Ein oranger Koloss erzählt aus seinem Leben


von Tageblatt-Redaktion

Leuchtend orange kommen sie daher – die Kürbisse. Warme Spätsommertage und kalte Nächte dürften den Früchten in diesem Jahr gut bekommen sein.
Leuchtend orange kommen sie daher – die Kürbisse. Warme Spätsommertage und kalte Nächte dürften den Früchten in diesem Jahr gut bekommen sein.

Ich sehe richtig „grütze“ aus. Was haben die bloß mit mir gemacht? Wenn mich die anderen jetzt so sehen würden, die würden mich nicht wiedererkennen.
„Eh, lass das! Das tut mir doch weh.“ Warum schlagen diese Typen mir nur ständig auf den Kopf? Ich fühle mich so unwahrscheinlich leer, so kraftlos. Verloren komme ich mir vor. Ich möchte jetzt nur nach Hause, auf das kleine Feld in der Nähe des Dorfes. Dort war es doch so schön, mit den anderen Kürbissen. Meist hatten wir da Sonnenschein, okay, gelegentlich regnete es zwar recht heftig, und nachts war es mitunter etwas kühl. Aber das hat uns nicht gestört, wir haben dann gekuschelt, die großen mit den kleinen Kürbissen.
Ob man die anderen auch so behandelt hat wie mich? Es hätte ewig so weitergehen können. Wenn der Bauer mich und die anderen sah, bekam er immer glänzende Augen. Er freute sich wohl mit uns, dachte ich. Heute sehe ich das ganz anders. Oft streichelte er mich, nannte mich ein Prachtexemplar. Doch an einem Morgen kam der Wagen, Hände griffen mich und die anderen Kürbisse, rissen uns aus der Erde. Es war sehr eng, dort, wo ich nun lag, mit den anderen. Hell war es gar nicht. Mir ging es nicht gut. Den anderen auch nicht. Tagelang lagen wir in dieser Holzkiste.
ch fror, obwohl es gar nicht kalt war. Fühlte mich verloren. Jeden Tag kam der Bauer, schaute, griff sich manchmal einen von uns heraus, wischte über die gelb-orangefarbene Haut. Dann kam dieser furchtbare Tag, den ich nie vergessen werde. Kinder standen vor unserer Kiste, waren laut, schrien, patschten mit ihren Händen auf uns herum. Einer zeigte auf mich: „Der sieht ja toll aus, den nehmen wir mit, bald ist doch Halloween. Hällo… wie?. Nie gehört. Ich hatte keine Ahnung, wusste nicht, was das ist.
Und dann diese Schaukelei wenig später. Dunkel war es, dort, wo ich mich befand, ständig kullerte ich gegen etwas schwarzes Rundes. Dann wurde es Licht, ein Kind nahm mich aus dem Behältnis, drückte mich an sich. Ich fror nun nicht mehr und freute mich, umso mehr, als ich noch einige meiner Kürbis-Freunde in diesem Raum traf. Wir hatten uns eine Menge zu erzählen in diesen Tagen. Gut, wir alle vermissten unser Feld, die Erde, die Sonne, den Wind. Aber es war trocken und es war ruhig, hier, wo wir lagen. Und wenn der Herbstwind heftig um dieses Haus fegte, war ich froh, dass ich nicht alleine war.
Ich war nicht glücklich, aber ich dachte mir, so kann man dieses Kürbisleben irgendwie auch aushalten. Bis dann dieser schreckliche Tag kam. Kinderhände griffen mich, ich hörte Kinderlachen. Mir war nicht nach Spaß oder dergleichen zumute. Dieser Schmerz, der folgte, grauenhaft. Eines der Kinder hatte ein Messer in der Hand. Neeeiiiiiinnnnnn, schrie ich es an. Aber es hörte mich einfach nicht. Immer wieder schnitt es mit dem Messer in mir herum. Gott, tat mir das weh. Die Kinder lachten. Eine Kerbe nach der anderen erhielt ich, ich sah ganz verändert aus. Ich hatte einen Mund, eine Nase, zwei Augen, und leicht war ich auf einmal. Es tat mir alles so weh. Auf der anderen Seite des Tisches lag ein Kürbis-Freund. Auch er sah gezeichnet aus. Dieser Schmerz wird vergehen, die Wunden werden verheilen, schien er mir zuzuflüstern. Ich war danach ziemlich sauer, auf die Kinder, auf mein ganzes Kürbisleben, das mir nun so elend erschien.
Nun liege ich hier in der Ecke, und jeder, der an mir vorbei- kommt klopft mir auf den Kopf, „heh, lass das, ich will das nicht“, aber niemand hört mich. Und übermorgen ist es dann so weit: Da ist Halloween, da sollen wir leuchten, anderen Spaß bereiten. Da soll uns wieder warm werden. Ehrlich gesagt, ich würde jetzt am liebsten wieder nach Hause, auf mein Feld, zu meinen Kürbis-Freunden…



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