Hoyerswerdas "WK 0" liegt am Schulplatz


von Tageblatt-Redaktion

Peter Biernath in der Heinestraße, wo sich die Neubau-Gebiete Bahnhofsvorplatz und An der Taube treffen.
Peter Biernath in der Heinestraße, wo sich die Neubau-Gebiete Bahnhofsvorplatz und An der Taube treffen.

Von Mirko Kolodziej

Vermeintlich schnell lässt sich die Frage beantworten, wo das „historisch gewachsene“ Hoyerswerda aufhört und die „zweite sozialistische Wohnstadt“ anfängt. Aber vergessen Sie besser die Schwarze Elster als Grenze! Nicht umsonst hängt in der August-Bebel-Straße eine Gedenktafel, die an die Grundsteinlegung für den „Neuaufbau der Stadt“ 1955 erinnert. „Hier saß später der Aufbaustab“, sagt Peter Biernath, der als junger Architekt dabei war, über die Blöcke August-Bebel-Straße 15 und 16.

In einem vor einigen Wochen erschienenen Büchlein, das der seit gefühlt ewigen Zeiten im Kulturbund engagierte Biernath konzipiert hat, kann man gut den Beginn des Wachstums zur Mitte des vorigen Jahrhunderts nachvollziehen. Der Bahnhofsvorplatz, das Quartier An der Taube, die Fritz-Heckert-Siedlung und der Elsterbogen waren bis dahin unbebaut. Das Büchlein zum „Baulehrpfad Hoyerswerda“ nennt diese Stadtteile also „Neubaugebiete in der Altstadt“. Wie groß ist aber der Unterschied von Neubaugebiet und Neustadt?

„In der Altstadt entstand der erste komplette Wohnkomplex mit allen Nachfolgeeinrichtungen“, heißt es in der neuen Kulturbund-Publikation über die Westrandbebauung zwischen Lessing-Gymnasium und Alfred-Scholz-Halle. Der „WK 0“ findet sich also rund um den Schulplatz. Und auch vor dem Wandel von Hoyerswerda zur Stadt der Berg- und Energiearbeiter hatte es hier schon Wachstum gegeben. Der Bahnanschluss 1873 oder etwa der Bau der Vereinigten Glasfabriken 1889 ließen die Bevölkerungszahl ansteigen. Gab es noch 1861 nur 2 500 Hoyerswerdaer, waren es ein halbes Jahrhundert später gut 6 000. Ein weiterer Grund für dieses Plus von 140 Prozent neben der Industrialisierung: 1890 fanden jahrelange Bemühungen der Stadt um die Fusion mit den bis zu diesem Zeitpunkt selbstständigen Gemeinden Haag (nördlich vom Zoo), Burglehn (südlich vom Zoo), Amtsanbau (Vier Gassen) und Pfarräcker (Senftenberger Vorstadt) ein Ende.

Und so macht der „Baulehrpfad“ in Buchform auch gar nicht den Versuch, sich auf die Planstadt östlich des Elsterkanals zu beschränken. Das wollte auch sein gedanklicher Vorgänger nicht tun. Denn schon Ende der 1980er gab es die Absicht, mithilfe von etwa zwanzig Informationstafeln auf historisch wertvolle Objekte hinzuweisen, Bau-Etappen sowie Bauweisen vorzustellen und Kulturdenkmale aufzuzeigen. Die friedliche Revolution beziehungsweise die, die unmittelbar danach die Entscheidungsgewalt übernahmen, machten dann diesen Plänen für einen Baulehrpfad den Garaus.

Wandert man mit Peter Biernath auf den Spuren der Hoyerswerdaer Baugeschichte, kann man lernen, wie schwierig das Bauen in der Langen Straße wegen des nahen Elsterarms (heute Kolpingstraße) gewesen sein muss oder was das Holzhaus in der Schulstraße 12 so besonders macht. Biernath erzählt von früheren Überlegungen, die Kreuzkirche am heutigen Woyski-Park als Kleinkunstbühne zu nutzen, oder schildert, warum er die mittels Kunst am Bau verzierten Dreigeschosser am Bahnhof menschenfreundlich findet. Mit dem neuen Buch in der Hand lassen sich Details des „Baumuseums Stadt“ auf der einen oder anderen Runde intensiver erkunden.

Anders als die Vorgänger-Bücher „Architektour“ (2005), „Kulturdenkmale“ (2008), „Fragmente“ (2010), „Erkundungen“ (2011) sowie „Bilder unserer Stadt“ (2013) verzichtet die neueste Kulturbund-Publikation weitgehend auf Fotos. Die Quartiere werden hier vielmehr mit Hilfe von Stadtgrundrissen und -plänen erklärt. In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten abgerissene Bauten sind darin markiert. Man soll sehen, wie die Stadtstruktur einmal war beziehungsweise geplant gewesen ist. Und hier landet man dann doch vor allem östlich des Elster-Kanals, denn der Abriss in der Altstadt hielt sich, wie man weiß, in engen Grenzen.

Und natürlich spiegeln sich Peter Biernaths persönliche berufliche Erfahrungen als Architekt und Denkmalpfleger auf den 63 Seiten ebenso wider. „Der jetzige Parkplatz auf der Ostseite ist eine zu bebauende Kriegslücke“, schreibt er etwa zum Markt. Das Büchlein an sich begründet er auch mit den Worten: „In Hoyerswerda wurden alle möglichen Dinge ausprobiert, um die Erkenntnisse später DDR-weit zu nutzen. Vieles hat den Charakter des ersten Versuchs.“ Man kann auch sagen: Der nun in Druckform vorliegende Baulehrpfad ist authentisches Zeugnis, das einer der Pioniere von damals ablegt. Wissen um Fakten und Einschätzungen dazu bleiben so erhalten.

Das Buch „Baulehrpfad“ ist ebenso wie die erwähnten Vorgänger-Bücher beim Kulturbund im Denkmalhaus an der Langen Straße 1 zu erwerben. Es kostet 4,80 €.



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