Eine Kremserfahrt zum Geburtstag


von Tageblatt-Redaktion

In der sozialtherapeutischen Wohnstätte für Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen wurde am Donnerstag 10. Jubiläum des Kontaktcafés gefeiert. Aus diesem Anlass stand auch eine gemeinsame Kremserfahrt auf dem Programm.  Foto: Silke Richter
In der sozialtherapeutischen Wohnstätte für Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen wurde am Donnerstag 10. Jubiläum des Kontaktcafés gefeiert. Aus diesem Anlass stand auch eine gemeinsame Kremserfahrt auf dem Programm. Foto: Silke Richter

Von Silke Richter

Cornelia* hatte es in der Vergangenheit nicht leicht. Die Mittvierzigerin pflegte über einen längeren Zeitraum ihren schwer kranken Vater. Sie tat das gern, dennoch wurde die Welt um Cornelia während dieser Zeit aber auch immer kleiner. Denn irgendwann zählte für die Tochter nur noch die intensive Versorgung ihres Vaters mit dem Ergebnis, dass sich ihr gesamtes Leben nur noch in der elterlichen Wohnung abspielte. Dann verstarb der Vater. Und plötzlich waren diese Angstzustände da. Besuche in einem Supermarkt, Behördengänge oder Menschenansammlungen – all das konnte Cornelia nicht mehr ertragen.

Seit geraumer Zeit wird die Hoyerswerdaerin deshalb in der sozialtherapeutischen Wohnstätte für chronisch psychisch kranke Menschen in Kühnicht behandelt, die sich in Trägerschaft des Sozialverbands VdK befindet (siehe Kasten). Hier soll Cornelia den Weg zurück in ein normales Leben finden können. Die Therapie soll ihr Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit zurückgeben; sie soll wieder für sich selbst Verantwortung übernehmen können. Neben der ärztlichen Kontrolle und Betreuung in der Wohnstätte sind es vor allem die kleinen Dinge, die Cornelia schrittweise vermittelt werden. Dazu gehört das Wiederherstellen einer normalen Alltagsstruktur, die mit dem morgendlichen Aufstehen beginnt und dem abendlichen Zubettgehen endet.

Beobachtet man Cornelia heute, fällt vor allem eines auf: Die Hoyerswerdaerin ist (noch) nicht völlig geheilt, scheint aber auf einem sehr guten Weg dahin. Und dabei hat ihr auch das Kontaktcafé in der sozialtherapeutischen Wohnstätte sehr geholfen. Das zusätzliche Angebot wurde vor zehn Jahren von Betreuerin Petra Groß ins Leben gerufen. Angehörige und Klienten können hier in ungezwungener Atmosphäre miteinander reden.

 Das reicht vom Austausch diverser Kontaktdaten von Behörden und Einrichtungen bis hin zur gegenseitigen Hilfestellung beim Anträgeausfüllen. Eine Art „Gesprächstherapie“ auf freiwilliger Basis sozusagen, mit dem zusätzlichen positiven Nebeneffekt, dass sich Menschen wie Cornelia heute auch an der Organisation und Durchführung des Kontaktcafés beteiligen. „Cornelia ist seitdem viel selbstbewusster und offenherziger geworden. Sie kann jetzt fast ohne Probleme auf Menschen zugehen und hilft anderen Klienten, selbst dabei den Weg ins Leben zurückzufinden“, meint Einrichtungsleiterin Ina Koch, die mit den Klienten und Mitarbeitern am Donnerstag auf den Tag genau das 10. Jubiläum des Kontaktcafés feiern konnte.

Anfangs eher spärlich besucht, hat sich das zweimal monatliche Kontaktcafé heute zu einer regelmäßigen, nicht mehr wegzudenkenden Veranstaltungsreihe entwickelt. Zunächst war das Café ein Gesprächsangebot, für das die Teilnehmer einen kleinen Obolus zu zahlen hatten. Inzwischen finanziert es sich praktisch von selbst. Mittlerweile hat sich ein richtiges kleines Netzwerk entwickelt, in dem unter anderem auch die Caritas und der Verein der „Hundefreunde“ mit der Wohnstätte intensiv zusammenarbeiten. Dafür braucht es keine schriftliche Kooperationsvereinbarung, denn das funktioniere auch so sehr gut, meint Ina Koch über die gewachsenen Partnerschaften.

Durch das Kontaktcafé hat sich inzwischen auch eine Theatergruppe aus Klienten gebildet, die jeweils zum Jahresabschluss ein selbst einstudiertes Bühnenstück zeigen, das sich beim Publikum zunehmender Beliebtheit erfreut. „Wenn das Kontaktcafé zu Ende ist und die Teilnehmer sich mit strahlenden Augen verabschieden und einfach nur mit einem kleinen Lächeln sagen: Ach, war das heute wieder schön, dann ist das für uns der schönste Lohn“, sagt Hauptorganisatorin Petra Groß.
          * Name geändert



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