Postkarten, die mehr als Bilder bieten – Texte aus 130 Jahren

Kaum leserlich ist die mit violettem Kopierstift hingekritzelte Sütterlinschrift unter dem Datum 12.10.07 (also 1907!), mittels derer der Schreiber aus Senftenberg meldet: „ ... Übrigens ist hier die ganze Gegend ziemlich aufgeregt. In voriger Woche war eine große Zusammenrottung auf dem hiesigen Marktplatze. Ein Arbeitswilliger sogar ermordet. 50 Wachtmeister und 30 Schutzleute aus Berlin sorgen für Ordnung. Man kommt eben aus der Aufregung gar nicht raus.“
Das sind genau die Geschichten, die vielleicht nicht unbedingt das Herz des auf Ästhetik und Motiv bedachten Postkartensammlers höher schlagen lassen, aber derzeit die Herzen von Kathleen Hofmann und Nicole Opitz schon. Die beiden kuratieren die Ausstellung „Grüße aus Werminghoff“, die am Freitag in der Energiefabrik Knappenrode eröffnet wird.
Rund 80 Ansichtskarten aus den Sammlungen des Hoyerswerdaers Rudi Berger und des Groß Särcheners Uwe Donath werden gezeigt. Das älteste Exemplar datiert von 1872, das jüngste von 2002. Obwohl die Schau „Grüße aus Werminghoff“ heißt, wurden beileibe nicht nur Ansichten aus Knappenrode, vormals Werminghoff, ausgewählt, sondern welche aus dem gesamten Lausitzer Revier; auch aus Orten, deren Bergbaugeschichte längst zu Ende ist.
Verabredung und Feldpost
Ja, selbst das Motiv der Vorderseite war nicht in jedem Fall das Entscheidende. Sondern die Mitteilungen, die mit diesen Karten auf weite oder manchmal ganz kurze Reise gingen, haben das besondere Interesse der Kuratorinnen geweckt. Manche Karten (die Zustellung muss sehr pünktlich gewesen sein!) waren Verabredungen – für ein abendliches Tanzvergnügen beispielsweise. Andere gaben Auskunft aus bewegten Zeiten, so wie ein Poststück vom 7. August 1920, das von einem gescheiterten Streik im Kraftwerk Hirschfelde erzählt: Die Aufständischen sollten die Waffen niederlegen, ihren Monatslohn einbüßen – und von ihren Forderungen wurde nichts bewilligt. Der eingangs zitierte Text, der zur Rückseite der hier oben gezeigten Karte mit dem Siegel gehört, zählt ebenfalls in diese Kategorie.
Sogar Feldpostkarten (eine Feldpost gibt es übrigens seit 1982 auch bei der Bundeswehr wieder) werden bei der Schau nicht fehlen.
Doch das Gros der Karten schildert den zivilen Alltag – etwa Kohlen-Bestellungen oder eine dringende Mahnung des „Eintracht“-Kaufhauses hierorts anno 1900 an den Cottbuser Lieferanten, jener möge doch endlich die (Kau-) Tabakrollen liefern, die von den Bergleuten heftig nachgefragt wurden.
„Grüße aus Werminghoff“ – Ausstellung von etwa 80 Postkarten der Jahre 1872 bis 2002// Energiefabrik (vormals Bergbaumuseum) Knappenrode, Ernst-Thälmann-Straße 8// Eröffnung im Informationszentrum am jetzigen Freitag, dem 10. September (15 Uhr)// gezeigt wird die Schau vorerst bis Jahresende 2010
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