Zum 70. Mal als Osterreiter unterwegs


von Tageblatt-Redaktion

In der Wittichenauer Prozession reitet Dr. Peter Bresan -rechts- mit seinem Sohn Ambrosius Bresan. Das Foto zeigt beide im vorigen Jahr. Am diesjährigen Ostersonntag reitet Peter Bresan zum 70. Mal ununterbrochen mit
In der Wittichenauer Prozession reitet Dr. Peter Bresan -rechts- mit seinem Sohn Ambrosius Bresan. Das Foto zeigt beide im vorigen Jahr. Am diesjährigen Ostersonntag reitet Peter Bresan zum 70. Mal ununterbrochen mit

Von Andreas Kirschke

Tierarzt Dr. Peter Bresan aus Sollschwitz feiert ein noch nie erreichtes Jubiläum: 70 Jahre Verkündigung der Auferstehungsbotschaft Christi in der Wittichenauer Osterprozession zu Pferd. Das Osterreiten ist der bekannteste Brauch in der Lausitz. Es zieht Tausende Besucher an, wenn Ostersonntag in neun Prozessionen weit über 1 000 festlich geschmückte Reiter und Pferde die Botschaft der Auferstehung Jesu Christi in die Nachbargemeinde singend und betend überbringen. Das Hoyerswerdaer Tageblatt sprach mit dem außergewöhnlichen Jubilar.

Herr Dr. Bresan, wie erklären Sie sich die Gnade und das Geschenk eines solchen Jubiläums?
Beschenkt wurde ich von meinen Eltern, weil ich in einer tiefgläubigen, arbeitsamen Familie geboren, erzogen und aufgewachsen bin. Zu meiner Taufe erwählte mir mein Vater die Vornamen meiner beiden Großväter, Peter Hernascht in Rachlau (mütterlicherseits) und Jakob Bresan in Sollschwitz (väterlicherseits). Diese Vornamen wurden mir zu meinem prägenden Lebensprogramm. Peter steht für Petrus der Fels, und Jakobus ist der Patron der Pilger.

Ihre Pilgerschaft, losgelöst von den Eltern, begann früh…
Schon mit 13 Jahren, am 1. Dezember 1945, begab ich mich mit meinem zwei Jahre jüngeren Bruder Jan nach Ceská Lipa und Varnsdorf (Tschechien) auf das erste Sorbische Realgymnasium nach dem Zweiten Weltkrieg. Mein Abitur legte ich 1951 in der Sorbischen Oberschule in Bautzen ab. Von 1952 bis 1957 studierte ich Veterinärmedizin an der Universität Leipzig. Die Liebe zu den Tieren erwarb ich mir in der elterlichen Landwirtschaft. Meine Mutter brachte zwölf Kinder zur Welt. Jedes sah sie als Gottessegen an.

Wie empfinden Sie persönlich das Ostergeheimnis?
Ostern ist das höchste Fest der Christenheit. Es ist das Fest der Auferstehung Christi. Damit schenkte er uns ein neues Gebot der Liebe und die Gewissheit, dass der Tod nicht das letzte Wort bedeutet, denn wir schreiten alle durch die Pforte des Todes zum ewigen Leben.

Wie erleben Sie den Osterritt mit?
Der Osterritt ist eine Prozession zu Pferd. Es ist, als würde der Gesang der Reiter mit dem Klang der Pferdehufe auf dem Pflaster verschmelzen. Das edle Geschöpf Pferd verleiht den Reitern Stimme und Würde. Immer wieder denke ich über die Geheimnisse des Glaubens im Gebet nach. Gerade bei Fußwallfahrten und bei Prozessionen wie zu Ostern bewegen sie mich besonders tief. Was ist Ewigkeit? Was ist Unendlichkeit? Ewigkeit ist für mich Gegenwart, denn in der Gegenwart werden Taten geboren. Sie sollen Dienst für den Nächsten sein.

Wie erlebten Sie Ostern in früher Kindheit?
Noch in den letzten Kriegstagen, Ostern 1945, erlebte ich als Kind die Prozession mit. Damals ging ich mit anderen Jungen der Osterprozession nach Ralbitz entgegen. Von Ralbitz liefen wir über Schönau nach Sollschwitz zurück. Immer wieder kreisten Aufklärungsflugzeuge über den Köpfen der Osterreiter. Sie flehten Gott um Schutz und Hilfe an. Die Flugzeuge drehten ab, es fiel kein Schuss.

Wann nahmen Sie erstmals teil an der Prozession?
Das war 1946. Ostern war in Sollschwitz der Reiter Jurij Mros erkrankt. Ich war damals erst 13 Jahre alt und durfte an seiner Stelle mitreiten. Doch es gab kein Ostergeschirr. Ich hatte nur einen Sattel und einen Halfter. In Wittichenau sagte eine Frau zu ihrer Tochter: „Schau mal. So ein armer Osterreiter. Der hat ja nicht einmal eine Blume.“ Spontan lief sie ins Haus und brachte eine Kunstblume für mein Pferd. Das war eine unerwartete schöne Geste. Die Lieder und Gebete hatte ich zuvor fleißig eingeübt. Ermüdet, doch im Herzen glücklich, kehrte ich von der ersten Prozession heim. Ununterbrochen ritt ich seit 1946 in der Prozession mit – und das bei jedem Wetter.

Welche prägenden Ereignisse erlebten Sie?
Am unangenehmsten war der Sturm 1957. Der wehte uns die Zylinder vom Kopf. Fahnen und Osterkreuze waren kaum zu halten. 1963 Ostersonntag regnete es den ganzen Tag. Wir hatten Wasser in den Stiefeln. Gefährlich wird es immer, wenn die Pferde den Gehorsam verweigern. Mir passierte es zwei Mal. Beim Aufsteigen bäumte sich das Pferd auf und überschlug sich. Gott sei Dank blieben Pferd und Reiter unverletzt.

Inwieweit wurden Sie als Tierarzt Ostern in Anspruch genommen?
Von 1959 bis 1984 leitete ich die Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Meißen-Süd. Von 1984 bis 1990 leitete ich eine Großtierpraxis in Großdubrau und eine Kleintierpraxis in Bautzen. Ostern hatte ich stets dienstfrei. Die Kollegen respektierten das. Ich werde bis heute jährlich für tierärztliche Hilfe bei Pferden von den Reitern in Anspruch genommen; bei Verletzungen werden Wunden genäht und Verbände angelegt. Der schlimmste Fall war vor sieben Jahren. Nach der Prozession erkrankte ein Pferd an einer schweren Darmverdrehung. Mit Gottes Hilfe gelang es mir, sie vor Ort zu beheben.

Wie bringen Sie sich sonst ein in der Wittichenauer Prozession?
Seit 1963 besorge ich Jahr für Jahr Pferde von Wilsdruff für unsere Prozession. Aus meiner Familie reite ich mit meinem Sohn Ambrosius (54), mit meinen Enkeln Benno Bresan (32) und Florian Bresan (25) aus Bautzen sowie mit Schwiegersohn Tilo Sauer (46) aus Rosenthal gemeinsam in der Wittichenauer Prozession.

Haben Sie eine feste Gastfamilie zur Mittagszeit in Ralbitz?
Ja. Von Anbeginn kehre ich zur Mittagszeit in Ralbitz stets bei der Familie Saring in dritter Generation ein. Dafür danke ich ihr herzlich. Überhaupt gebührt allen Ralbitzer Gastfamilien Dank und hohe Anerkennung. Denn sie bewirten Ostersonntag rund 450 Wittichenauer Reiter. Ich wertschätze das sehr.

Empfinden Sie heute noch genauso Freude wie beim ersten Ritt?
Ja. Frischer als früher komme ich von der ganztägigen Prozession nach Hause. Das hätte ich als Jugendlicher nicht vermutet.

Was ist Ihr Geheimnis für so viel Frische?
Ein weicher Sattel, lange Steigbügelriemen zur Vermeidung von Knieschmerzen und langes ausdauerndes Sitzenbleiben im Sattel die gesamte Prozession über ist meine Erfahrung. Oft werde ich gefragt, wie lange ich noch mitreiten will. Darauf antworte ich stets: „Solange ich selbst aufs Pferd steigen kann.“ Ähnlich ist es mit dem Pilgern. Seit 15 Jahren laufe ich jedes Jahr mit vielen Tausend Pilgern von Warschau nach Tschenstochau zur Schwarzen Madonna. Seit fünf Jahren geht es auch noch zum zweifach gekrönten Prager Jesuskind im Kloster der siegreichen Jungfrau Maria des Ordens der unbeschuhten Karmeliter. Für mich ist es der Dank an Gott für meinen geistigen Lebensweg. Solange mich die Beine tragen, will ich pilgern.

Die Prozession startet am Ostersonntag um 9.20 von Wittichenau nach Ralbitz (Ankunft 12 Uhr). 15 Uhr geht es zurück. Die Ralbitzer werden 12.30 Uhr in Wittichenau erwartet und machen sich um 15.15 Uhr auf den Heimweg. Die Innenstadt von Wittichenau ist zwischen 6 und 20 Uhr voll gesperrt.//Hinweis der Polizei an die Reiter: Wer Ostersonntag oder -montag mit einem als Lkw zugelassenen Zugfahrzeug und angehängtem Pferdetrailer zu den Sammelplätzen und Ställen kommt, sollte eine Ausnahmegenehmigung für diese Nutzung haben. Derartige Kombinationen aus Nutzfahrzeug und Anhänger unterliegen dem Sonn- und Feiertagsfahrverbot. Ohne Ausnahmegenehmigung kann Fahrern und Haltern ein Bußgeld drohen.



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