Mehr Augenmaß, weniger Risiken


von Tageblatt-Redaktion

Rund drei Millionen Euro mehr Verlust als geplant wird die Lausitzhalle in diesem Jahr verzeichnen. Vor allem, weil das von ihr ausgerichtete Seenlandfestival nicht erfolgreich war. Es wurde mit 2,5 Millionen Euro Defizit veranstaltet.
Rund drei Millionen Euro mehr Verlust als geplant wird die Lausitzhalle in diesem Jahr verzeichnen. Vor allem, weil das von ihr ausgerichtete Seenlandfestival nicht erfolgreich war. Es wurde mit 2,5 Millionen Euro Defizit veranstaltet.

Zum Thema Lausitzhalle ist auch nach dem für das Jahresende angekündigten Rückzug von Geschäftsführer Sven Tietze, der sich inzwischen krank gemeldet hat, noch nicht alles gesagt. Schließlich ist noch eine Forderung aus dem Juli-Stadtrat offen. Damals, wenige Tage, nachdem das erste Seenland-Festival mit einem Minus von zweieinhalb Millionen Euro geschlossen hatte, war es Joachim Lossack (Linke), der einen Bericht zur geschäftlichen Situation des Festival-Veranstalters Lausitzhalle verlangte.

„Wir werden darauf natürlich noch antworten“, sagt Thomas Delling. Der erst vorige Woche in die dritte Amtszeit gewählte Kultur-Bürgermeister (SPD) steht zugleich dem Aufsichtsrat der Lausitzhalle vor. Diesem wiederum steht seit Anfang des Monats ein gut hundert Seiten starker Revisionsbericht von Wirtschaftsprüfer Olaf Donat zur Verfügung. Der Inhalt, sagt Delling, müsse geheim bleiben: „Es ist eine interne Revision und wir als Aufsichtsräte dürfen Betriebsinterna nicht nach außen tragen.“
Rechtlich ist das so. Aufsichtsräte, so schreibt es der Hoyerswerdaer Rechtsanwalt und Stadtrat Dirk Nasdala (Freie Wähler) in einer 50-Seiten-Broschüre über kommunales Wirtschaftsrecht, seien in ihrer Funktion schließlich nicht an das Wohl der Gemeinde, sondern an das des Unternehmens gebunden. Und: „Grundsätzlich sind die Mitglieder des Aufsichtsrates zur vertraulichen Behandlung und zur Verschwiegenheit bezüglich Angaben über das Unternehmen sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verpflichtet.“

So ist von den Aufsichtsräten also nichts Genaues dazu zu erfahren, wie aus dem geplanten Jahres-Minus von 1,7 Millionen Euro ganze 4,7 Millionen werden konnten und was exakt dazu geführt hat, dass das Seenland-Festival mit 2,5 Millionen Euro Defizit statt wie erhofft mit 200 000 Euro Gewinn schloss. Anzeichen gibt es aber. Große Namen, die Sven Tietze verpflichtete, bedeuten einerseits hohe Gagen. Andererseits bedeuten sie auch teure Extras. So verlangte das Management eines Künstlers, der zu Jahresbeginn auftrat, für ihn und seine elf Begleiter mehr als 30 Handtücher („alle von derselben Farbe“), 24 Flaschen tschechisches Pils, zwölf Flaschen eines lokalen Biers, drei Flaschen eines „guten Rotweins“, zweimal einen Liter polnischen Wodkas, eine große Sushi-Platte („vom besten Japaner am Platz“) sowie einen Raum für den Hund des Musikers – unter anderem. Und bei diesem Aufwand war der Saal beim Konzert nur zur Hälfte mit Zuschauern besetzt.

„Solche Dinge stehen in Verträgen, um Wald- und Wiesen-Veranstalter abzuschrecken. Im Normalfall lassen sie sich bei Verhandlungen streichen oder zumindest deutlich verringern“, sagt Daniel Reiche, der über Jahre Veranstaltungen in der Stadt organisiert hat. Das Problem dabei ist, dass das Ganze offenbar System hatte. So sollen Künstler eigene Technik mitgebracht und auch in Rechnung gestellt haben, obwohl sie in der Halle gleichwertig oder sogar besser vorhanden war. „Offensichtlich gab es kein oder nur ein schlechtes Vertragsmanagement, die Partner konnten bestimmen und so entstanden unnötige Kosten“, vermutet ein Insider, der anonym bleiben will. Sven Tietze bestreitet den Vorwurf, er habe Vertragsentwürfe ohne Verhandlungen unterschrieben. So sei jedes Mal die sogenannte „TV-Klausel“ gestrichen worden, die einem Künstler eine kurzfristige Auftritts-Absage gestattet, wenn er plötzlich ins Fernsehen eingeladen wird.

Andererseits scheint es so, dass auch Rücktrittsklauseln zugunsten der Halle fehlten, was zu abenteuerlichen Folgen führte. Beispiel: das Konzert der Adoro-Tenöre. Sven Tietze hatte sie ursprünglich für das Seenland-Festival gebucht. Dort passten sie aber nicht so recht hin, weshalb ein Open-Air am Gondelteich vorbereitet wurde. Die Kosten dafür sollten sich nach unbestätigten Angaben auf 135 000 Euro belaufen. Als der Kartenvorverkauf sich schleppte, wurde das Konzert in die Halle verlegt. Hier soll es nur noch um 100 000 Euro Kosten gegangen sein. Es kamen immerhin 25 000 Euro Eintrittsgeld zusammen, denn der Saal war voll – unter anderem, weil die Lausitzhallen-Schwester Versorgungsbetriebe (VBH) großzügig mit einer Rabatt-Aktion zu ihrem 20. Geburtstag aushalf. Ein Minus blieb offensichtlich dennoch.

Nun ist es Thomas Dellings Stellvertreter im Aufsichtsrat, Gundolf Irmischer, der auf Basis des Revisionsberichtes Details unter die Lupe nimmt: Was kann nach Ansicht langjähriger Mitarbeiter besser oder anders gemacht werden? Wie muss sich das Marketing ändern? Oder wie lassen sich Prozesse kostensenkend optimieren? „Er hat den Auftrag, den Hinweisen im Revisionsbericht nachzugehen und Empfehlungen für den Aufsichtsrat und den künftigen Geschäftsführer zu erarbeiten. Die dazu nötigen Gespräche mit den Mitarbeitern sind aber auch eine vertrauensbildende Maßnahme“, sagt Delling über Irmischers Auftrag. Der Aufsichtsrats-Chef ist recht optimistisch, dass bei richtiger Führung sogar das eigentlich geplante Jahresminus von 1,7 Millionen Euro in den kommenden Jahren unterschritten werden kann. Nötig seien Augenmaß und die Vermeidung übermäßiger Risiken. Er verweist sogar auf gestiegene Zuschauerzahlen der Halle. „Sie ist, denke ich, gefragt. Man muss nun den richtigen Veranstaltungs-Mix finden“, sagt der Bürgermeister. Grund-Konsens sei, dass die Lausitzhalle Stadt und Region erhalten bleibt. Dafür sorgen soll auch der neue Geschäftsführer. Noch im Dezember ist mit einer Stellen-Ausschreibung zu rechnen, um ihn zu finden.



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