Intelligent, stolz und von kräftiger Statur


von Tageblatt-Redaktion

Naturführer Karsten Nitsch aus Neustadt/Spree hat sich intensiv mit Rabenvögeln beschäftigt. Einer gehörte zwei Jahre lang gewissermaßen zur Familie.
Naturführer Karsten Nitsch aus Neustadt/Spree hat sich intensiv mit Rabenvögeln beschäftigt. Einer gehörte zwei Jahre lang gewissermaßen zur Familie.

Von Rainer Könen

In diesen Tagen wird in vielen Orten wieder einem traditionellen sorbischen Brauchtum gefrönt, wird die Vogelhochzeit gefeiert – in Kitas, in Schulen, in großen Veranstaltungssälen. Da steht nicht nur die Elster, sondern auch noch ein anderer Vogel im Fokus: der Rabe.

Plaudert man mit Karsten Nitsch über den Raben, fallen dem 52-Jährigen sogleich eine Menge Geschichten zu diesem Vogel ein. Einem, der in der Lausitz, in ganz Sachsen jahrzehntelang kaum noch anzutreffen war. Erst seit Mitte der 1970er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts registrierte man hier in der Region wieder Brutpaare, auch im Hoyerswerdaer Raum.

Das erzählt Karsten Nitsch und verweist auf das im vergangenen Jahr herausgegebene Buch „Brutvögel in Sachsen“. Der Mann kennt sich in der hiesigen Tierwelt ziemlich gut aus. Schließlich arbeitet er schon seit vielen Jahren als Naturführer. Jedoch: „Wenn die Leute von einem Raben sprechen“, so sagt der in Neustadt/Spreetal lebende Karsten Nitsch, „dann meinen die meisten alle Rabenvögel.“ Dazu gehören auch Dohlen und Krähen. Rabe ist nicht gleich Rabe, da müsse man differenzieren, so der Experte.

Allzu oft sind es die Krähen, die viele mit den weitaus größeren Kolkraben verwechseln. Echte Kolkraben sind scheu und selten, allerdings nicht mehr so selten wie noch vor 40 Jahren.

Karsten Nitsch erinnert sich gern an Max. Der war ziemlich klug, hatte großen Spaß am Schabernack, seine Umgangsformen waren aber gewöhnungsbedürftig. Ein kurzer, prägnanter Name musste es sein, als ihm vor über zehn Jahren Kinder aus dem Dorf die kleine Nebelkrähe brachten. Er zog sie auf, Max wurde Bestandteil der Familie und verhielt sich meist auch so. Zwei Jahre lang hatte er den Vogel, lange genug, um Studien über Rabenvögel zu betreiben. Dass seine Nebelkrähe im Verhalten einem Kolkraben ähnelte, veranlasste ihn, sich einmal näher mit den wenigen hier lebenden Kolkraben zu beschäftigen.

Mitte des 19. Jahrhunderts waren diese, wie in vielen Teilen Deutschlands, so gut wie verschwunden. Was sicher auch mit ihrem schlechten Image zusammenhängt. Galten doch Kolkraben jahrhundertelang als Seuchenvogel, Lämmermörder, als Unheilsboten. Viele Vögel wurden abgeschossen und vergiftet, „standen gar auf der Liste der Schädlinge“, erzählt Karsten Nitsch. Sicher war das Verschwinden der Kolkraben in jenen Jahren auch mit der Waldbewirtschaftung in Verbindung zu bringen, denn diese folgte in diesen Zeiten Begriffen wie der Bodenreinertragspflege. Da blieb einfach kein Platz für diese empfindsamen und scheuen Vögel.

Doch seit den 1950er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind die Kolkraben in Deutschland wieder zurück. Auch in Sachsen. Mittlerweile leben im Freistaat zwischen 1 400 und 1 800 Brutpaare, ein Teil davon hier in der Region. Dass diese Vögel „auf ihre Art besonders“ sind, wie es Karsten Nitsch beschreibt, liege vor allem an ihrer Intelligenz. „Sie gehören meiner Meinung nach zu den intelligentesten Tieren der Welt.“ Rabenvögel lernen ständig dazu. Er konnte das seinerzeit auch bei seiner Nebelkrähe beobachten. Wie die ihre Umwelt beobachtete, Verhaltensweisen von Familienmitgliedern oder anderen Haustieren antizipierte und sich so auf sie einstellte.

Für Karsten Nitsch ist die Rückkehr der Kolkraben auch so etwas wie eine Erfolgsgeschichte richtiger Naturbeobachtungen. Eine, die zeigt, dass sich der Umgang der Menschen in der Region mit der Natur zunehmend verbessert. Auf seinen Touren durch das Biosphärenreservat hat Naturführer Nitsch die Raben intensiv beobachtet. Seine Erkenntnis: Diese haben sich untereinander ständig viel mitzuteilen, informieren sich, wenn sie Kadaver sichten, legen Futterdepots an, warnen die anderen Raben vor Gefahren.

Seitdem der Neustädter zwei Nebelkrähen aufgezogen hat, hat er einen anderen, einen tiefer gehenden Blick auf Rabenvögel, auf Kolkraben. Und die haben, ganz anders als der im Gedicht von Wilhelm Busch beschriebene versoffene Rabe Hans Huckebein, sicher keine schwarzen Seelen.



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