Frauen mit Gewalterfahrung fordern Erhalt von Hilfsangebot
Von Mirko Kolodziej
Carola (46) sagt: „Ohne dieses Angebot wäre ich hilflos gewesen.“ Sabine (44) sagt: „Es ist mir hier so geholfen worden, dass ich mein Leben wieder in die Bahn bekommen konnte.“ Iris (53) erklärt: „Bei ihm auszuziehen war wie eine Erlösung für mich.“ Und Melanie (26) sagt: „Ich wusste danach wieder, worauf es ankommt.“ Die Frauen gehören zu jenen, die in den letzten 22 Jahren wegen von ihren Ex-Partnern verübter häuslicher Gewalt ins Frauenschutzhaus Hoyerswerda geflüchtet sind, beziehungsweise seit dessen Schließung 2012 in die Frauenschutzwohnung im Stadtzentrum.
Die Frauen berichten von Psychoterror, körperlicher und seelischer Misshandlung, von Brutalität und Unberechenbarkeit. Von Leuten, die über die letzten zwei Jahrzehnte in solchen Fällen geholfen haben, ist zu erfahren, welche Folgen solche Grausamkeiten haben und warum es meist mit dem Ausziehen nicht getan ist, warum betroffene Frauen aktive Unterstützung benötigen. Sie sagen, bei Opfern von Gewalt hätte häufig das Selbstbewusstsein gelitten, sie hätten Angst vor dem Alleinsein und manche schämten sich, dass ihr Wunschbild von einer heilen Familie nicht erfüllt sei. Das gehe so weit, dass Frauen glauben würden, sie hätten die Übergriffe „verdient“. Resultat sei häufig, dass sie länger in einer Beziehung bleiben würden, als für sie gut sei.
Dabei spielten dann auch oft Selbstmorddrohungen der Männer eine Rolle, ebenso wie die Überzeugung der Frauen, sie könnten einen Gewalttäter ändern. Eine der Helferinnen sagt, in der Konsequenz sei neben einem sicheren Ort auch weitere Unterstützung erforderlich: „Jede Veränderung, besonders eine so gravierende wie eine Trennung, bringt die Angst vor dem Ungewissen mit sich. Veränderungen sind Kopfsache. Es muss «klick» machen und dazu sind Zeit und aktive Hilfe nötig.“ So sieht das inzwischen auch Melanie, die erste Bewohnerin der Frauenschutzwohnung. „Man braucht jemanden zum Reden, der einem die Wege zeigt, helfende Hände“, schildert die 26-Jährige, die schwanger war, als sie ihren gewalttätigen Partner verließ. Neben den Großeltern hätten diese helfenden Hände die Leute in der Einrichtung des Trägerwerkes Soziale Dienste ausgestreckt: „Wenn ich das nicht gehabt hätte, weiß ich nicht, wo ich heute wäre.“ Schließlich habe ihr Ex-Partner dafür gesorgt, dass sie so gut wie jeden persönlichen Kontakt abgebrochen hatte, schildert die junge Frau.
Von der Frauenschutzwohnung aus wird in solchen Fällen nicht nur nach einer neuen Bleibe gesucht. Es gibt auch Hilfe bei Ämtergängen oder Hinweise auf passende Hilfsangebote. „Es ist mir hier gelungen, meine Angelegenheiten zu klären“, sagt Iris. Umso weniger können die vier Frauen verstehen, dass vor allem vonseiten des Kreises über die Aufgabe des Angebotes nachgedacht wird (TAGEBLATT berichtete). „Da würde man an der falschen Stelle sparen“, ist Melanie überzeugt, und Sabine sagt: „Die Stadträte möchten bitte alle Hebel in Bewegung setzen, dass es weitergehen kann.“ Ein ähnliches Hilfsangebot in Bautzen, so die Frauen, wäre für sie keines gewesen. Melanie etwa hat nicht nur ihre Großeltern in Hoyerswerda, sondern auch ihre Kinder in einer hiesigen Kita. Und Carola sagt: „Ich brauche meine Ärzte hier.“ Sie hatte, erzählt sie, etliche Jahre mit sich gerungen, sich von ihrem Mann zu trennen. Im Sommer 2011 zog sie ins damalige Frauenschutzhaus. Inzwischen führt sie ein selbstbestimmtes Leben; so wie die drei anderen Frauen auch. Sabine etwa ist eben von einem Saisonjob an der See zurück, in dem sie offenbar aufgeht. Iris wohnt mit einem neuen Partner inzwischen bei Spremberg. Bei Melanie steht sogar eine Hochzeit ins Haus. Kontakt zu ihrer früheren Betreuerin aus der Frauenschutzwohnung hat sie allerdings bis heute. „Ich kann sie jederzeit anrufen“, sagt die junge Frau.
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