Rettung auf den letzten Drücker


von Tageblatt-Redaktion

Hier werden in der Landesfeuerwehrschule Lkw mit Schlauchbooten und ähnlichem mehr beladen
Hier werden in der Landesfeuerwehrschule Lkw mit Schlauchbooten und ähnlichem mehr beladen

Im Fernsehen, im Internet und in der Zeitung die Bilder von Überflutungen. Draußen vor dem Fenster regnet es mal mehr und mal weniger. Und der Wasserstand in der Schwarzen Elster steigt auch immer mehr. Auf den Feldern steht das Wasser, sickert nicht mehr weg. Natürlich spricht jeder übers Wasser. Hier und da spürt man Verunsicherung. Muss Hoyerswerda Angst haben vor Überflutungen, vor Evakuierungen? Nein. Diesmal nicht.

Angesichts der Bilder aus anderen Teilen Sachsens und aus Süddeutschland haben wir einfach Glück. Hier ist nicht so viel Wasser runtergekommen. Eigentlich wird es nur einmal brenzlig an diesem 3. Juni. Groß Särchen droht zu überfluten. Mal wieder. Trotz des Umfluters steigt das Wasser im Ort so weit, dass es an der Brücke in der Straße Im Flusswinkel nur noch drei oder vier Zentimeter bis zur Unterkante eines Stahlträgers sind. Wenn der erreicht ist, staut das Wasser zurück. Am nächstgelegenen Grundstück ist schon eine Reihe Sandsäcke gestapelt.

Doch der Pegel in Zescha flussaufwärts steigt noch immer. Etwa eine Stunde später kommen diese Wassermengen in Särchen an. Bei den Anliegern ist man fassungslos: Warum wird nicht das Wehr in Richtung Knappensee geöffnet, der auf Niedrigwasser abgesenkt ist? Doch Bürgermeister Udo Witschas und die örtliche Feuerwehr dürfen das Wehr nicht einfach ziehen. Also Kontakt zur übergeordneten Polizeibehörde und der Landestalsperrenverwaltung. Das Drama der Zuständigkeiten endet hier noch nicht.

Da der Knappensee als bergtechnischer Sanierungsfall gilt, muss auch die LMBV befragt werden. Das alles dauert. Kurz vor 18 Uhr wird das Wehr geöffnet. Pro Sekunde schießen nun wohl sechs Kubikmeter in den Knappensee-Zulauf. Binnen einer halben Stunde sinkt der Wasserstand an der kritischen Stelle in Höhe der Brücke um 15 Zentimeter. Das ist der Moment, da für die Särchener das Schlimmste für diesmal vorbei gewesen sein dürfte.

Im Landratsamt winkte man für den Norden des Kreises eigentlich schon im Laufe des Tages ab. Wasser ist reichlich da, aber alles im Rahmen des Möglichen. An der Elbe weiß man mittlerweile mit vielen Stunden Vorlauf, welche Gefahr da auf die Orte zurollt. An der Schwarzen Elster kann man nur die Pegel im Oberlauf von Elster, Schwarzwasser und Klosterwasser beobachten und auf Erfahrungswerte bauen. Für die Kleine Spree gibt es keine automatischen Messpegel, also hilft nur Selberschauen. In Groß Särchen weiß man, wie schnell es hier ernst wird. Lohsas Bürgermeister Udo Witschas alarmiert neben dem Bauhof auch mehrere Freiwillige Wehren.

Am Anger, einem klassischen Hochwasserschwerpunkt in Groß Särchen, wird mit Sandsäcken ein Einlauf gesichert, durch den das Schwarzwasser sonst durchdrückt. Dann gilt die Aufmerksamkeit der Brücke im Flusswinkel. Doch abgesehen davon haben gestern die Gemeinden rund um Hoyerswerda keine ernsthaften Hochwasserprobleme. Da kann man es sich auch leisten, Feuerwehren abzuziehen und anderen Gemeinden in Sachsen zu helfen.

Das Landratsamt Bautzen schickt auf Anforderung den Katastrophenschutzzug Retten I mit vier Fahrzeugen und 27 Feuerwehrleuten aus Bernsdorf, Schwepnitz und Kamenz schon am Sonntag nach Wurzen. Gestern befinden sich die Einsatzkräfte bereits wieder auf dem Rückweg.

An der Landesfeuerwehrschule Sachsen sind am Vormittag vier Löschfahrzeuge, ein Rüstwagen und ein Gerätewagen mit Schlauchbooten, Sandsäcken und ähnlichen Dingen bestückt worden. Auch das Erkundungsfahrzeug steht seitdem bereit. Drei Ausbilder der Schule und 39 Lehrgangsteilnehmer von Berufsfeuerwehren könnten mit der Technik sofort ausrücken. Doch am Nachmittag nehmen die Helfer ihre persönlichen Dinge wieder aus den Fahrzeugen. Sie wurden nicht angefordert. Die Lkw bleiben bestückt ausrückebereit stehen. Vielleicht braucht man sie ja heute noch irgendwo in den Überflutungsgebieten. Es wäre der erste Hilfseinsatz von Technik und Schülern der Landesfeuerwehrschule seit dem Augusthochwasser von 2002.

Denn Hilfe bekommt Sachsen mittlerweile reichlich. Am frühen Morgen haben rund 170 Berliner Feuerwehrleute mit 24 Fahrzeugen Zwischenstation an der Landesfeuerwehrschule gemacht. Zwei Brandschutzbereitschaften machen hier kurz Pause, ehe sie weiter nach Chemnitz fahren, begleitet von Versorgungseinheiten des DRK.

Und immer wieder der Blick in die Flüsse. Könnte im Ernstfall nicht die LMBV Wasser in die Seen ableiten? Im Prinzip ja, aber nur wenn es sein muss, so wie am Knappensee letztendlich geschehen. LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber verweist darauf, dass in den Seen derzeit Grenzwasserwerte erreicht sind. Das bedeutet nicht, dass die Seen fertig geflutet sind, sondern dass Baustellen oder die Kippenbereiche geschützt werden. Die Zuläufe öffnen würde man daher nur, wenn es die Länder Sachsen oder Brandenburg für nötig erachten. Ansonsten schaut man auch bei der LMBV derzeit stark auf diverse Messwerte. Angesichts der hohen Wassersättigung der Böden werden Erinnerungen an 2010 wach, als riesige Kippenareale nachsackten. Deshalb sind auch die Sondergenehmigungen zum Betreten dieser Gebiete, wie sie beispielsweise LMBV-Experten und Förster haben, außer Kraft gesetzt.

Jede Stunde werden die Werte Porenwasserdruckgeber in den beiden gefährdeten Straßenabschnitten zwischen Koblenz und Knappenrode sowie die B 97 im Bereich Spreetal geprüft. Gesperrt werden müssen die Straßen nicht.
Immerhin soll es mit dem Regen heute vorbei sein und damit auch mit dem Hochwasser im Bereich der Schwarzen Elster. Sorgen machen sich freilich noch Spree-Anrainer wie Spremberg. Aber so schlimm wie in den anderen Gebieten Sachsens wird es auch hier nicht werden.



Zurück

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Was ist die Summe aus 2 und 3?