Rückblick: Vom Gefühl, angekommen zu sein
Am 22. Februar erschien:
Das muss man erst einmal schaffen in Hoyerswerda: Drei hintereinander folgende Veranstaltungen, die sich im Grunde nur um eine einzige Person und deren Bandmitglieder drehen – und alle Angebote: Ausverkauft! Dabei ist Gerhard „Gundi“ Gundermann schon vor siebzehn Jahren – mit gerade mal 43 Jahren – an einem Hirnschlag verstorben. Wenn es das Schicksal anders gewollt hätte, hätte der Rockpoet und Baggerfahrer aus Spreetal vielleicht seinen 60. Geburtstag mit seiner „Brigade Feuerstein“ und der Begleitband „Gundermanns Seilschaft“ am Wochenende im großen Saal der Hoyerswerdaer KulturFabrik gefeiert. Vielleicht wäre der Quertreiber und Weltverbesserer mit Gitarre und im Fleischerhemd aber heute auch längst nicht so berühmt, wie er es ist – und wurde.
Doch das seien sinnlose Mutmaßungen, sagt Conny Gundermann, Witwe des Verstorbenen; Fragen, die sie eigentlich nicht hören und beantworten möchte, erklärt die Wahlberlinerin am Sonnabend auf der KuFa-Bühne. Und ja: Als sie genau davon im Rampenlicht erzählt, wirkt sie etwas traurig. Erst als sie, begleitet von Hugo Dietrich an der Gitarre, Lieder von Gundi zu Gehör bringt, weicht die Melancholie einem wachen, strahlenden Blick in die Publikumsreihen. „Nun tretet ein, ihr Ungeborenen …“ Einen besseren musikalischen Einstieg hätte es für diese Gundermann-Geburtstagsparty wohl nicht geben können.
Die Party geht weiter. Mit einem auf der Bühne allein sitzenden und nachdenklich wirkenden KuFa-Geschäftsführer Uwe Proksch. Den Kopf nach unten gesenkt, beide Hände zusammengelegt, lauschen er und das Publikum einem Lied von Eric Fish („Subway To Sally“), der sich gewünscht hatte, dass diese kleine Hommage am Sonnabend in der KuFa gespielt werde. Es ist das Geburtstagsgeschenk von „Eric Fish & Friends“ für ihren „großen Gunder(Mann).“ Seit Sonnabend kann man dieses Lied unter www.ericfish-shop.de herunterladen. Der Erlös kommt dem Gundermann-Archiv zugute, „um das Erbe dieses ‚fantastischen Musik-Lyrikers‘ weiter erhalten zu können“, so Eric Fish in einem Brief an Uwe Proksch.
Letztgenannter hatte 2014 auch die Idee, einen Hoyerswerdaer Bürgerchor zu gründen. Aus erhofften zwanzig Sängern wurden 64 Teilnehmer, die in den vergangenen Monaten zwölfmal zusammen probten, um Gundermann-Lieder einzustudieren und diese bei der Geburtstagsparty am Sonnabend und Sonntag zu Gehör zu bringen. Genau das taten die etwas lampenfiebrigen Sängerinnen und Sänger mitsamt ihrem Chorleiter Andre Bischof, der Chef der gleichnamigen Musik- und Kunstschule ist. Nicht jeder Ton wird aufs My getroffen. Das ist auch gar nicht so wichtig, als da gesungen wird von Schwarze Pumpe (dem Gaskombinat und seinen unheldischen Arbeiter-Helden-Geschichten), von einem Schlag in die Fresse, Zwiebelduft, Kraft und dem Gefühl, angekommen zu sein.
Beifallstürme, stehende Ovationen und das in den Publikumsreihen immer stärker werdende Gefühl von innerer Zufriedenheit. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Lieder von Gerhard Gundermann bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren haben. Und dann das, worauf wohl viele schon gewartet, sich aber nicht als Erste getraut haben: Bürgerchor und Publikum verschmelzen zu einem gemischten Chor und singen gemeinsam: „Hoywoy, dir sind wir treu, du blasse Blume auf Sand.“
Man kann Gerhard Gundermann mögen. Man muss nicht. Aber selbst wer es nicht tut, kommt nicht umhin, anzuerkennen: „Gundi“ verbindet. Gewesenes. Gegenwart. Zukunft. Menschen. (SiRi)
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