Oberbürgermeister unter Beschuss


von Tageblatt-Redaktion

Beschwörend die Hände heben musste Oberbürgermeister Stefan Skora gestern im WK IX so manches Mal.
Beschwörend die Hände heben musste Oberbürgermeister Stefan Skora gestern im WK IX so manches Mal.

Stefan Skora hatte geahnt, was ihn erwartet, als er zur Bürgersprechstunde dorthin einlud, wo Hoyerswerda vermutlich am ungemütlichsten ist – und das schon seit Jahren. Im OB-Wahlkampf 2006 etwa war das TAGEBLATT mit ihm an der früheren „Kühnichter Heide“, und der damalige Baubürgermeister befand schon damals, das Gelände sei „hässlich“. Kaum war der frisch für eine zweite Amtszeit vereidigte Oberbürgermeister also gestern eingetroffen, schon stürmte ein älterer Herr auf ihn ein.

Der Mann war geladen. „Heute sind Sie fällig. Ich will klare Aussagen mit Daten“, schäumte er. Das Rathaus möge endlich Ordnung schaffen! Eine Dame berichtete etwas konzilianter im Ton, sie schäme sich, Besuch zu sich in den WK IX einzuladen. Klar: Die frühere Kaufhalle ist geschlossen und bemalt, die einstige Passage schon lange vernagelt, und im noch in Betrieb befindlichen Einkaufszentrum harren gerade einmal ein Friseur, ein Bäcker und ein Getränkemarkt aus. Die Gehwege bröseln, das Unkraut wächst, und Graffiti-Unkunst macht das Ganze nicht besser.

Was also tun? Skora bemühte sich wieder einmal, Eigentumsverhältnisse zu erklären: Die Gebäude sind sämtlich in Privateigentum. In solchen Fällen schreibt das Rathaus regelmäßig an die Eigentümer. Ob die dann reagieren, ist ungewiss. Zwangsmaßnahmen sind aber nur gerechtfertigt, wenn Gefahr für Leib und Leben in Verzug ist. Ein beleidigtes Auge reicht nicht.

Um die städtischen Flächen, etwa zur Herrmannstraße hin oder zwischen den Handels-Gebäuden, will sich die Stadt aber doch kümmern. Jedenfalls hat Skoras Büroleiter Olaf Dominick entsprechende Arbeitsaufträge für die Zuständigen notiert. Das betrifft auch die Optik der Treppe zur Kita „Pusteblume“ hin.

Und dann ist da ja noch Ronald Will. Der Hoyerswerdaer Immobilienmakler hat das hintere der drei Gebäude jüngst gekauft und will hier Wohnungen einbauen lassen. Er bemüht sich auch um die derzeit noch städtischen Flächen. Ob er im WK IX, das eigentlich Abriss-Gebiet ist, wird bauen dürfen, hat in drei Wochen der Stadtrat zu entscheiden.

Immerhin: Die Nachbarschaft ist, wenn auch in ein bis zwei Jahren an der Scharnhorststraße der Abriss-Bagger erwartet wird, ja noch längere Zeit bewohnt. Die Sanierungen an Geyer- und Schillstraße machten bekanntlich eine Art Bestandsschutz nötig. Die Leute, die etwa im Schill-Hochhaus leben, sind dort auch zufrieden. „Ich wohne jetzt zwölf Jahre hier, es sieht immer noch so aus, als wäre es gerade saniert worden“, lobte gestern der erwähnte Wutbürger seinen Vermieter, die LebensRäume-Genossenschaft.

Er war damit nicht allein. „Wir wohnen gern hier“, assistierte eine Frau. Der benachbarte Hochzeitspark, ebenfalls im Eigentum der Genossenschaft, werde schließlich auch regelmäßig gepflegt. Aber eben der einstige Nahversorger! Von dem kann man das wahrlich nicht behaupten. Eine andere Anwohnerin berichtete, im Innenhof der früheren „Kühnichter Heide“ träfen sich abends immer ziemlich viele junge Leute. Man sieht es nicht nur den Wänden an. Mittlerweile, so die Frau, höre man das auch. Denn seit einigen Tagen sind – nicht nur hier – wieder einmal Silvester-Böller im verfrühten Einsatz. „Ich als Frau gehe abends hier nicht allein entlang“, erfuhr der Oberbürgermeister.

Skora schien am Schluss aber das Kunststück fertiggebracht zu haben, die Besucher seines Rundganges etwas zu besänftigen. „Wir sind zwar Hoyerswerda-Ausbau, halten aber hier aus“, meinte eine Frau. Sogar von Zuversicht war die Rede. Und der Mann, der anfänglich so wütend war, mahnte ganz sachlich, man möge den WK-IX-Bewohnern bitte das Gefühl nehmen, sie seien vergessen. Dann schüttelte er Skora zum Abschied gar die Hand.



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