Mit Jeans und Pullover hinter dem Richtertisch


von Tageblatt-Redaktion

Uwe Vogel muss als ehrenamtlicher Richter auch fit am Computer sein. Zu Hause bereitet sich der Senior auf die jeweilige Verhandlung vor.
Uwe Vogel muss als ehrenamtlicher Richter auch fit am Computer sein. Zu Hause bereitet sich der Senior auf die jeweilige Verhandlung vor.

Von Silke Richter

Eine schwarze Juristenrobe wird man im Schrank bei Uwe Vogel vergeblich suchen. Stattdessen taucht der Hoyerswerdaer leger mit Jeans, Hemd oder Pullover bekleidet mehrmals im Jahr in einem Gerichtssaal auf. Sein Platz ist dabei allerdings nicht in den Zuschauerreihen. Denn der 60-Jährige darf die Bezeichnung „Richter“ tragen. Im Ehrenamt. Und das nun schon seit mehr als zwanzig Jahren.

Am 10. Februar 1993 begann für Uwe Vogel die erste Amtszeit beim Sächsischen Landessozialgericht. Was ihn damals genau erwarten würde und dass seine Amtsperioden mehr als zwei Jahrzehnte andauern würden, konnte der Hoyerswerdaer damals freilich nicht ahnen. Denn so richtig überzeugt war Uwe Vogel von seinem Ehrenamt anfangs nicht.

Die Mitglieder des Vorstandes des Landesverbandes des Sozialverbands VdK Sachsen mit Sitz in Chemnitz, die Uwe Vogel für dieses Amt damals vorgeschlagen hatten, wussten jedoch genau, was sie taten. Denn Uwe Vogel war schon damals als Experte in Rechtsfragen bekannt. Wohl auch deshalb, weil der Hoyerswerdaer selbst einen Schwerbehindertenausweis besitzt und aus eigenen Erfahrungen sprechen kann, wenn es darum geht, bürokratische Hürden auf Amtswegen zu bewältigen, um zu seinem Recht zu kommen. Beste Voraussetzungen also, um sich auch für die Belange anderer Menschen mit Behinderung(en) vor Gericht einzusetzen.

Dennoch: Der Hoyerswerdaer brauchte Bedenkzeit. „Ich ließ mich damals für dieses Amt eher breitschlagen, als dass ich sofort zugesagt hätte“, erinnert sich der ehrenamtliche Richter. Heute möchte Uwe Vogel keine Gerichtsverhandlung, an der er mitgewirkt hat, missen. „Es war eine sehr wertvolle und schöne Zeit für mich. Ich habe viel dazugelernt. Ich würde mir aber wünschen, dass dieses Ehrenamt auf politischer Ebene mehr gewürdigt wird. Am schönsten sind immer jene Momente, wenn ich Menschen mit Behinderungen zu ihrem Recht verhelfen kann und sich der mühselige Kampf auch gelohnt hat“, sagt Uwe Vogel. Und das ist dem Hoyerswerdaer auch schon mehrfach gelungen.

Nicht selten bedarf es anfangs bei den Betroffenen aber auch seiner Überzeugungskünste und geduldigen Worte. Scheuen sich doch viele Menschen davor, den Weg zum Sozialgericht mit seinen vielen Instanzen, die mit großem zeitlichem Aufwand und zusätzlichen Wegen verbunden sind, zu beschreiten. Zumal es keine Garantie für einen Erfolg gibt, wie Uwe Vogel betont. „Viele Menschen geben nach dem ersten nicht bewilligten Bescheid von beantragten Sozialleistungen auf. Aber wenn nur ein Funke von Erfolg in Aussicht ist, sollte man für sein Recht auch kämpfen“, findet Uwe Vogel.

Zu den Streitpunkten mit den jeweiligen Sozialversicherungsträgern, die vor Gericht landen, zählen vor allem Sachverhalte wie die Ablehnung von Pflegestufen, die Entschädigung für Kriegsopfer und Vertriebene, die Anerkennung von Impfschäden, die Feststellung des jeweiligen Behinderungsgrades, Wehrdienstopfer sowie unbewilligte Hilfs- und Pflegemaßnahmen. Drei hauptamtliche Richter sowie zwei Richter im Ehrenamt entscheiden bei den Verhandlungen vor dem Landesozialgericht im Namen des Volkes.

Vor ein paar Monaten musste Uwe Vogel wieder ein Urteil fällen. Aber eines, das ganz ohne Richterhammer auskommen musste und nur ihn selbst betraf: Möchte er das Amt des ehrenamtlichen Richters weiterführen oder aufhören? Nach reiflichen Überlegungen traf der 60-Jährige dann den Entschluss, sein Ehrenamt niederzulegen – aus Altersgründen.
Doch diese Rechnung hatte der Senior ohne den hauptamtlichen Richter gemacht, der Uwe Vogel nach seiner vermeintlich letzten Verhandlung fragte, ob er nicht doch weitermachen wolle, weil man auf seinen Expertenrat und seine Erfahrung nur ungern verzichten möchte. Lange überlegen musste der Hoyerswerdaer dieses Mal nicht. Und so fuhr er mit seiner nunmehr sechsten Berufungsurkunde im Gepäck wieder nach Hause. Der Senior freut sich auf die nächsten fünf Jahre, in denen er als ehrenamtlicher Richter Bürgern dabei hilft, zu ihrem Recht zu gelangen. In Jeans und Pullover. Im Namen des Volkes.



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