Schöner Wahnsinn in der Heilanstalt


von Tageblatt-Redaktion

Aline Gralke und Trynitie Taylor (v.l.) waren das erste Mal bei der Prohibitionsparty in der Kufa. Trynitie stammt aus Kalifornien. Die junge Frau war begeistert von dem, was in der Kufa auf die Beine gestellt wurde.  Foto: Silke Richter
Aline Gralke und Trynitie Taylor (v.l.) waren das erste Mal bei der Prohibitionsparty in der Kufa. Trynitie stammt aus Kalifornien. Die junge Frau war begeistert von dem, was in der Kufa auf die Beine gestellt wurde. Foto: Silke Richter

Von Silke Richter

Don Corleone ist wirklich zu bemitleiden. Apathisch sitzt der Pate mit weißem Nachthemd und Zigarre im Mund in einem Rollstuhl. Schnell noch den Urin- Beutel gewechselt und schon geht es für den Patienten auf die Bühne. Mit medizinischem Personal, das schwarze Netzstrumpfhosen trägt – versteht sich. Schließlich erlitt der Pate vor zwei Jahren einen Streifschuss und lag deshalb im Koma. Vor wenigen Tagen ist er aufgewacht und will sich seinem alten Hauptgeschäft, der Prohibition, wieder widmen. Doch dieses Verbot von Drogen gibt es nicht mehr. Aber wie bringt man das Don Corleone am Besten bei? In seinem Zustand natürlich möglichst schonend.

Good by Lenin - äh Good by Präsident Franklin D. Roosevelt, lässt an diesem Abend grüßen. Es ist aber nur ein kurzes Schauspiel für Reinhard Ständer, der als Pate Don Corleone in diese Rolle geschlüpft ist. Von der Bühne tönt es durch den Lautsprecher: „Hochprozentigen Alkohol gibt es für Patienten und Kurgäste nur im Keller. Dort kommt Don Corleone nämlich mit seinem Rollstuhl nicht hinunter. Der muss jetzt eh schnell wieder in sein Krankenbett“, feixt Jens-Uwe Röhl am Mikrofon. Doch diese Rechnung hat der Mann mit schwarzen Zylinder ohne Don Corleone gemacht, der jetzt plötzlich wieder völlig genesen ist und mit tiefer Stimme seinem Nachbarn im Publikum zuraunt: „Das kann er vergessen!“

Ist ja auch alles nur ein Spiel. Aber ein Schönes! Denn Prohibitionsparty in der Kulturfabrik ist Kult. Und auch wenn immer im Stil der Zwanziger Jahre gefeiert wird, sich die Organisatoren um Geschäftsführer Uwe Proksch immer etwas Neues einfallen lassen: Die wichtigsten Akteure bei dieser Veranstaltung sind die Besucher selbst. Denn wer glaubt, dass bei dieser jährlichen Party, die bis zum Umzug der Kufa in die Braugasse 1 übrigens zum letzten Mal in diesen Räumlichkeiten in der Alten Berliner Straße stattgefunden haben soll, sich einfach nur berieseln lassen zu können, der irrt. Die meisten Besucher, vor allem die Stammgäste dieser Party, die es seit Ende der Neunzigerjahre gibt, wissen das.

Bei Nadine Köhler hat das Aussuchen der entsprechenden Kleidung schon Monate vor der eigentlichen Party begonnen. „Ich habe stundenlang nach diesem schwarzen Kleid und passenden Netzstrumpfhosen gesucht. Aber das waren mir die Zeit und der Aufwand wert. Letztlich bin ich im Internet fündig geworden. Ich will mich ja heute hier nicht blamieren und aus dem Rahmen fallen“, meint die 35-Jährige aus Hoyerswerda.

Und sie soll Recht behalten. Denn der Abend steht ganz unter dem Motto: Sehen und gesehen werden und bloß kein Spielverderber sein. Die meisten Gäste beweisen hierbei Stilsicherheit und flanieren zwischen den „Untersuchungen“ vornehm durch den Wintergarten, die Wandelhalle und den Kursaal. Doktor Schudack kommt jetzt seiner Kontrollpflicht nach und verlangt den Gesundheitsausweis von Nadine Köhler, die natürlich keinen hat. „Ich bitte vielmals um Verzeihung. Ich werde mich sofort in ärztliche Obhut begeben und die Eigen-Urin-Therapie-Stelle aufsuchen“, sagt sie mit gespitzten Lippen.
In der Heilanstalt Waverly Hills, dem Sanatorium in Kentucky, muss schließlich alles ordentlich und unter ärztlicher Aufsicht ablaufen. Die Inkontinenz-Gruppe hat an diesem Abend Ausgang. Die Damen und Herren dürfen im Kursaal swingen.

 Die Tanzdarbietung gefällt den anderen Patienten jedenfalls sehr. Mitmachen kann jetzt jeder. Auch ohne Rezept. Das lassen sich Aline Gralke und Trynitie Taylor nicht zweimal sagen. Die beiden jungen Damen wohnen eigentlich in Berlin und sind das erste Mal bei der Prohibitionsparty dabei. Aline stammt aus Schwarzkollm und hat ihre beste Freundin Trynitie, die bis vor kurzem noch in Kalifornien gewohnt hat, für diese Party überredet. „Es ist so toll hier. Wahnsinn, wie die Leute so drauf sind und was hier alles an Kulissen und dem Programm gestaltet wurden. Es ist überwältigend“, meint Trynitie über diese Kultparty in der kleinen Stadt Hoyerswerda.



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