Traumjob zwischen tausenden Büchern

Von Uwe Schulz
Andy Kroll hat jetzt die Mecklenburger Seenplatte gegen das Lausitzer Seenland eingetauscht: Umzug aus der 6000-Einwohner-Stadt Lübz in die 34 000-Einwohner-Stadt Hoyerswerda. Hier steht der 22-Jährige jetzt zwischen all den Büchern in der Brigitte-Reimann-Stadtbibliothek und ist glücklich. Er hat hier am 1. September seine Lehre begonnen. Den Beruf, den er hier erlernt, den wird wohl jeder Bibliothekar nennen. Doch offiziell heißt das Fachangestellter für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Bibliothek. Drei Jahre währt die Ausbildung. Theorie in Leipzig an der Gutenberg-Schule, Praxis in Hoyerswerda. Zwanzig Interessenten aus ganz Deutschland hatten sich auf die Lehrstelle in Hoyerswerda beworben, wie Ausbilderin und Praxisanleiterin Heike Lehmann schildert. Nach dem Bewerbungsgespräch mit Andy Kroll war dem Bibliotheksteam klar, dass er der neue Azubi sein soll. Offenheit und ein großes persönliches Interesse an der geplanten Tätigkeit ließen den Mecklenburger zum Favoriten werden. Der hatte sich wiederum gut zehn Ausbildungsstellen beworben und drei oder vier Zusagen bekommen. Aber für Hoyerswerda ließ er die anderen alle sausen. Er hat zwar einen guten Kumpel in Leipzig, sonst aber bislang keinen Draht nach Sachsen. In Hoyerswerda war er das erste Mal beim Vorstellungsgespräch. „Doch das hier ist die zweitaktivste Bibliothek Ostdeutschlands“, sagt der junge Mann. Davor kommt nur noch Dresden.
Das Team der Reimann-Bibliothek ist rührig vor Ort, aber eben nicht umsonst das Herzstück der Onleihe Oberlausitz. Projekte und Veranstaltungen, Bibliothekspädagogik – hier lässt man sich was einfallen. Und Andy Kroll kann was lernen, sich aber auch einbringen und ausprobieren. Gleich nach dem ersten Tag war ihm klar, dass die Entscheidung die Richtige war. Und zehn Tage später hat sich daran nichts geändert. Er hat bereits Kindern vorgelesen und sich dabei beliebt gemacht. Ansonsten muss viel sortiert und eingeordnet werden. Er muss sich mit dem Bestand der Bibliothek vertraut machen, die Zoo, Kultur und Bildung gGmbH kennenlernen. Erst später wird er inventarisieren dürfen und an der Theke, der Ausleihe tätig sein können.
Natürlich liebt Andy Kroll Bücher. Romane und Fantasy-Bücher gehören dazu. Seine Spezialität ist freilich japanische Historie. Und auch wenn es bislang nicht für einen Trip nach Japan gereicht hat – etwas Japanisch hat er schon gelernt. Japanologie wäre eine mögliche Studienrichtung gewesen. Doch danach einen Job zu finden – das schien ihm dann doch zu heikel. Also folgte er seinem zweiten Berufswunsch, dem des Bibliothekars. Schon in der Schulzeit am Gymnasium in Schwerin hat er in der kleinen Schulbibliothek Dienst geschoben. Natürlich war Lesen schon lange seine Leidenschaft. In der Bibliothek bekommt er regelmäßig neue Anregungen für neue Bücher. Aber das ist es nicht allein. „Das Tolle ist auch, dass man viele Menschen kennenlernt – junge und alte aus allen Gesellschaftsschichten.“ Nach der Schule absolvierte er aber zunächst ein freiwilliges soziales Jahr in einem Altenpflegeheim. Das war am Ende aber nicht so sein Ding.
Andy Kroll hat sich aus seiner Sicht mit dem Umzug von der norddeutschen Kleinstadt in die nicht ganz so kleine Lausitzer Stadt ohnehin nicht verschlechtert. Er hat sich eine kleine Ein-Raum-Wohnung an der Bautzener Allee gemietet und erfreut festgestellt, dass es in Hoyerswerda jede Menge Parks gibt, in denen man sich gut aufhalten und entspannen kann. Als Hobbymusiker, der auch schon Erfahrungen als Straßenmusiker gesammelt hat, freut er sich, dass es in der Altstadt auch einen Musikalienfachhändler gibt. Und da Andy Kroll für den körperlichen Ausgleich gern und viel mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat er auch schon das gut ausgebaute Radwegenetz in der Stadt und der Umgebung schätzen gelernt. Lausitz-Center und Altstadt hat er schon inspiziert, für einen Ausflug nach Dresden war ebenfalls Zeit.
Bis zum 23. November wird er nun seinen ersten Praxis-Block in Hoyerswerda absolvieren, dann sind gut drei Wochen Theorie in Leipzig dran, ehe wieder die Praxis ruft. Drei Jahre lang wird das jetzt so gehen. Wie es danach beruflich für Andy Kroll aussieht, vermag noch niemand zu sagen. Wir es dann eine freie Stelle in Hoyerswerda geben oder zieht es ihn woanders hin? Wer weiß das schon. Für die beiden Azubis, die in diesem Jahr ihre Ausbildung an der Bibliothek in Hoyerswerda beendeten, gab es hier jedenfalls keine Jobs. Eine junge Frau ist nach Leipzig gegangen und holt nun ihr Abitur nach. Die andere ist bei der Bibliothek geblieben, absolviert hier aber ein freiwilliges soziales Jahr. Doch Andy Kroll ist erst einmal froh, hier seine Ausbildung absolvieren zu können.
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