„Leute schauen häufiger in den Abfallkalender“

Wenn Jörg Kühnel nach Hause kommt, wäscht er seine Hände zwar nicht wie Pontius Pilatus in Unschuld. Vielmehr reinigt er sie von all dem, was an einem Arbeitstag durch seine Hände geht. Und das sind Dinge, die man höchst ungern in den Händen hält. Quecksilber, Altöl, Pflanzenschutzmittel, Altbatterien. Um nur einige dieser Sondermüllgegenstände zu nennen, die er und sein Kollege Marcel Eidner wieder auf ihrer Tour durch Hoyerswerda einsammeln. Schutzhandschuhe sind in seinem Job daher ein absolutes Muss.
„Was klebt denn da so?“, erkundigt sich der 58-jährige Kühnel bei dem Mann, der ihm einen Plastikeimer in die Hand drückt. Der Deckel ist eingerissen, schwarz gefärbt. „Ich glaube, das ist noch alte Farbe.“ Eine dunkel schimmernde Flüssigkeit ist in diesem offenbar mehrere Jahre alten Behältnis. Jörg Kühnel wechselt seine Handschuhe. An einem klebt etwas von dieser als Farbe beschriebenen Flüssigkeit. Er reicht den Eimer seinem 27-jährigen Kollegen, der ihn vorsichtig in eine blaue Tonne steckt.
Als ihr Schadstoffmobil gestern um Viertel vor elf in die Schweitzerstraße einbiegt, warten am Garagenkomplex schon einige Menschen. Mit Tragetaschen, Eimern. Eine Frau hat auf dem Gepäckträger ihres Fahrrads Spraydosen verstaut. Kurz darauf bildet sich eine Schlange vor dem Schadstoffmobil. Flaschen, Dosen, Batterien verschwinden wenig später in blauen Tonnen.
Auftakt zur Sammeltour war am Morgen in Knappenrode gewesen. „Dort waren mehr Leute als sonst“, erzählt Marcel Eidner, der das Schadstoffmobil steuert. Rund 20 seien es gewesen, in Zeißig waren es fast genauso viel. Eine halbe Stunde Aufenthalt pro Ortsteil. Kühnel glaubt, dass „die Hoyerswerdaer mittlerweile häufiger in den Abfallkalender schauen“. Ein Eindruck, der sich beim anschließenden anderthalbstündigen Zwischenstop in der Albert-Schweitzer-Straße bestätigt.
In jedem Frühjahr und Herbst fahren Schadstoffmobile durch den Landkreis. Die Fehr Umwelt Ost GmbH, eine in einem kleinen Ort nahe Freiberg ansässige Firma, ist seit einigen Jahren im Auftrag des Landratsamtes in Hoyerswerda und im Altkreis Kamenz unterwegs.
„Nehmen Sie auch Holzlasur an?“, will einer von Jörg Kühnel wissen. Kopfnicken. Natürlich. Seit der Wende gehört das Einsammeln von Schadstoffen zu Kühnels Job. Gab es auch schon einmal heikle Situationen? „Bei Ammoniak zuckt man schon mal zusammen“, meint er. Oder bei Uranoxid. Fällt unter den Strahlenschutz. Für alle Fälle hat Jörg Kühnel einen Geigerzähler dabei. Der erste Andrang ist vorbei. An Kühnels Wagen, einem kleinen Transporter, stapeln sich die Eimer mit den Farben, den Lacken. Was Kühnel überhaupt nicht mag, das ist, wenn man ihm Flaschen ohne Aufschrift in die Hände drückt. Flaschen, die eine auf den ersten und oft auch auf den zweiten Blick nicht identifizierbare Flüssigkeit enthalten. Dennoch: „So was hier abzugeben ist besser, als es in den Wald zu kippen.“ Was da oft abgelagert wird, das „ist ziemlich grenzwertig“, findet er.
In diesem Frühjahr kamen auf ihren Touren durch Hoyerswerda und den Altkreis Kamenz rund 44 Tonnen Sondermüll zusammen. Ein Durchschnittswert. Wieder verschwinden Spraydosen in einer Tonne. Eine fällt Kühnel ins Auge, er holt sie noch mal heraus. „Die stammt noch aus DDR-Zeiten.“ Ihn wundert schon lange nicht mehr, was so alles bei ihm abgegeben wird. „Sondermüll aus Weltkriegszeiten haben sie uns schon vorbeigebracht“, so der Ingenieur. Um Viertel nach zwölf geht die Tour weiter. Ein paar Meter nur, in die Virchowstraße. Auch dort wird das Schadstoffmobil erwartet.
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