Mehr Einzelhandel für weniger Einwohner? Stop!


von Tageblatt-Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

im Prinzip könnte ich mit der Einstellung herangehen „Nach mir die Sintflut“. Meine Zeit als Center-Manager neigt sich langsam dem Ende, eine neue engagierte und gewissenhafte Nachfolgerin haben wir in Madeleine Matschke-Wetzorke gefunden, werden sie in die Belange des Centers einarbeiten und mein Ruhestand ist damit nicht mehr fern. Eine Eröffnung der Neuen Kühnichter Heide werde ich in meinem aktiven Dasein als Center-Manager bis Februar nächsten Jahres nicht mehr erleben. ABER: Nach 20 Jahren als Kümmerer vor Ort sollte man sich so nicht verabschieden. Das Lausitz-Center ist beliebter Marktplatz und Treffpunkt für alle Generationen. 12.000 Besucher treffen hier Tag für Tag aufeinander. Das Lausitz-Center gehört einfach zur Hoyerswerdaer Innenstadt und hat deren Geschichte stark mit geprägt. Wie können wir da zulassen, dass dieser zentrale Treffpunkt ohne Not gefährdet wird? Somit sollten, all jene, die diese Auffassung teilen,

GEMEINSAM AKTIV WERDEN,

ihre Meinung mitteilen und die Zukunft der Stadt so gemeinsam formen. 27 Stellungnahmen von Einzelpersonen, Firmen und Behörden mit stichhaltigen Argumenten haben bereits dazu geführt, dass ein endgültiger Beschluss zu dem einstigen Vorhaben mit 5.600 Quadratmetern Einzelhandelsfläche an der „Neuen Kühnichter Heide“ nicht möglich war. Argumente und Einwendungen werden nun neu gewichtet und gutachterlich untersucht. Bleiben Sie dran, formen Sie Ihre Stadt aktiv mit.

Ihr Dieter Henke, Center-Manager des Lausitz-Centers

 

Die seit 2022 geplante neue Kühnichter Heide birgt gefahren für den Hoyerswerdaer Einzelhandel!

Im letzten Februar kreischten das erste Mal die Motorsägen an der Kühnichter Heide. Auf rund sechs Hektar mussten etwa 200 Bäume weichen. Die Bevölkerung schien entsetzt und überrascht – schließlich war bis dahin kein konkretes Vorhaben auf dieser Fläche bekannt.

Zwei Monate später wird das einstige Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Hoyerswerda aufgehoben und erstmalig der Entwurf unter dem Titel „Neue Kühnichter Heide“ mit einem Wohnbauvorhaben und einem großflächigem Einzelhandel veröffentlicht. Konkret sahen die Planungen zuletzt rund hundert Mietwohnungen, 15 Eigenheime sowie eine Handelsfläche 5.600 Quadratmeter vor. Zum Vergleich: Das Lausitz-Center verfügt über 15.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche, also weit über ein Drittel soll noch einmal dazu kommen.

Dem Ziel, möglichst jungen Familien ein attraktives Wohnumfeld zu schaffen, steht auch überhaupt nichts entgegen. Doch weitere großflächige Einkaufstempel zu planen –  in einer Stadt, die mehr als gesättigt an Einzelhandelsangeboten ist – ist schlichtweg nicht gut durchdacht. Statistiken weisen beispielsweise für Deutschland 1,5 Quadratmeter Einzelhandelsfläche je Einwohner aus, in Hoyerswerda sind es bereits jetzt vor diesem Projekt 2,9 Quadratmeter pro Kopf. „Hinzu kommt die weiterhin stagnierende Einwohnerzahl und eine unterdurchschnittliche Einkommensstruktur“, fügt Center-Manager Dieter Henke hinzu. Er sieht die Situation prekär. Werden die Planungen zwischen Spremberger Chaussee und Stauffenberg Straße in dieser Art umgesetzt, sieht er die Nahversorgungsfunktion des Lausitz-Centers kippen, was gravierende Dominoeffekte verursachen könnte. Die rund 25-Millionen-Euro-Investition brächte auch einen Millionen-Euro-Schaden an anderer Stelle in der Innenstadt. Bereits nach der Ansiedlung des Einkaufskomplexes an der Zoowiese 2014 gingen die Durchschnittsfrequenzen von 15.800 Besuchern pro Tag in den Folgejahren auf 12.800 Besucher  zurück. Das ist ein Minus von fast 20 Prozent! Nur durch eine erfolgreiche strategische Nachvermietung im Lausitz-Center entsprach dieser Frequenzrückgang nicht dessen Umsatzentwicklung. 2020 erfuhr der Online-Handel durch coronabedingte Schließungen einen weiteren Hype. Seit 2022 belastet der Krieg in der Ukraine die Menschen, in seinen Folgen auch finanziell, so dass sich dies in ihrem Einkaufsverhalten widerspiegelt. Die Krise hält an, die Insolvenzen zeigen es deutlich. Es ist also fraglich, ob man einen weiteren Einkaufstempel und die damit einhergehenden Frequenz-Einbußen wieder so gut kompensieren kann wie nach 2014. Und die Gelder, die in den letzten 20 Jahren in Aktivitäten, Ausstellungen und Veranstaltungen investiert wurden, werden dann nicht mehr verfügbar sein. „Meiner Meinung nach ein Verlust für die ganze Stadt“, sagt Center-Manager Dieter Henke.

All das hätte schließlich auch Einfluss auf das soziale Leben und gewohnte Lieblingsplätze vieler Menschen. Wie beängstigend ein Leerstand sein kann, ist in den letzten Jahrzehnten mit der Karstadt-Schließung und dem diesjährigen Auszug von C&A aus der Center-Nachbarschaft längst bewiesen. Diesem Szenario sollte nicht noch mehr Dramatik verliehen werden. Wir wollen keine leergezogene Ruine im Stadtzentrum!

 

Wollen wir 600 Arbeitsplätze riskieren?

Das Lausitz-Center mit mehr als 15.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und seiner bisher voll vermieteten Passage bietet nicht nur den gelungenen Branchenmix für ein gemeinsames, gesundes wirtschaftliches Leben. Die 66 Geschäfte, Shops und Serviceeinrichtungen beschäftigen auch über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadt.

Wenn man nun das Worst-Case-Szenario annimmt, dass ALDI, Rossmann oder gar weitere Center-Partner dem zentralen Marktplatz der Stadt den Rücken kehren, sie an den neuen Standort in der „Neuen Kühnichter Heide“ umziehen; ist im Umkehrschluss schon fast sicher, dass die Frequenz von 12.000 Besuchern pro Tag nicht gehalten werden kann. Die Besucher von Supermarkt, Discounter und Drogerie bleiben aus; sie gehen nicht beiläufig auch noch bei den Modepartnern schlendern und somit bricht das gesamte gesunde Gefüge, wie es bisher über viele Jahre funktionierte, mit den größeren Leerständen wie ein Kartenhaus zusammen. Nicht zu verdenken! Hängen doch daran wie gesagt 600 Arbeitsplätze. Center-Manager Dieter Henke ist fest entschlossen, sich im Sinne dieser Menschen hier einzusetzen.

 

Wie sehen es andere Partner und Betroffene wie Kerstin Hanisch, Center-Managerin vom Treff-8-Center?

Laut Verträglichkeitsgutachten würde ein Konzept mit 5.600 Quadratmeter Verkaufsfläche in der Neuen Kühnichter Heide allerdings nicht nur das Lausitz-Center treffen, sondern auch das Treff-8-Center. Kerstin Hanisch, Center-Managerin der Passage und Hoyerswerdaerin meldet sich zu Wort:

Auch dem Netto Markt im Treff-8-Center sind 14,5 Prozent Umsatzeinbußen prognostiziert – dem wichtigsten Ankermieter der Passage, die Luftlinie nur 900 Meter von der Kühnichter Heide entfernt liegt. Auch dort wankt damit das Gesamtkonzept. „Ein derartiger Umsatzeinbruch, würde für viele Geschäftsleute eine ernsthafte existenzielle Bedrohung bedeuten und im schlimmsten Fall zu weiteren Leerständen in unserem Hause führen. – Wollen wir das?“, wirft Kerstin Hanisch die entscheidende Frage auf. Das Treff-8-Centr kommt seiner Versorgungsfunktion im Herzen der Neustadt und nicht zu vergessen in unmittelbarer Nachbarschaft des Lausitzer Seenland Klinikums nach – mit seinem Mix aus Dienstleistung, Einzelhandel, Gastronomie und ärztlicher Versorgung. „Soll daraus eine Leerstands-Immobilie werden? Ich als Hoyerswerdaerin hoffe das doch nicht!“, gibt die Center-Managerin zu bedenken.

Die Perspektive einer bestehenden Immobilie mit all ihren Herausforderungen gestaltet sich mit Sicherheit schwieriger, als der Neubau eines Einzelhandelsstandortes bzw. einer neuen Quartiersentwicklung wie der „Neuen Kühnichter Heide“. Aber auch diese neue Immobilie wird der Dynamik und dem Wandel im Handel ausgesetzt sein. Ist dann nicht mehr der modernste Standort.

„Und um nochmal auf das attraktive Wohnumfeld zurückzukommen: Ist ein neuer Einkaufsmarkt tatsächlich entscheidend für die Wohnortwahl einer jungen Familie?“, will Kerstin Hanisch wissen. Es sind doch, mit der fortschreitenden Digitalisierung und den damit verbundenen Angeboten, bereits jetzt deutliche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und das Konsumverhalten der Menschen zu spüren. Diese Entwicklung geht auch an einem neu gebauten Konsumtempel nicht vorbei. Wird dieser Komplex dann in einigen Jahren auch wieder durch einen Neubau an anderer Stelle ersetzt?



Zurück

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Bitte addieren Sie 8 und 6.