Ein kleines bisschen wie Albert Schweitzer


von Tageblatt-Redaktion

Die Augenärztin Doktor Gitta Kaltschmidt wurde nach dem Studium nach Hoyerswerda geschickt.
Die Augenärztin Doktor Gitta Kaltschmidt wurde nach dem Studium nach Hoyerswerda geschickt.

Als Doktor Gitta Kaltschmidt Anfang der 1970er ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte, wollte sie eigentlich in Dresden arbeiten. Der Staat DDR schickte sie aber nach Hoyerswerda, wo Ärzte eher gebraucht wurden, und Gitta Kaltschmidt schickte sich drein. „Arzt sein ist doch eine Berufung. Da muss man eben auch verzichten können“, findet die heute 67-jährige Augenärztin und Hoyerswerdaer Stadträtin. Ein ganz kleiner Funke von Urwalddoktor Albert Schweitzer sollte, sagt sie, in jedem Mediziner stecken. Ihr Beruf, erklärt Gitta Kaltschmidt, mache ihr nach wie vor Spaß, auch wenn die Bürokratie jedes Jahr wächst. „Tausend Abrechnungs-Nummern soll man sich merken und es werden immer mehr“, schimpft die Ärztin.

Aber zu helfen liege ihr nun einmal. Also wird Gitta Kaltschmidt in ihrer Praxis im WK IX für ihre Patienten da sein, solange es eben geht. Sie kennt natürlich auch die Schwierigkeiten, die andere Kollegen in der Stadt und der Region bei der Suche nach Praxisnachfolgern haben. Schon jetzt sind nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung in der Region 16 Hausarztstellen unbesetzt und im Sachsenschnitt sind 56 Prozent der Ärzte älter als 50, haben also den Ruhestand im Visier. In Hoyerswerda kommt ein weiteres Problem dazu.

Der große Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung führt hier zu verstärkter Mediziner-Nachfrage. Bisher wird aber allgemein für den Bedarf nur die Bevölkerungszahl an sich berücksichtigt. Unter anderem das soll nun mit dem 181 Seiten starken „Bundes-Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ geändert werden und Dr. Klaus Heckmann, der Chef der Kassenärzte im Land Sachsen, freut sich: „Nach Einführung des Demografiefaktors können im Freistaat knapp 400 Haus- und 100 Fachärzte zusätzlich zugelassen werden.“ Nur ob das Hoyerswerda hilft, ist fraglich.

Schließlich müssen Mediziner erst einmal hierher wollen. Dazu kommt, dass man als niedergelassener Arzt nicht nur mit der Bürokratie kämpft. Die Budgets sind gedeckelt. „Wer fleißig ist, wird bestraft“, sagt Doktor Kaltschmidt. Es gibt in Hoyerswerda Ärzte, die schließen zum Quartalsende lieber die Praxis, als dass sie Gefahr laufen, draufzuzahlen. Andere nehmen von Patienten noch gute, aber nicht mehr benötigte Medikamente zurück, um anderen Patienten kein Rezept ausstellen zu müssen. Man trixt sich eben so durch.

Hoyerswerda, sagt Gitta Kaltschmidt, brauche gegenwärtig und perspektivisch noch mehr vor allem Ärzte für ältere Menschen. Das beginne bei Allgemeinmedizinern und gehe bei Augenärzten oder Internisten weiter. Wichtig seien auch die Orthopäden. Nur da, weiß die Medizinerin von Patienten, sehe es im Moment schon mau aus. Die Augenärztin aus dem WK IX erklärt, vermutlich würde nur helfen, was die Politik bisher nicht in Angriff nehme: „Man sollte junge Ärzte für zwei oder drei Jahre verpflichten, dorthin zu gehen, wo sie gebraucht werden.“ Der eine oder andere werde dann schon hängen bleiben. Gitta Kaltschmidt denkt da durchaus auch an sich selbst. Irgendwann hatte sie Hoyerswerda nämlich wirklich lieb gewonnen und die einige Zeit noch parallel laufende Wohnung in Dresden wurde aufgelöst. Inzwischen wird sie ärgerlich, wenn jemand behauptet, hier sei es nicht schön.



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