Schafescheren im Minutentakt
Von Uwe Schulz
Der elektrische Schafscherer sieht aus wie ein Barttrimmer für den gepflegten Drei-Tage-Bart, nur robuster. Spannen, Öl aufs Schneidwerk, Stecker rein. Und los geht’s. Martin Just hat sich das erste Skuddenschaf der Kinder- und Jugendfarm an den Vorderläufen zurechtgelegt. Normalerweise braucht der 33-Jährige aus Cunnewitz drei Minuten zum Scheren eines seiner 200 Mutterschafe zu Hause. Doch die haben eine ganz andere Wolle als die Skudden. Deren Wolle ist vergleichsweise kurz, aber gern auch verfilzt und recht rau. Und außerdem ist Tag des offenen Hofes auf der Farm.
Zig Kinder und ihre Eltern sind da, kommen Tiere gucken, basteln, machen mit – oder schauen eben beim Schafescheren zu. Einmal im Jahr müssen die Tiere unters Messer. Martin Just macht das nun wohl schon sechs Jahre lang, auch auf der Farm. Und er kann das gut – Schafescheren und nebenbei Fragen beantworten, über Schafe erzählen. Eigentlich hat er ja Zahntechniker gelernt und Medizintechnik studiert, sagt er. Doch Schafe sind seine echte Passion. Über die Eltern stieg er in die Tierzucht ein. Es ist sein Ding, man spürt es. Beim Schafescheren hat er Strichlisten geführt. Auf der Kinder- und Jugendfarm ist das 2 000. Schaf dabei, das er schert.
Martin Just setzt den Scherkopf im Halsbereich des Schafes an und arbeitet sich vor. „Sieht aus, als wenn es seinen Wintermantel auszieht“, sagt ein Vater zu seinem Kind. Just fügt hinzu, dass man bei starker Sonneneinstrahlung sogar aufpassen müsse, dass die Schafe unmittelbar nach der Schur nicht gleich Sonnenbrand bekämen. Die Gefahr bestand gestern nicht. Routiniert balanciert Just das Schaf, dass er sich zwischen die Beine geklemmt hat, aus. Allzuviel Kraft scheint er dafür nicht aufzuwenden. „Das sieht bei einem 160-Kilo-Schaf dann aber schon ganz anders aus“, sagt er. Die Skudden hebt er jedenfalls noch allein hoch.
Auch die Klauen werden gereinigt und gestutzt. Dann wird noch die Wurmkur durchs Maul verabreicht. Und schon kann das erste Schafe auf die Koppel nebenan. Dort blöken schon einige Lämmer. Die haben nur Wurmkur und Klauenbehandlung bekommen und vermissen ihre Mutter. Entsprechend rufen sie nach ihr. Doch ihre Mutter ist erst als drittes dran. Als sie geschoren ist und zu den Lämmern gelassen wird, ist dort die Freude groß und das Geblöke ebbt ab.
Das Skuddenfell ist ab. Weiter verarbeitet wird es nicht. Ein bisschen wird man sich für Projekte aufheben, den Rest entsorgen. Der 12-jährige Simon Lattke tropft inzwischen etwas Öl auf den Scherkopf, darf sogar mal selbst ein bisschen scheren. Der Sechstklässler hat zusammen mit Alexander Groscher Leute über die Farm geführt, Tiere gezeigt. Dass er beim Scheren helfen darf, ist aber auch für ihn eine große Sache. Die anderen Kinder dürfen nur gucken, vielleicht mal ein Schaf streicheln. Aber auch das ist schon was wert.
Der Tag des offenen Hofes ist nicht umsonst die größte Image-Aktion der sächsischen Landwirtschaft, unterstützt vom Freistaat. Die meisten Aktionen finden zwar erst am kommenden Wochenende statt, doch die Kinder- und Jugendfarm in Trägerschaft des Christlich-Sozialen Bildungswerks hat ihre Aktion bewusst auf den Kindertag gelegt. Und wenn man schon so was macht, dann kann man sich ja auch den Schafscherer dazu bestellen und das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Wann bekommt man das sonst schon mal zu sehen? Und Martin Just weiß: „In der Gegend bin ich der einzige Schafscherer.“
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