Ein neues Zuhause für drei Kuckuckskinder
Von Silke Richter
Wer klingelt denn schon am späten Abend bei der Nachbarin und fragt fast schon händeringend nach Mehlwürmern? Hier muss ein Notfall vorliegen. Joanna zeigt traurig auf eine kleine Kiste, in der drei frisch geschlüpfte Jungvögel sehr hungrig immer wieder ihre kleinen Schnäbel aufreißen. Was ist passiert?
Die Zwölfjährige besuchte mit ihrer Mutter Liane Krautz das Waldbad in Wittichenau, als sie plötzlich ein Vogelnest entdecken, das auf dem Wasser schwimmt. Darin drei kleine lebende Bachstelzen, zwei weitere sind bereits tot. Den Jungtieren muss schnellstens geholfen werden, sind sich Mutter und Tochter einig. Sie nehmen die kleinen Vögel mit nach Hause. Dort gibt es statt Mehlwürmern rote Mückenlarven zu fressen. Not macht erfinderisch.
Doch noch am gleichen Abend müssen Mutter und Tochter feststellen, dass sie der Aufgabe von Adoptiveltern nur schwer gerecht werden können. Zumal auf Joanna schon in den nächsten Tagen eine Ferienreise an die Ostsee wartet. Also muss eine andere Lösung her. Aber welche? Ein Ornithologe rät am Telefon dazu, die Jungvögel sich selbst zu überlassen. Das kommt für deren Retterinnen aber nicht infrage.
Im Garten beobachten sie derweil eine Amsel, die immer wieder in einer Hecke verschwindet. Sollte es sich um eine Vogelmutter handeln, die ihren Nachwuchs pflegt? „Wir hätten Freudensprünge machen können, als wir das Nest mit den Amselkindern entdeckt haben“, erzählt Joanna. Nach kurzer Absprache setzen sie ganz behutsam die drei jungen Bachstelzen in das Nest. Natürlich mit Handschuhen.
Ob die Amselmutter ihre Kuckuckskinder, so nennt man fremden Nachwuchs im eigenen Nest, akzeptiert? Es funktioniert. „Sie hat die Jungvögel sofort gefüttert, als wären es ihre eigenen.“ Liane Krautz und ihre Tochter freuen sich, die Bachstelzen nicht ihrem Schicksal überlassen zu haben.
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