Konzentriert hingehört


von Tageblatt-Redaktion

Naturschutzführerin Kerstin Robel mit einem Fledermaus-Detektor. Damit kann man die Laute der Fledermäuse hörbar machen.
Naturschutzführerin Kerstin Robel mit einem Fledermaus-Detektor. Damit kann man die Laute der Fledermäuse hörbar machen.

Von Rainer Könen

Auch eine Naturschutzführerin kann manchmal verzweifeln. Kerstin Robel schaut in den blassen Abendhimmel. Blickt über den Teich. „Ich sehe nichts“, und ihre Stimme klingt ein wenig resigniert. Keine Fledermäuse in Sicht. Ob denn die anderen vielleicht irgendwas über dem Wasser haben fliegen sehen? Kopfschütteln bei der Gruppe. Einer greift noch mal zum Fernglas. Keine Spur von den Nachtjägern. „So was ist mir in den vergangenen Jahren noch nicht passiert“, meint Kerstin Robel und horcht erneut in den Detektor. Aber nein, kein Knacken, kein „Trommelwirbel“ zu hören.

So hört es sich nämlich in den Detektoren an, wenn die Ultraschall-Laute der kleinen Insektenjäger für das menschliche Ohr hörbar gemacht werden. Stattdessen nur ein monotones Rauschen. Ein Blick auf die Uhr. Es ist kurz nach 21 Uhr. „Wir sollten noch etwas gehen, vielleicht sehen wir dann welche“, schlägt sie vor. Die achtköpfige Gruppe nickt.
Es ist sehr laut und unruhig, als sich Naturschutzführerin Kerstin Robel am Freitagabend von der Friedersdorfer Naturschutzstation auf die zweistündige Fledermaus-Wanderung macht.

Drittklässler der Groß Särchener Grundschule haben am Nachmittag in der Station ihr Schuljahresabschlussfest gefeiert. Mit Eltern und Lehrern. Und sind von diesem abwechslungsreichen Tag „ziemlich aufgedreht“, wie Kerstin Robel feststellt. Die Fledermaus-Exkursion soll diesen Tag abrunden. Das Ziel: die drei Kilometer entfernten Ballack-Teiche. Früher als geplant macht sich Kerstin Robel mit der Gruppe auf den Weg. Damit es nicht allzu spät für die Kinder wird. Sie rät den über die Altfriedersdorfer Straße herumtollenden Schülern, den „Luftraum“ zu beobachten.

Kerstin Robel arbeitet schon seit vielen Jahren als ehrenamtliche Naturschutzführerin des Biosphärenreservates Oberlausitz. Mit diesen Fledermaus-Wanderungen will sie die Besucher auch auf die Schönheiten des Biosphärenreservates aufmerksam machen. Zwei Stunden dauern diese Ausflüge in der Regel, die mit Einbruch der Dämmerung beginnen. Wenn die Sonne untergeht, naht die Stunde der kleinen pelzigen Nachtjäger. An den Ballack-Teichen kann man zumeist die Wasserfledermaus und den Großen Abendsegler beobachten.

Auf den Abendsegler setzt Kerstin Robel zu Beginn der Wanderung. Ein Blick zur Uhr: Es ist kurz vor 20 Uhr. Sie schaut nach oben. „Die sind eigentlich pünktlich, müssten sich jetzt auf Nahrungssuche machen“, teilt sie den Kindern mit. „Ich sehe eine“, ruft ein Mädchen ihr zu, zeigt hinüber aufs Feld, das sie gerade passieren. Jedoch: Der vermeintliche Abendsegler ist eine Schwalbe. Zeit für die Naturschutzführerin, die Schüler zusammenzurufen, ihnen zu erklären, dass Fledermäuse ziemlich klein sind. Und federleicht. Eine erwachsene Wasserfledermaus kann auf ein Gewicht von sieben bis 15 Gramm kommen.

Grundschullehrerin Astrid Löpke ist erwartungsfroh, vertraut darauf, dass man bald einige der „kleinen Batmans“, wie einer der Jungen sie beschreibt, zu sehen bekommt. An der Ballack-Mühle angekommen, erhält Kerstin Robel die Nachricht, dass sich noch einige Wanderer der Gruppe anschließen wollen. Im Detektor ist kein schneller werdendes Klicken zu hören, das immer dann zu vernehmen ist, wenn Fledermäuse was Appetitliches in der Luft entdeckt haben.

Es geht weiter. Die Kinder stört es derweil nicht, dass keine Fledermäuse zu sehen sind. Ihr Interesse gilt ohnedies anderen Kreaturen. Erdkröten. Die sind vor einigen Tagen geschlüpft und krabbeln über den Weg. Wer kann die winzigen Kröten am längsten in der Hand halten? Ist lustig anzusehen, dieses muntere Gehüpfe.

An den Teichen angekommen, horcht Kerstin Robel zum soundsovielten Male in den Detektor. Mittlerweile sind die Wanderer, zumeist Touristen, zur Gruppe gestoßen. Darunter ein Ehepaar aus Bamberg. „Wir haben schon so eine Menge vom Biosphärenreservat gelesen, von der Vielfalt der Natur“, so die beiden. Mit dieser Exkursion wolle man den Urlaub abrunden. Als man den ersten Teich erreicht hat, verabschiedet sich Grundschullehrerin Löpke mit den Kindern. Die seien nun sehr müde, müssten nach Hause. Aber auch ohne Fledermäuse sei es ein schöner Ausflug gewesen, so die Pädagogin.

Dann endlich, Kerstin Robel bleibt stehen. „Die Mücken sind nun da“, frohlockt sie. Die Futtergrundlage für die nachtaktiven Jäger. Bis zu 4 000 Mücken kann so eine Wasserfledermaus in einer Nacht vertilgen. Wieder setzt sich die Naturschutzführerin den Ohrhörer auf, hält das hochempfindliche Mikrofon in die Luft. Es rauscht. Komisch sei das. Nun ja. „Normalerweise machen wir solche Exkursionen im August“, erzählt sie. Da zeigten sich auf jeden Fall Fledermäuse. Aber dass sich an diesem Abend überhaupt keine sehen lässt, das findet Kerstin Robel dennoch eigenartig.

Kein Schwirren über den Teichen. Wahrscheinlich sei das Wetter schuld. Es ist schwül, am Abend hat es geregnet. Ein Wetterumschwung kündigt sich an. Nach zwei Stunden vergeblichen Schauens geht es zurück zur Naturschutzstation. Langsam, und immer noch darauf hoffend, das aus dem monotonen Rauschen im Detektor endlich ein Klicken, ein Knacken wird. Mittlerweile schauen einige der Teilnehmer recht enttäuscht drein. Auf dem Rückweg bleibt Kerstin Robel an einem Baum mit zahlreichen Astlöchern stehen. „Ich glaube, ich hab‘ was gehört“.

Ein zaghaftes Knacken habe sie vernommen. Hoffnung bei den anderen, das vielleicht die im Baum vermuteten Fledermäuse sich nun auf die Jagd machen. Einer klopft heftig am Stamm. Ohne Erfolg. Kerstin Robels Tipp an die Teilnehmer: Man solle doch die herrliche Teichlandschaft genießen, die wunderbare von den Unken geprägte Abendstimmung. Machen dann auch alle.



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