Raus aus dem Stall und rein ins Kleid


von Tageblatt-Redaktion

Ursula Katharina von Teschen alias Cornelia Schnippa war am Wochenende mit ihrem Gefolge beim Weihnachtsmarkt in Hoyerswerda unterwegs.  Foto: Silke Richter
Ursula Katharina von Teschen alias Cornelia Schnippa war am Wochenende mit ihrem Gefolge beim Weihnachtsmarkt in Hoyerswerda unterwegs. Foto: Silke Richter

Von Silke Richter

Entzückt spitzt Ursula Katharina von Teschen ihre knallrot geschminkten Lippen: Die Herrschaften mögen der Reichsfürstin doch bitte folgen. „Hurtig, hurtig,…“ meint sie mit einladend schwenkendem Arm. Der kleine Finger an ihrer rechten Hand ragt dabei abgespreizt in die Höhe. Die Rolle der Teschen ist Cornelia Schnippa quasi auf den Leib geschneidert. Doch auch eine Reichsfürstin ist nicht vor stürmischen Windkapriolen gefeit, die jetzt den Dreispitz auf ihrem Kopf fast hinunter geweht hätten.

„Huch, ich muss aufpassen dass mir der Federschmuck nicht weg fliegt. Sonst muss ich erst wieder auf die Straußenfarm nach Torno fahren, um mir neue zu holen“, meint die 46-Jährige plötzlich ohne Etikette und vornehmen Sprachgebrauch. Die Herrschaften müssen lachen. So bekommt die Stadtführung für die Mitglieder des Dresdner Barockvereins eine ganz spezielle, fast schon humorvolle Note.

Über sieben Stunden wird Cornelia Schnippa das Kostüm mit rotem, sehr breit wirkenden Reifrock, Poncho und Perlmutschmuck an diesem Freitag tragen. Gilt der Nachmittag den Gästen aus Dresden mit Besuch des Trachtenhauses Jatzwauk und weiteren Einblicken in die historische Stadtgeschichte, so wird die verkleidete Teschen am Abend das eigene Volk zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes standesgemäß begrüßen.

Doch bis dahin ist noch viel Zeit und es stellt sich unweigerlich die Frage: Ist es nicht irgendwann unangenehm, so viele Stunden solch ein schweres Kostüm zu tragen? So schwer sei es gar nicht, weil einige Kleidungsstücke aus Alpaka-Wolle hergestellt sind, meint Cornelia Schnippa über diesen verarbeiteten Stoff, der durchaus auch von ihren eigenen Tieren hätte stammen können. Denn im wahren Leben ist Cornelia Schnippa nicht nur Stadtführerin, sondern auch Inhaberin der Firma „Lausitzleben“, in der sie mit ihren beiden Alpakas Mateo und Sam auch tiergestützte Therapien anbietet.

Und das heißt für die Unternehmerin an diesem Wochenende aber auch: Vormittags mit Gummistiefeln im Stall zu arbeiten und nachmittags quasi im fliegenden Wechsel in das vornehme Kostüm der Teschen zu schlüpfen. Und das wiederum führe innerhalb kürzester Zeit zu einem emotionalen Rollenspielwechsel, der sich innerhalb kürzester Zeit vollzieht. Denn das damalige Benehmen bei Hofe, bei dem es mit Fächersprache und reinen Gestiken immer unter Wahrung der Etikette zu kommunizieren galt, war zu Lebzeiten der Teschen natürlich anders als heute.

„Ja, es fühlt sich natürlich etwas anders, wenn ich als Reichsfürstin unterwegs bin. Wie ich mich zu verhalten habe, habe ich bei Weiterbildungen gelernt. Ich freue mich auch, dass ich die Teschen seit zwei Jahren bei Veranstaltungen darstelle, weil sie wirklich viel für das Volk und das damalige Ackerbürgerstädtchen Hoyerswerda getan hat und nicht nur feine Madame spielte“, erläutert Cornelia Schnippa und weiß, dass die Teschen zur damaligen Zeit gerade in Bezug auf Frauen so einige Benimm-Regeln brach. So holte sich August der Starke von seiner Geliebten oft Rat bei Fragen zum polnischen Adel.

Die Aufmerksamkeit der Besucher ist Cornelia Schnippa bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes aber gewiss. Weder die Frisur mit den gedrehten Korkenzieherlocken, noch ihr rot-geschminkter Mund oder der Dreispitz mit Federschmuck haben in den letzten Stunden gelitten. Sie sieht perfekt aus. Und dennoch wäre am Samstagabend fast ein kleines Malheur passiert. Steht doch die Kutsche für die hochwohlgeborene Reichsfürstin und ihr Gefolge bis zu ihrem Einsatz gleich neben einer Verkaufsbude. Freilich noch ohne angespannte Pferde.

Aber dann wäre es dennoch fast passiert: Eine junge Frau nutzt die Sitzbank der Kutsche als Abstellfläche für ihren gefüllten Becher mit dampfendem Glühwein. Es war nur eine Sekunde der Unaufmerksamkeit und der Becher wäre fast samt Inhalt umgefallen. „Puh das ist gerade noch mal gut gegangen „, meint die Besucherin erleichtert. Cornelia Schnippa reagiert wie es die Reichsfürstin in diesem Fall vielleicht auch getan hätte: „Ach das wäre jetzt nicht so schlimm gewesen, wenn ich mich auf den nassen Fleck gesetzt hätte. Ich trage ja passend zum Glühwein auch ein rotes Kleid“, meint die 46-Jährige lachend, hält ihren großen Reifrock etwas in die Höhe und flaniert mit ihrem Gefolge über den Weihnachtsmarkt. Mit abgespreiztem kleinen Finger, spitz geformten Mund und ständig im Gespräch mit dem ganz normalen Volk.



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