Mit der Zeitung durch die Nacht


von Tageblatt-Redaktion

Jens Richter aus Hoyerswerda fährt Taxi und ist in der Nacht einer jener Fahrer, die die Zeitungen zu den Zustellern bringen.
Jens Richter aus Hoyerswerda fährt Taxi und ist in der Nacht einer jener Fahrer, die die Zeitungen zu den Zustellern bringen.

Nachts kann das Leben gefahrvoller sein als am Tag. Die Fahrer des Medienvertriebes haben das schon oft genug erlebt, wenn sie frühmorgens die Zeitungen zu den Zustellern bringen. In dieser winterlichen Nacht ist es glatt, liegt auf den Straßen rund um Hoyerswerda eine dünne Schneedecke. Und obendrein herrscht auch noch Bambi-Alarm.

Der, der das erzählt, steht am frühen Freitagmorgen mit Jens Richter auf dem Hof des Einsteinhauses. Vor einem garagenähnlichen Gelände sind einige Transporter geparkt. Zigarettenqualm schraubt sich in kleinen Rauchsäulen hinauf in den Nachthimmel.

Auch der 44-jährige Jens Richter hat sich eine Zigarette angesteckt. Es ist kalt. Die Temperaturen sind in diesen Tagen in den Keller gefallen. Minusgrade. Winterzeit. Für Menschen wie Jens Richter heißt das in dieser Nacht auch, wieder einmal auf alle Widrigkeiten vorbereitet zu sein. Denn der Hoyerswerdaer, der beim Fuhrunternehmen Klitzing beschäftigt ist, befördert mit seinem Transporter Zeitungen zu den Zustellern im Hoyerswerdaer Stadtgebiet.

Von halb zwei bis fünf Uhr bedeutet das für ihn warten, sortieren, einpacken, um rund 2 000 Zeitungen auf seiner Tour durch Hoyerswerda an Ablagestellen abzugeben. 17 Abladepunkte, die sich zumeist in den Fluren von Wohnhäusern befinden. 17 Abladestellen für 21 Zusteller. Jens Richter, ein gelernter Schlosser, der schon seit vielen Jahren als Taxifahrer arbeitet, macht diese Arbeit seit einem halben Jahr. Eine seiner bemerkenswertesten Erfahrungen: „Ich habe nach einer Woche alle Zusteller auf meiner Tour kennengelernt“, meint er. Der ironische Tonfall in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Da waren die Zeitungen aus den Druckhäusern in Dresden und Cottbus verspätet angekommen, standen an den Ablagestellen schon die Zusteller, aufgeregt und hektisch.

Das war im Sommer. Jetzt im Winter könnten sich solche Begegnungen im ungünstigsten Falle häufen. Eine Erfahrung, die auch andere Fahrer in dieser Jahreszeit schon einmal gemacht haben. Auf sieben Touren (fünf Umland-, zwei Stadttouren) werden an jedem Wochentag die Zeitungen in Hoyerswerda und im Umland zu den Zustellern gebracht.

Zu dieser frühen Morgenstunde heißt es warten. Auf die Transporter aus Cottbus und Dresden. In diesen Nächten, in denen die Fahrer unterwegs sind, soll, man kann es kaum glauben, auf und an der Straße eine Menge los sein. „Ich habe heute an der Bundesstraße wieder ’ne Menge Bambis rumstehen sehen“, meint einer. Rehwild. In dem Nebel müsse man auf die höllisch aufpassen, findet ein anderer. Gerade bei den Wetterverhältnissen.

Gelegentlich wirft mal einer einen Blick auf die Uhr. Auch Jens Richter hat auf seinen nächtlichen Touren durch die Stadt schon einiges an Getier gesehen. Rehe, Füchse, Wildschweine. Auch Waschbären machen sich immer mehr im Stadtgebiet breit. Einer der Fahrer berichtet, dass einer seiner Bekannten gar einmal von einem gebissen wurde.
Der Freitag ist nach Auskunft von Elfriede Wengler, der Leiterin des Nachtumschlages des Medienvertriebes, meist ein „ruhiger Tag“. Aber jetzt im Winter kann sich das schnell ändern. Schneeverwehungen, Glatteis.

Aber es ist ein Tag, an dem ein Medienvertriebs-Mitarbeiter wie Jens Richter nicht so viele Zeitungen in seinen Wagen packen muss. Gegen 2.35 Uhr trifft der Wagen aus Cottbus mit der Lausitzer Rundschau ein. Wenig später kommt das Fahrzeug aus Dresden mit der Sächsischen Zeitung. Nun raucht niemand mehr. Kiloschwere Zeitungsrollen werden auf Rollenwagen gelegt, zu den anderen Fahrzeugen geschoben. Jens Richter ordnet in seinem Fahrzeug die Zeitungen, hier ein Stapel, dort einer. Die am Eingang liegen, sind die, die an den ersten Ablagestellen herausgeholt werden. In dem garagenähnlichen Raum hängen an der Wand Listen, die Namen der Zusteller, die Zahl der Zeitungen, die sie erhalten.

Es werden auch andere Zeitungen ausgeliefert, Handwerkerzeitung, Morgenpost, Handelsblatt oder Süddeutsche Zeitung.

Beim Zählen der Zeitungsexemplare, beim Vergleichen der Lieferlisten, sollte man jetzt keinen der Fahrer stören. Um drei Uhr verlassen die ersten Fahrzeuge den Hof. Auch Jens Richter hat seinen Wagen beladen, die Zeitungen, die zuerst rausmüssen, liegen gleich neben der Schiebetür. Es geht zur Bonhoefferstraße 1, von dort zum Lausitzer Platz, weiter in die Albert-Schweitzer-Straße. Die Straßen sind geräumt, dennoch fährt der 44-Jährige vorsichtig. Zu dieser Zeit ist Jens Richter mit seinem Auto alleine auf den Straßen.

Erlebt man in solchen Nächten auch etwas? Jens Richter muss schmunzeln. Er sei einmal von der Polizei angehalten worden. „Ich musste doch tatsächlich ins Röhrchen blasen.“ In der Nacht darauf wurde er wieder angehalten. „Und ich dachte, ich sehe nicht richtig: Es war der Polizist vom Vortage.“

Es geht zur Bautzener Allee. In einem der Häuser wartet schon ein älterer Mann auf Jens Richter. Er ist schon zeitig auf, um die für ihn bestimmten Zeitungen in Empfang zu nehmen.

Es gebe manche Häuser, die könne er mit geschlossenen Augen betreten, „die erkenne ich am Geruch“. In einem sind Reinigungsmittel sehr intensiv zu riechen. In der Zusestraße regt sich Richter über ein Auto auf. Der Wagen wurde so geparkt, dass er Mühe hat, vorbeizukommen. „Für Rettungswagen oder Feuerwehr ist hier Schluss, da geht es nicht mehr weiter“, meint er. Die nächsten Stopps liegen in der Zille-, Breitscheid-, Schul- und Grimmstraße. Im Wagen liegen nur noch wenige Zeitungsrollen. Am Bahnhofsvorplatz werden die letzten abgelegt. Es ist jetzt halb fünf.

Jens Richter freut sich auf den Feierabend-Kaffee. Und dann? „Ein paar Stunden Schlaf reichen mir“, dann sei er wieder mit dem Taxi unterwegs.

Ende: Dies ist der letzte Beitrag unserer achtteiligen Serie. Der erste erschien am 3. November.



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