschieht während des Fahrens. Das Timing fürs Abbunkern, wie es Schmaler bezeichnet, das lerne man in diesem Job schnell. Muss man auch, denn Mähdrescher sollen ja nicht stehenbleiben, sie sollen fahren, sollen ernten. Wenn das Wetter mitspielt, wird das Getreide im Laufe von vier Wochen geerntet. Die restliche Zeit des Jahres stehen die Maschinen still. Doch derzeit fahren Frank Schmaler und seine Kollegen nur stundenweise, wegen der vielen heftigen Regenschauer, die immer wieder niedergehen. Das sei in diesem Jahr ein ziemlich durchwachsener Sommer, findet Frank Schmaler.

Aber es ist ein Sommer, einer, der an ihm und seinen Kollegen wieder vorbei ziehen wird, während sie sich auf ihren Mähdreschern einen Weg durch das Getreidemeer bahnen.



Zurück

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Bitte addieren Sie 9 und 9.