Gute Sicht auf Krabat und August


von Tageblatt-Redaktion

Von den neuen, voll besetzten Zuschauertribünen hatten die Gäste eine gute Sicht auf das Geschehen im neugestalteten Mühlenhof.
Von den neuen, voll besetzten Zuschauertribünen hatten die Gäste eine gute Sicht auf das Geschehen im neugestalteten Mühlenhof.

Von Anja Wallner

Auch ein geliebter und geachteter, höflicher Gutsherr vergisst mal die gute Kinderstube. Lautstark aus dem Schlaf getrommelt, gießt Oberst von Schadowitz kurzerhand einen Topf Wasser auf die Störenfriede. Schlagartig munter wird der Oberst, als er merkt, wen er da unter Wasser gesetzt hat: seinen alten Freund, den sächsischen Kurfürsten August den Starken nämlich, der zu Besuch gekommen ist, um eine Fortsetzung der Geschichte um Krabat zu hören.
Rund 450 Zuschauer – für August „der Pöbel“ – waren zur Krabatmühle nach Schwarzkollm gekommen, um den Auftakt der dritten, längst komplett ausverkauften Krabatfestspiele zu erleben, die wieder von der Dresdener Agentur 0351 um Intendant Peter Siebecke gestaltet wurde. Die brandneuen terrassenförmig angelegten Tribünen sorgten für gute Sicht auf das Geschehen im Mühlenhof, das sich im Jahr 1702 abspielte und an die Handlung der letzten Festspiele anknüpfte. „Krabat – das Glücksspiel um die Schwarze Mühle“ heißt das neue Stück. Der frühere Müllerbursche Handrij (Benedikt Thönes) und seine Hanka (Vanessa Richter) bewirtschaften die Schwarze Mühle und erwarten ein Kind. Krabat (Max Agné), der einst den Schwarzen Müller (Gerhard Hähndel) bezwang, ist der Braschka des Dorfes und will mit Schwarzer Kunst nichts mehr zu tun haben. Jedoch leidet die Gegend unter einer heftigen Dürreperiode, die, so viel sei verraten, nicht natürlichen Ursprungs ist. Denn der Schwarze Müller hat wohl noch Einfluss! Handrij und Hanka überzeugen Krabat, die Trockenheit mittels Zauberkraft zu beseitigen und sich dabei des „Koraktors“, des Zauberbuches des bösen Müllers, zu bedienen. Der Müller fühlt nun, „dass sich der Koraktor regt“, will verhindern, dass Krabat die Dürre weghext und will sich zudem wieder der Schwarzen Mühle bemächtigen. Dabei hat er mit dem intriganten Vogt Hugo von Drausendorf (herrlich grantelig: Peter Splitt) und dem Bänkelsänger Knackwurst (schlüpfrig: Frank Müller) zwei trottelig-gefährliche Helfer. Krabat und der Müller würfeln schließlich um die Mühle, bevor es am Ende zum knallenden, funkensprühenden Showdown zwischen beiden kommt…
Bis auf August den Starken (Steffen Urban) und Schadowitz (Joachim Kaps) wurden die Hauptrollen neu besetzt. Und dennoch, man hatte das Gefühl, beim Zuschauen lauter liebgewonnene alte Bekannte auf dem Mühlenhof zu treffen. Seltsam war nur, Dieter Klimek nicht in seiner Paraderolle als böser Müller zu sehen. Er mimte diesmal den Pechsieder. Neben den tragenden Figuren sangen, tanzten und spielten rund 70 Laiendarsteller vor der herrlichen Kulisse des historischen Gebäudeensembles.Hatten die Zuschauer im vergangenen Jahr schon viel zu lachen, so wurde es diesmal noch lustiger – zumindest, wenn man ein Freund von recht derbem Humor und zuweilen sehr anzüglichen Sprüchen ist. Das Publikum amüsierte sich bestens, und auch die vielen Anspielungen auf die heutige Zeit kamen an. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass es selbst zu Augusts Zeiten Gebrauchsanleitungen in allen möglichen Sprachen gab? Die wichtigste herauszukramen, die auf Sächsisch nämlich, dauerte natürlich am längsten. Und selbst ein Puhdys-Titel schaffte es in das Stück.
Sorbische Kultur, Brauchtum und Sagen zogen sich wie ein roter Faden durch die Inszenierung. Eine wunderschöne, bunte Szene zeigte die Spinte, so wurden früher die geselligen Handarbeitsrunden (unverheirateter) Frauen genannt. Da wurde gesungen, gelacht, getratscht – und sich mit den vorbeikommenden Burschen geneckt. Später drehten sich die Röcke bei sorbischen Tänzen. Spinnräder und Spinnradteile hatten die Schwarzkollmerin Heidemarie List, die auch für die Trachten und das Ankleiden zuständig ist, und Gertrud Winzer vom Krabatmühlenverein, in monatelanger Arbeit zusammengetragen. Spinnradbauer Ulrich Weinhold aus Spremberg hat sie aufgearbeitet. Die Festspiele zu unterstützen, das ist jede Menge Stress, sagte Heidemarie List vor ein paar Monaten. „Aber die ganze Arbeit ist wie ein Jungbrunnen für mich!“ Zwei Irrlichter – man kennt die Zwillingsdarsteller Anton und Richard Fuchs von den ersten beiden Festspielen – brachten den Landvogt zur Verzweiflung und sprachen zum Vergnügen der Zuschauer wie defekte Navigationsgeräte. Der garstigen Mittagsfrau (schön gruselig: Peter Splitt) mit ihrer fürchterlichen Sichel kann Hanka gerade so entkommen. Der prächtige sorbische Taufzug – Ankleiderin Heidemarie List und ihre Helfer müssen im Akkord Nadeln gesteckt haben – war einer der optischen Höhepunkte. Er mündete zum Finale in ein nicht minder prächtiges Feuerwerk, das den Himmel über Schwarzkollm erleuchtete.
Ende der nächsten Woche werden rund 4 500 Besucher die insgesamt zehn Vorstellungen – so viele wie nie – erlebt haben. Rund 160 unermüdliche Helfer aus Schwarzkollm und der Umgebung, vom Statisten über die Feuerwehrleute und Plinsenbäcker bis hin zum Parkplatzeinweiser, werden jeden Abend im Einsatz gewesen sein. Ob es im nächsten Jahr weitergeht? Nun, der Schwarze Müller kündigte nach dem Kampf mit Krabat sein Wiederkommen an…

Gespielt wird an der Krabatmühle noch am heutigen Freitag, am Samstag, am Sonntag sowie vom 16. bis 20. Juli (alles ausverkauft).
Krabat-Festspiele 2015: 1. bis 12. Juli, jeweils 20 Uhr. Der Karten-Vorverkauf beginnt am 1. Oktober 2014.
www.krabat-festspiele.de



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