Prophet Bruno


von Tageblatt-Redaktion

Dieses Bild verbreitet der weltweit tätige Bruno-Gröning-Freundeskreis auf seiner Webseite. Nach den dort zu findenden Angaben zeigt es den angeblichen Geistheiler vor einer Menschenmenge in Herford.
Dieses Bild verbreitet der weltweit tätige Bruno-Gröning-Freundeskreis auf seiner Webseite. Nach den dort zu findenden Angaben zeigt es den angeblichen Geistheiler vor einer Menschenmenge in Herford.

Von Mirko Kolodziej

Jemand, der allenfalls glaubt, dass ein wenig Sport nicht schaden kann, steht womöglich etwas verwirrt vor den Offerten religiöser und quasi-religiöser Gruppen, die über die letzten 25 Jahre auch in Hoyerswerda aktiv geworden sind. Mag es Agnostikern und Atheisten schon schwerfallen, die Unterschiede zwischen katholischem und evangelischem Christentum zu begreifen, sind sie vielleicht völlig aufgeschmissen, wenn es um den Glauben der Pfingstgemeindler im Charismatischen Zentrum im WK VI oder um jenen der Mitglieder des Apostelamtes Jesu in der Kreuzkirche am Jürgen-von-Woyski-Park geht.

Richtig knifflig wird es bei Fragen wie der, ob man sich besagten Gemeinschaften oder den Zeugen Jehovas, die ihren Königreichssaal am Grünewaldring betreiben, bedenken- und gefahrlos anschließen kann. Für den evangelischen Hoyerswerdaer Pfarrer Jörg Michel wird es fragwürdig, wenn Gruppen sich stark isolieren, womöglich gar halb im Geheimen agieren, sich nur „Eingeweihten“ öffnen. „Wenn das Denken eng wird und Gruppen letztlich mit ihrer Vorstellung definieren, was Gott und gottgefällig ist, ist das bedenklich“, erklärt Jörg Michel seine Ansicht und illustriert das mit einem Beispiel, das zeigen soll, dass es in der evangelischen Kirche besagten totalen Exklusivitäts-Anspruch nicht gibt: „Bei uns müssen etwa die Friedensbewegten und die Frommen einander aushalten und können sich somit auch gegenseitig inspirieren.“

Michel war zehn Jahre lang Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche und betreut bis heute ein sogenanntes Sektenarchiv. Im Martin-Luther-King-Haus im Stadtzentrum kann man Unterlagen zu diversen Religionsgruppen einsehen. Momentan beschäftigt Michel wieder einmal eine Gruppe namens Bruno-Gröning-Freundeskreis. Er hatte sich vor einigen Jahren schon einmal für sie interessiert, als sie erstmals einen Film über den angeblichen Wunderheiler Bruno Gröning (1906 bis 1959) zeigte. Der Streifen lief auf Initiative der Gruppe mittlerweile in der Lausitzhalle, im Congress-Hotel oder im Lausitzer Technologie-Zentrum. Das Credo des im Handbuch „Religiöse Gemeinschaften“ der evangelischen Kirche unter „Neuoffenbarer, Neuoffenbarungsbewegungen und Neureligionen“ eingeordneten Freundeskreises lautet: „Bruno Gröning hilft der leidenden Menschheit“. Vereinfacht ausgedrückt: Mit dem richtigen Glauben sind alle Krankheiten heilbar – ohne Arzt.

„Die Auffassung des Freundeskreises, dass Krankheit und ausbleibende Heilung ursächlich dem Zweifel der Kranken selbst oder ihres Umfeldes schuldhaft angelastet werden, führt in der Regel zu hohem psychischen Druck bei den Kranken und zur tiefgreifenden Störung der Beziehungen in ihrem Umfeld“, heißt es in besagtem Handbuch. Pfarrer Michel fragt sich, ob damit womöglich ein Suizid zu tun haben könnte, von dem man ihm unlängst berichtete. Der Betreffende war Mitglied des Bruno-Gröning-Freundeskreises, der sich regelmäßig im Fließhof zusammenfindet. Angemeldet ist er beim Nachbarschaftshilfeverein, der dort Räumlichkeiten an diverse gesellschaftliche Gruppen vermietet, mit seinem Zusatz-Namen „Geistige Lebenshilfe“.

Jörg Michel hat keinen Zweifel daran, dass die menschliche Psyche in Sachen Gesund- oder Krankheit schon einiges bewegen kann: „Aber für den Rest brauche ich vielleicht doch andere Betreuung.“ Aus der Bibel, sagt der Pfarrer, lasse sich eine Heilungs-Garantie durch Glauben jedenfalls nicht ableiten. Sie erzähle lediglich, wie Jesus einige, aber nicht alle Menschen geheilt hat – als Hinweis auf seine Vollmacht. Krankheit und Leid an sich aber seien Situationen, aus denen man tiefe Erkenntnisse ziehen könne. Die Lehre des Bruno-Gröning-Freundeskreises hält Pfarrer Michel daher für einen Irrweg. Die evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen formuliert sogar drastischer. Sie findet, der Freundeskreis vertrete weniger ein religiöses als ein okkult-magisches Weltbild.



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