Hier wird die Festgesellschaft schick gemacht


von Tageblatt-Redaktion

Ankleiden kann richtig Spaß machen
Ankleiden kann richtig Spaß machen

Von Anja Wallner

Mit 280 Nadeln wird eine sorbische Tracht festgesteckt, wenn man sie ganz original anzieht. In Schwarzkollm kommen gestern Mittag weit weniger Stecknadeln zum Einsatz – gilt es doch, zehn Kita-Kinder der Vorschulgruppe hintereinanderweg für die große Vogelhochzeitsaufführung am Nachmittag im Dorfsaal anzukleiden. Alle zwei Jahre findet sie in diesem Rahmen statt. Das Besondere: Die Kinder tragen die Trachten eines sorbischen Hochzeitszuges. Im Frentzelhaus liegen sie bereit: prächtige farbenfrohe Hauben und (Hals-)Bänder, Schleifen und Mützen, Anzüge, Röcke, Schürzen, bunter Perlenschmuck. Alle geordnet und versehen mit Namensschildern.

Heidemarie List, die fleißige „Trachtenfrau“ des Dorfes, hat die einzelnen Teile schon seit Tagen geordnet, begutachtet, gebügelt. Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen der Kita und der Ortsteilverwaltung zieht sie die aufgeregte Kinderschar an. Hannah wird die Tracht der Brautmutter tragen, Liese-Lotte neben ihr darf die „Braut“ sein – und freut sich natürlich sehr darüber, wie sie sagt. Auch Bräutigam, Hochzeitsbitter, Brautvater, Brautjungfern und deren Partner werden die Tracht tragen.

Geduldig stehen die Mädchen nebeneinander. „Meine Füße brennen, ich kann nicht mehr stehen“, meldet Hannah. Hier und da ist auch ein verstohlenes Gähnen zu sehen. Ja, eine Stunde still zu stehen, das sei anstrengend für die Kinder, zumal heute auch noch der Mittagsschlaf ausfällt, sagt Silvia Stephan, die Erzieherin der Witaj-Gruppe. So lange ungefähr dauert es, bis ein Kind fertig angezogen ist. „Jedes Band wird extra gesteckt“, erklärt Silvia Stephan den Aufwand. Für sie und die anderen Ankleidefrauen ist die Arbeit ebenso eine Herausforderung und ein Lernprozess: Wie oft zieht man schon Hochzeitstrachten an?

„Erst die Schürze oder erst die Kette?“, überlegt Heidemarie List laut und wendet sich Liese-Lotte zu. „Ich würde ja erst die Schürze nehmen!“, rät die kleine „Braut“. So sei es. Am Tag der Hochzeit bestimmt eben die Braut. Welches Kind in welche Rolle schlüpfen darf, wurde in der Kita im Vorfeld ausgelost. „Das ist fair“, meint Kita-Leiterin Birgit Leonhardt.

Silvia Stephan zieht Amely einen akkuraten Scheitel ins Haar und „klebt“ ihn mit Gel fest, nicht mit Zuckerwasser. Überhaupt hat Heidemarie List die Trachten und die Hauben für die Kinder etwas vereinfacht, nicht alles wird mit Nadeln gesteckt. Amely ist als Erste fertig. Sie stellt auf der Feier „Hanka“ dar, einen Gast, und sie hat eine Tanztracht mit festlicher Seidenschürze und Perlenschmuck an. „Auf einer richtigen sorbischen Hochzeit hat man sich nach Mitternacht noch einmal umgezogen, da in der Festtracht nicht getanzt werden konnte“, erzählt Silvia Stephan. Also warfen sich die Frauen in die festliche Tanztracht, so wie Amely sie heute trägt.

Inzwischen bekommt auch Liese-Lotte ihre Haube aufgesetzt. Ihre Brauthaube ist grün, nicht so bunt wie die Kopfbedeckungen der Brautjungfern. Außerdem ist sie mit herabhängenden goldenen Sternen verziert. Früher hieß es: So viele Sterne, wie sich im Laufe der Hochzeit verhakeln, so viele Kinder bekommt das Brautpaar, erzählt Silvia Stephan. „Nur“ ein Kind zu bekommen, diese Möglichkeit bestand demnach gar nicht …

Geschafft, die Mädchen sind fertig. Ihre schwarzen Ballerina-Schuhe glänzen frisch geputzt. Fehlen noch die Jungen. Ihre Trachten sind zwar weniger kompliziert. „Aber die Jungs sind wuseliger“, sagt Silvia Stephan. Zudem hätten die Jungen großes Lampenfieber. „Die Mädels sind da härter im Nehmen.“ Hinzu kommt: Sie tragen die Tracht recht oft und sehr gern.
Dann, am Nachmittag, marschieren die insgesamt rund 30 Kinder stolz in den Saal, vor den Augen ihrer Eltern, vor Verwandten, geladenen Gästen und den Senioren des Dorfes. Wer keine Tracht trägt, hat ein Vogel-Kostüm aus dem Fundus der Kita an – stellt „Gänse“, „Anten“, den „Uhu“ dar, einfach alle Vögel, die im Vogelhochzeitslied auftreten.

Die Gäste essen den von den Eltern gebackenen Kuchen und erfreuen sich an dem schön geschmückten Saal und dem selbst gebastelten Tischschmuck der Kinder. Feierlich soll es aussehen – man ist ja schließlich auf einer Hochzeitsfeier! Die Kinder zeigen ein Programm mit Liedern und Gedichten zur Vogelhochzeit sowie traditionelle sorbische Kindertänze.

Seit 2007 gibt es den sorbischen Kinder-Hochzeitszug in Schwarzkollm. „Wenn sich Frau List nicht so reinknien würde“, sagt Silvia Stephan, „… dann hätte sie ganz schön Langeweile“, vollendet diese den Satz. Aber natürlich sollte er heißen: Ohne Heidemarie List wäre das alles hier gar nicht möglich.



Zurück

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Bitte rechnen Sie 6 plus 2.