Schlicht und einfach


von Tageblatt-Redaktion

Küster Thomas Michauk hält das Jesuskind in der Hand.
Küster Thomas Michauk hält das Jesuskind in der Hand.

Von Rainer Könen

Der Engel lässt sich tragen. Kein Wunder, denn er ist ein wenig lädiert. Drei Finger seiner rechten Hand sind abgebrochen. Maria und Josef sind bereits da. Aber das war ja zu erwarten. Die Schafe sind gerade angekommen. Verpackt in einer Umzugskiste. Das kleine Jesuskind liegt schon auf dem Tisch der Sakristei.
Thomas Michauk streicht mit seiner Hand über die Holzfiguren. „Da hat sich in den vergangenen Monaten wieder mal eine Menge Staub angesammelt“, stellt der Küster der katholischen Pfarrgemeinde von Wittichenau fest.
Es gibt an diesem Vormittag für den 51-Jährigen einiges zu tun. Wie immer um diese Zeit, denn kurz vor Weihnachten wird in der katholischen Kirche das aufgebaut, was nicht nur für Michauk das i-Tüpfelchen des alljährlichen Weihnachtsfestes ist: die Krippe.

Die der Wittichenauer Pfarrgemeinde gehöre sicher zu den größeren im Landkreis, findet Thomas Michauk. Folglich braucht er da beim Aufbauen Unterstützung. Die bekommt er von einigen Gemeindemitgliedern, rüstigen Senioren. Das Gestell der Krippe besteht aus etwa 30 Einzelteilen. Platten, Holzböcke, Querstreben. In Wittichenau hat das Krippen-Ensemble keine Platznot. Auf knapp zwölf Quadratmetern werden Stall und Figuren platziert. Umringt von mehreren bis zu vier Meter hohen Tannenbäumen.

Bis vor zehn Jahren habe man die Krippe noch unter der Kirchenempore aufgestellt, erzählt Michauk. Weil man aber die Krippe mittlerweile in den Gottesdienst mit einbeziehe, so der Küster weiter, habe die nun seit einigen Jahren ihren festen Platz unweit des Altars. Die Rentner, die dem Küster beim Aufbau helfen, haben schon einige Routine, kennen das Prozedere des Aufstellens, wissen alle, wie man die Teile zusammensetzt. Dennoch: ganz ohne Plan geht es nicht. So sind die Holzteile beschriftet und nummeriert. Achim Graf, ein ehemaliger Zimmerer, hat die das Gestell tragenden Holzböcke vor einigen Jahren neu gebaut. Die Konstruktion ließ er fotografieren, so „dass die junge Generation später sehen kann, wie das Untergestell zusammengesetzt wird“. Das steht nach einer Stunde. Dann werden die Verstrebungen mit Platten abgedeckt, die im fahlen Licht der Kirche dunkel schimmern. Daran ist das Moos schuld. Die Krippe der katholischen Pfarrgemeinde, sie ist Natur pur. So hatte man vor einigen Wochen aus dem Wald Moos geholt, in einem Nebengebäude des Pfarrhauses zum Trocknen ausgelegt. „Welch’ ein Glück, dass es bisher nicht geschneit hat“, so Küster Michauk. Andernfalls hätte man auf den Untergrund des Vorjahres zurückgreifen müssen. Für diesen Ernstfall hatte Michauk das alte Moos in eine der Kisten verstaut.

In der heutigen Zeit werden manche Krippen mitunter recht eigenwillig gestaltet. Da sieht man entweder einen ganzen Zoo rings um den Stall weiden, stehen häufig Heerscharen von Menschen um das Christuskind herum, sodass das Platzangst bekommt, oder man lässt aus Bequemlichkeitsgründen die Heiligen Drei Könige nebst kompletter Entourage auf dem Krippengelände lagern, die dann den anderen Akteuren, das Christuskind ausgenommen, die Schau stehlen. Doch mit so was braucht man Küster Michauk nicht kommen. Er findet, dass eine Krippe „schlicht und einfach“ sein soll. Also Reduktion auf das Nötigste. Zum Kernbestand gehören Maria, Josef und das Jesuskind in dem umfunktionierten Stall, dazu noch als Beobachter Ochs und Esel, ein paar Hirten samt ihrer Schafe. Der Engel darf natürlich nicht fehlen. Ebenso wie der Stern von Bethlehem. Als Michauk vor einiger Zeit in Israel war und bei der Gelegenheit Bethlehem besuchte, war ihm klargeworden, dass der Stall eigentlich „eine europäische Variante ist“. Denn eigentlich sei das Christuskind ja in einer Höhle zur Welt gekommen. Jedenfalls in Israel.

Nach etwas mehr als zwei Stunden ist sie aufgebaut, die Krippe. Die dazugehörenden Figuren hat Michauk abgestaubt und sie in der Sakristei aufgereiht. Erst an Heiligabend wird Leben in den derzeit verwaisten Stall kommen. Das Jesuskind kommt in Wittichenau am 24. Dezember nicht in der Nacht, sondern schon am frühen Nachmittag zur Welt. Wenn die Kinder-Christmesse um 16 Uhr beginnt, muss das Krippen-Ensemble komplett sein. Und die Heiligen Drei Könige? Die haben da noch ein gutes Stück Weg vor sich, bis sie den Stall der Pfarrgemeinde finden. „Die stelle ich erst am 6. Januar auf“, so Michauk. Bis Anfang Februar kann man sich in der Wittichenauer Kirche die Krippe anschauen. Dann heißt es für Maria und Josef und die anderen wieder: umziehen. Es geht wieder in eine im ersten Stock der Kirche gelegene kleine Abstellkammer. Wo erneut das Warten beginnt: aufs kommende Weihnachtsfest.



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