Sorgen um die Kinder vor das Rathaus getragen


von Tageblatt-Redaktion

Sorgen um die Kinder vor das Rathaus getragen
Foto: Uwe Schulz

Hoyerswerda. Hatte sich Kritik an den Restriktionen zur Eindämmung von Covid-19 zuletzt in Hoyerswerda (wie anderswo) in Autokonvois manifestiert, ist sie nun vor dem Rathaus angekommen. Am Dienstagabend wurden (wie anderswo) unter anderem Kinderschuhe an der Rathaustreppe platziert.

Laut Polizei kamen dazu etwa 35 Erwachsene mit rund 25 Kindern auf dem Markt zusammen. Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD) suchte das Gespräch. Er sagt, er könne einen Teil der Ängste nachvollziehen – vor allem betreffs Kita- und Schulschließungen. Die Ablehnung von Tests dagegen sehe er kritisch.

In der Polizei-Mitteilung heißt es, die Teilnehmer der Aktion vom Dienstag hätten sich zwar durchaus an die gültigen Hygiene-Regeln gehalten. Es werde allerdings wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt.

Die in Schulen und Kindergärten zu ergreifenden Maßnahmen basieren nicht auf lokalen Entscheidungen in den Rathäusern, sondern auf Anordnungen von Landes- und Bundespolitik. Beide Eltern von Ruban-Zeh waren vor gut zehn Wochen an Covid-19 verstorben. (red)

Nachtrag. Die Stadt lässt mit Datum vom Freitag das Folgende wissen: „Der „friedliche Protest“ vor dem Alten Rathaus wird am Wochenende ein vorläufiges Ende nehmen. Die Stadt Hoyerswerda wird die Utensilien, insbesondere die vielen Kinderschuhe, am Samstag, dem 27.03.2021 um 10:00 Uhr durch die Berufsfeuerwehr in Zusammenarbeit mit dem Vollzugsdienst beräumen. Die Schuhe werden im Fundbüro des Bürgeramtes eingelagert und können bis Mittwoch, den 31.03.2021 von den Besitzern abgeholt werden. Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh kann die Sorgen der Eltern nachvollziehen, weist jedoch darauf hin, dass bei zukünftigen Aktionen auf geschichtsträchtige Symbole, die Assoziationen zum Holocaust wecken, verzichtet werden sollte. So können im Sinne eines friedlichen, stillen Protestes Plakate und Luftballons an der Treppe des Alten Rathauses unter Umständen geduldet werden.“

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Kommentare zum Artikel:

Birgit Schreck schrieb am

Obwohl ich zutiefst bedaure, dass wegen der Pandemie Schulen und Kitas geschlossen werden mussten, habe ich ein sehr großes Problem mit der Verwendung dieser Kinderschuhsymbolik. Ich frage mich, ob die Eltern im Geschichtsunterricht nie die schlimmen Bilder von ganzen Bergen von Kinderschuhen in den Konzentrationslagern gesehen haben, ob sie nie Bechers berührendes Gedicht "Kinderschuhe aus Lublin" gelesen haben. Ich weiß nicht, wie die Initiatorin dieser Aktion auf die Idee gekommen ist, bin aber der Meinung, dass ein jeder seine Handlungen gründlich überdenken sollte; auch vor dem Hintergrund, dass inzwischen Lehrer als Nazis beschimpft werden, weil sie die Corona-Testpflicht in den Schulen umsetzen.

Stefanie Trunsch schrieb am

Ich finde es ganz schlimm, wie überall die psychische Gesundheit der Kinder vorgeschoben wird. Wie steht's denn um die Psyche der Kinder, wenn Oma plötzlich krank ist (oder Gott bewahre verstirbt) und der Erste auf die Idee kommt, dass das der Junior aus der Kita mitgebracht hat? Das kriegen die Kids auch mit und machen sich Vorwürfe. Das gibt 'nen Knacks fürs Leben.

Was tun wir denn, wenn ein Kind in der Familie krank wird? Spielen wir dann Schnick-Schnack-Schnuck, wessen Gesundheit wohl am robustesten ist und die Betreuung übernimmt - sich dafür aber mit dem Coronakind vom Rest der Familie absondern muss? Bei wem wäre das überhaupt räumlich möglich? Oder müssen dann einfach alle in der Familie "da durch" und wir hoffen aufs Beste? Eine Freude für alle Familien, die Risikogruppen zu ihren Mitgliedern zählen.

Meine Kinderärztin berichtete mir über mehrere Anfragen bzgl. Testbefreiung für Kinder "weil das psychisch für die Kinder zu belastend sei". Mein Krippenkind putzt 2 Mal täglich Zähne und hat schon mehrere Coronaabstriche hinter sich. Das Zähneputzen ist ein Drama. Der Abstrich entlockte nicht mal ein Schulterzucken. Sind wir doch ehrlich: Es geht nicht um die psychische Gesundheit sondern darum, dass Erwachsene keinen Bock auf Quarantänestress haben und ihre Freizeitpläne nicht ändern wollen.

Peter Freilich schrieb am

Sehr geehrte Frau Schreck, genau das ist das größte Problem in meinen Augen, was Deutschland zur Zeit hat. Dass immer gleich jegliche Aktion und jegliches Denken nazifiziert wird. Sicher wird nicht jeder Bechers Gedicht kennen, ich als mitt-40iger kenne es nicht und möchte es auch nicht kennen. Aber zur Aktion vor dem Rathaus: Vielleicht mal darüber nachgedacht, dass dies nur ein Sinnbild ist, Kinderschuhe stehen da, anstatt der Kinder, also als Zeichen - „Wir stehen hier, und wegen Corona natürlich nur die Schuhe“. Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich es jetzt wirklich noch einmal so schreibe. Für alle da draußen, hört auf, einfach gleich alles zu nazifizieren. Das bringt keinem etwas, genau im Gegenteil, dies bringt nur Streit und Hass. Hätten Sie geschrieben 'sehr gute Aktion von den Kindern und deren Eltern', hätte ich hier nicht geantwortet.

Im diesem Sinn, wohl an Freilich

Thomas Häntschke schrieb am

Hallo Herr Freilich!
Auf Grund Ihrer Zeilen, empfehle ich Ihnen den Artikel "Mehr als Elternproteste: Das Netzwerk hinter der "Aktion Kinderschuhe" in Sachsen-Anhalt" auf MDR.de-Sachsen-Anhalt. Da es ein bundesweiter Aufruf ist, "Kinderschuhe vor Rathäuser zu stellen", gehe ich davon aus, dass die MDR-Sachsen-Anhalt-Recherche (Initiatoren = Teil der Querdenker-Bewegung) auch in Sachsen erfolgen könnte und zum gleichen Ergebnis führen würde. Welche Gedanken manche "Querdenker" (z. B. "Holocaustrelativierung") haben, wurde ja ausführlich in den Medien gezeigt und deshalb wäre es angebracht, dass das Gedicht "Kinderschuhe aus Lublin" wieder in die Öffentlichkeit gebracht wird, denn, m. M. kann und darf die jetzige Situation nicht mit den Gräueltaten verglichen oder gleichgesetzt werden.
Allein die letzte Strophe des Becher-Gedichts zeigt den Grund dafür:

"Der Kindermord ist klar erwiesen.
Die Zeugen all bekunden ihn.
Und nie vergess ich unter diesen
die Kinderschuhe aus Lublin."

Ich hoffe, dass Sie sich das Gedicht doch mal durchlesen und dann verstehen, warum es keinen Vergleich geben kann und darf. MfG

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