Müssen Fluss-Anlieger bald zahlen?


von Tageblatt-Redaktion

Ein Bagger wurde vor anderthalb Jahren bei der Freimachung des Grenzteichgrabens südöstlich von Lohsa eingesetzt. Die LMBV will den Graben demnächst neu profilieren. Doch wer bezahlt den dauerhaften Unterhalt?
Ein Bagger wurde vor anderthalb Jahren bei der Freimachung des Grenzteichgrabens südöstlich von Lohsa eingesetzt. Die LMBV will den Graben demnächst neu profilieren. Doch wer bezahlt den dauerhaften Unterhalt?

Gewässerpflege ist ein kompliziertes Geschäft. Welche Maßnahmen sind im Sinne des Naturschutzes? Welche behindern ihn? Was schafft eine kleine Gemeinde mit ihren technischen Mitteln? Wo muss Hilfe her? Solche Fragen wurden nach dem Hochwassersommer 2010 im Landkreis verstärkt diskutiert – im Rödertal und im Oberland, im Heidebogen und im Heide- und Teichland. Noch wird die Flusspflege komplett aus Landesmitteln oder den Haushalten der Städte und Gemeinden bezahlt. Doch schon bald könnten auch die Anlieger zur Kasse gebeten werden. Der Gesetzesentwurf ist auf dem Weg und ermöglicht den gemeinden, Anliegerbeiträge zu erheben, in etwa so wie bei einer Straßenausbaubeitragssatzung. Die SZ erklärt, worum es geht.

Was muss an den Flüssen getan werden – und warum?
Flussbett und Ufer müssen regelmäßig überprüft und freigehalten werden. Dazu gehört zum Beispiel, Schlingpflanzen und Steine aus dem Fluss zu holen. Das hat einen Grund. „Die Gewässerunterhaltung ist die erste Maßnahme im Hochwasserschutz“, so Georg Richter, Leiter des Umweltamtes im Landratsamt Bautzen. „Ein Gewässer in schlechtem Zustand kann ein Hochwasser verstärken.“ Und in schlechtem Zustand sind viele Flüsse und Gräben.

Warum ist bei der Flusspflege so wenig passiert?
Da muss differenziert werden. Der Freistaat, der auch für die Pflege einiger Flüsse in der Region zuständig ist, hat Geld für die Flusspflege bereitgestellt. Das gilt aber nur für Gewässer erster Ordnung wie Schwarze Elster und Hoyerswerdaer Schwarzwasser. Die Gemeinden haben das nicht oder nur wenig getan, sagt Georg Richter vom Landkreis. „Sie brauchten das Geld für anderes.“ Aber die Bürgermeister sehen Handlungsbedarf. „Die Gewässerpflege ist zu kurz gekommen“, sagt zum Beispiel der Malschwitzer Matthias Seidel. In anderen Gemeinden hat man inzwischen versucht, Versäumtes aufzuholen und künftigen Hochwassern vorzubeugen. Die Gemeinde Schwepnitz etwa investierte zuletzt kräftig in den Gewässerschutz. Hier hatte das September-Hochwasser von 2010 besonders gewütet. Seit dem Sommer ist Schwepnitz Mitglied im Landschaftspflegeverband „Oberlausitzer Berg- und Teichlandschaft“. „Wir haben gemerkt, dass es für uns schwierig ist, alle technischen und Naturschutzfragen fachmännisch im Blick zu haben. Über den Verband erhalten wir kompetente Beratung“, sagte die Schwepnitzer Bürgermeisterin Elke Röthig zur Begründung. Der Verband hilft nun auch bei der Erstellung einer Prioritätenliste beim vorbeugenden Hochwasserschutz.

Wie viel sollen die Anlieger nun für die Flusspflege zahlen?
Wie viel der Einzelne – eventuell – zahlen soll, ist schwer zu berechnen. Denn der Beitrag richtet sich nicht unbedingt nach der Größe des Grundstücks, sondern nach dem Vorteil, den der Anlieger aus dem Fluss oder dem Bach zieht. Dieser Vorteil kann zum Beispiel für Inhaber von Wasserbenutzungsrechten höher sein als für den Eigentümer des Hauses oder Gartens, der am Wasser liegt. Das Umweltamt kritisiert das. „Die Gemeinden haben damit ein riesengroßes Problem. Denn sie müssen diesen Vorteil genau beschreiben“, sagt Georg Richter. Solch ein Verfahren brauche Vorlauf, gutachterliche Stellungnahmen. Insgesamt sollen die Anlieger aber nicht mehr als die Hälfte der fälligen Kosten tragen. Die anderen 50 Prozent muss die Gemeinde übernehmen. Problematisch dürfte das ohnehin bei Entwässerungsgräben werden, die Grund- und Oberflächenwasser wasser nicht nur von den Bachanliegern, sondern vom ganzen Dorf fernhalten.

Warum dürfen die Gemeinden die Anlieger beteiligen?
Das neue sächsische Wassergesetz soll das regeln. Es wird gerade diskutiert, im Frühjahr soll es beschlossen werden und im Herbst 2013 in Kraft treten. Noch kann also darüber diskutiert werden. Die Möglichkeit, dass Anlieger an den Kosten beteiligt werden, gab es aber auch schon früher. Das alte sächsische Wassergesetz regelt das.
Allerdings mussten die Gemeinden dafür Satzungen beschließen. Darauf haben sie meist verzichtet. So auch die Kommunen im Altkreis Hoyerswerda. Die Rechtsgrundlage war einfach nicht eindeutig, ist aus Lohsa zu erfahren.

Welche Gemeinden wollen die Anlieger zur Kasse bitten?
Die Diskussion hat zwar gerade erst begonnen. Einige Gemeinden haben sich aber bereits positioniert. So will Bautzen die Anlieger nicht an den Kosten der Flusspflege beteiligen. Auch in Schwepnitz hat man derzeit nicht vor, die Anlieger zur Kasse zu bitten, so die Bürgermeisterin. Gleiches gilt für Pulsnitz. Die meisten Kommunen im Landkreis warten ab. Dazu gehört auch Hoyerswerda. „Wir werden uns damit befassen, wenn das Gesetz verabschiedet ist“, sagt Rathaussprecher Bernd Wiemer. Der Bernsdorfer Bürgermeister Harry Habel (Freie Wähler) weiß, dass eine Umlage durchaus möglich sei. Er habe aber erst mal nicht vor, sich damit zu befassen, wie Bürger in die Pflicht genommen werden können. Größere Flächeneigentümer wie Landwirtschaftsbetriebe sollten da eher mit einer Umlage ins Boot geholt werden. Aber auch das steht im Moment nicht zur Debatte. „Für uns ist erst mal interessant, was der Freistaat gibt.“ Dem Lautaer Bürgermeister Hellfried Ruhland (Freie Wähler) ist die Brandenburger Verfahrensweise sympathisch. Dort sei es so, dass die Übertragung der hoheitlichen Aufgabe der Gewässerunterhaltung auf Verbände klar geregelt ist und jeder Grundstückseigentümer eine Umlage zu zahlen hat, egal ob er an einem Gewässer wohnt. Aktuell ist es in Lauta so, dass die Stadt mit der Beauftragung des Gewässerverbandes Kleine Elster/Pulsnitz eine Umlage zahlt – an den Dienstleister. Malschwitz und Weißenberg denken hingegen ernsthaft über die Möglichkeit nach, ihre Bürger zu beteiligen. „Sobald das gesetzlich geregelt ist, werden wir es wohl so machen müssen“, sagt Weißenbergs Bürgermeister Michael Staude.

Welche Alternativen zur Finanzierung gäbe es?
Das neue Gesetz empfiehlt die Gründung von Zweckverbänden. Auf diese Weise können sich alle Gemeinden entlang eines Flusses die Arbeit teilen. In einigen Regionen Sachsens wird darüber bereits nachgedacht. Richtig ausprobiert habe dieses Prinzip bislang aber nur die Stadt Torgau, gibt Amtsleiter Georg Richter zu bedenken.
Er schlägt vor, den Gesetzesentwurf selbst noch mal zu verändern. So sollen sich nicht nur Anlieger, sondern alle Besitzer von versiegelten Flächen sowie von Feldern, Wiesen und Wäldern beteiligen. Das wäre aus seiner Sicht gerechter – und leichter. Lohsas Bauamtschef kennt Zweckverbands-Modelle aus Niedersachsen. Er verweist aber auch auf den altbekannten Satz: „Eigentum verpflichtet“. Einige Waldbesitzer halten Entwässerungsgräben schon selbst in Schuss, auf freiem Feld kommt bislang die gemeinde ins Spiel.

Was geben hiesige Kommunen für Gewässerunterhaltung aus?
Die Stadt Lauta hat in diesem Jahr 60 000 Euro eingeplant, doppelt so viel wie in den zurückliegenden Jahren. Das resultiert einerseits aus einem gewissen Nachholbedarf an Arbeiten, andererseits aus der Beauftragung des Gewässerverbandes Kleine Elster/Pulsnitz mit der Gewässerunterhaltung. Auf rund 10 000 Euro wird in Bernsdorf das diesjährige Budget beziffert, mit dem rund 25 Kilometer Gewässer in Schuss gehalten werden sollen. Die Summe ist vergleichsweise gering, da nur ein Teil der Arbeiten an Firmen vergeben wird. Vieles wird vom städtischen Bauhof erledigt, manches auch von Agrarbetrieben, deren Flächen betroffen sind. (SZ)

Nicht alle Flüsse trifft’s
Die neue Regelung soll nur für bestimmte Flüsse und Bäche gelten, die sogenannten Gewässer zweiter Ordnung. Die Pflege von Gewässern erster Ordnung übernimmt weiter der Freistaat.
Anlieger dieser Flüsse müssen sich deshalb keine Sorgen machen: Schwarze Elster (samt Fließ durch die Altstadt), Hoyerswerdaer Schwarzwasser, Kleine Spree, Spree.



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