Meine Augen ... das brennt sooo


von Tageblatt-Redaktion

Das ist einer der beiden im Gesicht „verätzten“ Mitarbeiter von Maurer Söhne, die bei der Katastrophenschutzübung in ihrer Firma eine reife schauspielerische Leistung zeigten.
Das ist einer der beiden im Gesicht „verätzten“ Mitarbeiter von Maurer Söhne, die bei der Katastrophenschutzübung in ihrer Firma eine reife schauspielerische Leistung zeigten.

Von Ralf Grunert

Holt den Kalle, der atmet nicht mehr“, schreit der junge Mann. Zwei Feuerwehrleute haben ihn untergehakt, schleppen ihn schnell weg von Kalle, raus aus der Gefahrenzone. Kalle liegt auf dem Betriebshof, rührt sich nicht mehr. Ein paar Meter entfernt brüllt ein Verletzter vor Schmerzen. „Meine Augen ... das brennt sooo“. Sein Gesicht ist verätzt, auch das eines weiteren Kollegen. Es geht um Leben und Tod.

Eine Viertelstunde zuvor erfreuten sich alle noch bester Gesundheit. Sie waren gerade damit beschäftigt, einen Lieferwagen zu entladen, als sie von einem Feuerwehreinsatz abgelenkt wurden. Auf einem anderen Teil des Firmengeländes von Maurer Söhne war ein Brand in einem Kellergewölbe ausgebrochen. Zwei Personen befanden sich dort in Lebensgefahr. Feuerwehrleute aus Bernsdorf und der Umgebung rücken mit einem Großaufgebot an, nachdem Werksleiter Uwe Haas den Notruf gewählt und die Sirene in der Stadt unüberhörbar geheult hat.

Bis die ersten Einsatzfahrzeuge das Betriebstor passieren, dauert es keine zehn Minuten. Neben allen Bernsdorfer Ortsfeuerwehren wurde auch der Katastrophenschutz-Zug Retten 1 des Landkreises alarmiert. Dessen Kommandofahrzeug ist in Bernsdorf stationiert und traf zuerst ein. Vollständig war der Zug, dem die Feuerwehren Bernsdorf, Kamenz und Schwepnitz angehören, nach einer knappen halben Stunde. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden im Kellergewölbe von Qualm und Flammen eingeschlossenen Personen bereits ausfindig gemacht und in Sicherheit gebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt war es aber auch schon bei der erwähnten Entladeaktion des Lieferwagens zu einem folgenschweren Missgeschick gekommen.

Beim Versuch, das Fahrzeug aus dem Gefahrenbereich des Brandes zu entfernen, gerät die aus Säure-Behältern bestehende Ladung in Bewegung. Ein Kanister und ein mit dem Entladen beschäftigter Mitarbeiter stürzen zu Boden. Der mit Salpetersäure gefüllte Kanister platzt auf. Kalle bleibt in der Säure-Lache liegen. Zwei weiter Mitarbeiter, die ihm zu Hilfe kommen, erleiden schwere Verätzungen im Gesicht. Sie brüllen um Hilfe und werden auch recht schnell bei einem Erkundungsgang von den Einsatzkräften entdeckt.

Bis die Hilfsmaßnahmen eingeleitet sind, dauert es allerdings noch. Der Fahrer des Lieferwagens hat in der Zwischenzeit den regungslosen Kalle etwa 30 Meter weit über den Betriebshof geschleift, möglichst weit weg von der Säure-Unfallstelle. „Den hab’ ich bis hierher gezogen“, ruft er den Einsatzkräften zu, ehe die ihn unterhaken und zu einem Sammelpunkt außerhalb der unmittelbaren Gefahrenzone transportieren.

Dort liegt wenig später auch Kalle, der Dummy. Dort qualmt eine Zigarette. Einer der „Schwerverletzten“ nimmt einen tiefen Zug und grinst über das knallrot-geschminkte und von aufgeklebten Blasen übersäte Gesicht. Er ist einer der fünf Mitarbeiter von Maurer Söhne, die sich an diesem späten Nachmittag als „Opfer“ für die Katastrophenschutzübung zur Verfügung gestellt haben. Werksleiter Uwe Haas hat an diesem Tag extra den Feierabend im Metallverarbeitungsunternehmen verlagert. „Es ist die erste Übung dieser Größenordnung bei uns“, sagt er. Beide Seiten haben etwas davon, wenn sich die Feuerwehrleute auf diese Weise mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machen können.

Als „optimal gelaufen“ bezeichnet Einsatzleiter und Katastrophenschutz-Zugführer Uwe Weberbauer die Rettung der zwei „Opfer“ aus dem Keller. Tipps, wie sie nach einem Säure-Unfall noch schneller und effektiver vorgehen können, erhielten die Feuerwehrleute von Danny Lohse, Ausbilder der Landesfeuerwehrschule in Nardt. „Wir machen das, um Fehler zu erkennen und uns weiterzubilden“, beendete Uwe Weberbauer gut eine Stunde nach ihrem Beginn diese Katastrophenschutzübung.



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